Die Weltraumagentur Esa hat den für September geplanten Start der europäisch-russischen Marsmission "Exomars" abgesagt. Als Grund nannte Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher die "russische Aggression gegen die Ukraine" und die daraufhin verhängten Sanktionen gegen Moskau. "Ein Start in diesem Jahr ist damit sowohl praktisch als auch politisch unmöglich", sagte Aschbacher im Anschluss an eine Esa-Ratssitzung in Paris. Die Weltraumbehörde musste sich mit einer ganzen Reihe von Krisenthemen befassen, die durch die Aussetzung der Zusammenarbeit mit Russland entstanden sind.
Die Exomars-Mission:
Im Zuge der "Exomars"-Mission sollte ein fahrendes Labor auf dem Mars abgesetzt werden, das den roten Planeten mit Hilfe von Bohrproben in bislang nicht gekannter Detailgenauigkeit untersuchen sollte. Allein die europäischen Partner haben mehr als eine Milliarde Euro in das Projekt gesteckt. Teile des Rovers und der Landeeinheit wurden bei OHB in Bremen gebaut.
Die Esa untersuche nun "alle Optionen", wie das Projekt fortgesetzt werden könnte, sagte Aschbacher. Ein Start in Richtung Mars ist nur alle zwei Jahre möglich. Die Esa-Experten halten es für ausgeschlossen, bis zum nächsten Zeitfenster 2024 alle russischen Komponenten an dem Gemeinschaftsprojekt zu ersetzen. "Realistischerweise werden wir nicht vor 2026 starten können, und selbst das wäre eine Herausforderung", räumte Aschbacher ein. Zu den untersuchten Optionen gehört auch eine Zusammenarbeit mit der US-Weltraumbehörde Nasa. "Die Nasa hat ihre Hilfe angeboten", sagte Aschbacher.
David Parker, Forschungsdirektor der Esa, nannte die Aussetzung der "Exomars"-Mission eine "qualvolle Entscheidung": Hunderte von Wissenschaftlern und Ingenieuren hätten viele Jahre lang an dem Projekt gearbeitet. "Ich kann meine Enttäuschung nicht verhehlen", sagte der Brite. Trotzdem zeigte er sich zuversichtlich, dass "Exomars" noch starten wird: "Der Mars ist viereinhalb Milliarden Jahre alt – er wird nun noch ein paar Jahre länger warten müssen, bis er uns seine Geheimnisse enthüllt."
Ersatz für Sojus-Raketen:
Es sollten die "Galileo"-Satelliten Nummer 29 und 30 sein, die Anfang April von Kourou in Französisch-Guayana für das europäische Navigationssystem ins All geschossen werden. Gebaut wurden die kosmischen Peilsender bei OHB in Bremen. Doch wie es aussieht, werden sie vorerst am Boden bleiben. Denn die russischen Techniker, die die für den Transport vorgesehene Sojus-Rakete startklar machen sollten, haben Kourou verlassen. Der bewährte russische Lastenesel fällt für europäische Weltraummissionen vorerst aus.
Nach Angaben des Informationsdienstes Spacenews.com sind dadurch mehr als ein Dutzend Starts europäischer Satelliten gefährdet. Allein die Esa steht mit vier Transportaufträgen in der Warteschlange: zwei "Galileo"-Missionen und den Forschungssatelliten "Euclid" und "Earth Care". Die Weltraumbehörde arbeite nun mit Hochdruck daran, Alternativen zu den Sojus-Raketen zu finden, so Esa-Generaldirektor Aschbacher.
Die Hoffnungen ruhen dabei auf der Ariane 6, die in diesem Jahr zu ihrem Erstflug starten soll. Überlegt wird, ob bei dem Testflug bereits einer der am Boden gebliebenen Satelliten ins All mitgenommen werden kann. "Das könnte allerdings den Zeitplan für den Erstflug beeinträchtigen", räumt Esa-Transportdirektor Daniel Neuenschwander ein. An dem wolle man jedoch unbedingt festhalten – und lieber das Tempo bei den nachfolgenden Flügen erhöhen.
Dem stehen allerdings mögliche Engpässe bei der Materialversorgung entgegen. Bei Ariane werden gerade die Auswirkungen der Sanktionen auf das eigene Bauprogramm untersucht. Äußern möchte man sich dazu nicht. In der Branche ist jedoch bekannt, dass die Versorgung mit Titan ein Problem werden könnte. Neue Zulieferer zu finden, ist in der Raumfahrt nicht ohne Weiteres möglich, da diese strenge Qualitätskriterien zu erfüllen haben und entsprechend zertifiziert werden müssen. Eine Beschleunigung des Ariane-6-Programms wird deshalb als schwierig erachtet.
Raumstation ISS:
Trotz der Drohungen aus Russland, die Raumstation zu verlassen und notfalls abstürzen zu lassen: Der Betrieb im All läuft zurzeit normal. "Die Astronauten machen ihren Job", versichert Esa-Generaldirektor Aschbacher. Dem deutschen Esa-Astronauten Matthias Maurer, der sich zurzeit an Bord der Station befinde, gehe es gut. Auf die Provokationen aus Moskau wolle man gar nicht eingehen.