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Architekten-Entwurf wurde nicht realisiert Wie Libeskind in Bremen eine Philharmonie plante

Seine vier Türme für das Sparkassen-Areal am Brill haben gute Chancen auf Realisierung. Anders erging es dem US-Stararchitekten mit seinem Entwurf für eine Philharmonie in Bremen. Die Geschichte des Musicon.
26.02.2019, 20:40 Uhr
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Von Eva Przybyla

Nicht nur heute versucht Daniel Libeskind die Bremer Innenstadt zu gestalten. Bevor er die vier hohen Türme für das Sparkassen-Areal am Brill entwickelte, plante der US-Stararchitekt eine Bremer Philharmonie.

Es sollte ein erstklassiges Konzerthaus mit einer einzigartigen Akustik auf der Bremer Bürgerweide sein. Außen: Ein modernes, gläsernes Haus mit stürzenden Linien, das von dünnen Stelzen getragen wird. Innen: ein asymmetrischer Konzertsaal in Holzoptik. Libeskind entwarf es für die Bürgerweide und gewann damit den Ideenwettbewerb des „Förderkreis Neue Philharmonie“, der das Projekt später Musicon taufte.

Doch das Musicon wurde nie gebaut. Der Förderkreis befindet sich derzeit in Auflösung. Ingeborg Fischer-Thein muss den Musicon-Förderern per Post das Ende des Vereins mitteilen und viele Briefe verschicken: „Wir haben immer noch 80 Mitglieder“, sagt die Mitgründerin des Vereins. Ihre Hoffnungen auf ein einzigartiges Konzerthaus in Bremen aufzugeben fällt der 77-Jährigen nicht leicht: „Im Musicon steckt eine Menge Herzblut“, sagt frühere Leiterin des Richard-Wagner-Verbands Bremen.

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1989 holt der Friedrich Rebers, der damalige Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Bremen, seine Angestellte Fischer-Thein in das Gründungsteam. Sie sind zwei von fünf prominenten Ideenentwicklern, die das erste große, architektonisch und akustisch herausragende Konzerthaus in Norddeutschland bauen wollen. Darunter ist auch der frühere Intendant von Radio Bremen, Karl-Heinz Klostermeier. Als die Idee ausgeformt ist, gründen sie den Verein und werben für die Idee der Bremer Philharmonie und um Unterstützer. Erfolgreich, wie es scheint. Vier Jahre später zählt der Verein 300 Mitglieder und 100 „Bauherren“, die jeder sieben Jahre lang mindestens 1000 Mark spenden. Mit den Spenden ruft der Verein schließlich den Wettbewerb um die Gestaltung des Musicons aus.

2500 Sitzplätze geplant

Die Resonanz ist groß: 120 Architekten aus aller Welt reagieren auf den Aufruf. Zwölf Büros werden eingeladen, ihre Entwürfe abzugeben. Eine Jury aus internationalen Architekturexperten und Sachverständigen der Bremer Verwaltung beurteilen die Entwürfe, darunter ist auch ein Abteilungsleiter der Baubehörde, Gottfried Zantke. Die Jury kürt im September 1995 den Libeskind-Entwurf zum Sieger. 2500 Sitzplätze sieht dieser für Konzertgäste vor, das wären über 1000 Plätze mehr als im Großen Saal der Glocke. Auf 70 bis 90 Millionen Mark wurden damals die Kosten geschätzt, der Verein habe bereits 1,5 Millionen Mark an Spenden gesammelt. Als Eröffnungsdatum schwebt dem Verein das Jahr 2000 vor, passend zur Expo in Hannover. Der Traum vom erstklassigen, architektonisch hochkarätigen Konzerthaus in Bremen scheint zum Greifen nah. Doch Henning Scherf (SPD) bringt ihn zum Platzen: „Das ist die fröhliche Idee von ein paar alten Leuten, aber keine Planung der Stadt“, sagt der damalige Bürgermeister schon einen Monat nach dem Wettbewerb.

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„Der größte Gegner des Musicon war immer Scherf“, meint Fischer-Thein noch heute. Der Weg zu Teil-Finanzierung durch das Land war abgeschnitten: „Wir haben immer auf die Unterstützung des Senats gesetzt“, erläutert sie. Trotz Scherfs Widerstand sucht der Verein in den Folgejahren weiter Förderer und stellt den Gewinnerentwurf auch in Hamburg, Berlin und Rotterdam aus. Unermüdlich wirbt er für das Projekt, bestellt Gutachten und überzeugt unter anderem den damaligen Bürgerschaftsabgeordneten Jens Böhrnsen (SPD) von der Idee.

Doch das Projekt stockt. Der Eröffnungstermin wird verschoben. 1998 schließlich kommt ein neuer Gegner ins Spiel: der Space Park. Der Freizeitpark, der als Pleiteprojekt in die Landesgeschichte eingehen sollte, ist der Favorit für die ersehnte finanzielle und politische Unterstützung des Senats. Das Konzerthaus gilt als Alternativprojekt, doch es soll kleiner und billiger werden.

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Der Plan verschwindet in der Schublade

Selbst als Libeskind Bremen besucht und seinen Entwurf vorstellt, sind die meisten Politiker nicht überzeugt. Kultursenator Bernt Schulte (CDU) erteilt dem Vorhaben eine klare Absage: „Mit mir ist ein Musicon undenkbar“, sagt er. Der laufende Betrieb sei nicht finanzierbar. Auch in den Folgejahren wird sich der Senat nicht zu einer Bremer Philharmonie bekennen.

Nur in der Bewerbung als Kulturhauptstadt 2004 taucht das Konzerthaus auf. Doch die Stadt Essen gewinnt, ist 2010 Kulturhauptstadt, parallel dazu explodieren dann in Hamburg die Baukosten für die Elbphilharmonie. Die Zeit für den Libeskind-Entwurf scheint verstrichen. Viele fordern ein Ende der Musicon-Debatte; der Plan des gefeierten Architekten verschwindet in der Schublade.

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Noch heute ärgert das den Mitinitiator Klaus Bernbacher, er rügt die Stadtplanung als einfallslos. „Aus städtebaulicher Sicht ist Bremens Architektur indiskutabel“, meint der frühere Vorsitzende des Bremer Landesmusikrats und ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete. Rolf Rempe, Vorstandsmitglied des Fördervereins, pflichtet ihm bei: Die Bremer Politik scheue das Risiko.

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Für beide ist klar: Das Musicon ist an der Fantasielosigkeit der Politiker gescheitert. Das notwendige Geld hätte man zusammenbekommen können, ist Bernbacher überzeugt – auch ausschließlich durch Sponsoring und Spenden. „Es gibt genug wohlhabende Menschen in Bremen, die für ein Konzerthaus gespendet hätten“, sagt er. Rempe und er schwärmen von der Attraktivität zeitgenössischer Architektur in Bilbao und anderen Städten. Sie reden sich regelrecht in Rage. Das Projekt Musicon scheint die beiden noch nicht wirklich losgelassen zu haben. Ob sie weiterhin dranbleiben? „Im Kopf gibt man natürlich nicht auf“, sagt Rempe.

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