Den Marktführer im Geschäft mit Offshore-Windanlagen als Mutterkonzern zu haben, klingt gut. Doch was, wenn die Tochter ein Produktportfolio hat, das aus Sicht der Mutter nicht benötigt wird? Dann ist es vorbei mit der Mutterliebe. Klingt brutal, aber für Sentimentalitäten ist im Wirtschaftsleben kein Platz. Ob dieser Radikalkurs auch bei Adwen in Bremerhaven eingeschlagen wird, wird sich vermutlich am kommenden Dienstag zeigen: Die Geschäftsführung des Mutterkonzerns Siemens-Gamesa Renewable Energy hat den Betriebsrat und anschließend die Belegschaft für diesen Tag zu einer Informationsveranstaltung eingeladen.
"Wir wissen nicht, was kommt, aber wir befürchten Schlimmes", sagt ein Adwen-Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Vielleicht hätte er sonst weniger Chancen, eventuell doch seinen Arbeitsplatz zu behalten, falls das Werk nicht komplett geschlossen wird – so seine Befürchtung. "Die Entwicklung ist sehr traurig und sehr frustrierend." 462 Mitarbeiter sind bei Adwen aktuell noch beschäftigt. Vor einem Jahr waren es 1140 Beschäftigte, die Hälfte davon waren Leiharbeiter und Mitarbeiter mit Werkverträgen.
Wie ungewiss die Zukunft von Adwen ist, das zeichnete sich gleich zu Beginn der Übernahme 2016 ab. Ursprünglich gehörte Adwen je zur Hälfte dem französischen Energiekonzern Areva und dem spanischen Windgeneratorenhersteller Gamesa. Nachdem Areva seine Anteile an Gamesa verkauft hatte, waren die Spanier zwischenzeitlich alleiniger Eigentümer – aber nur bis zum Zusammenschloss mit Siemens, wobei der deutsche Technikkonzern mit 59 Prozent die Mehrheit an der neuen Gesellschaft hält. Adwen spielte bei diesem Geschäft, für das Siemens gut eine Milliarde Euro hinlegte, nie eine Rolle: Der Deal mit Gamesa wurde nur gemacht, um so bei Windkraftanlagen an Land – im Onshore-Geschäft – Marktanteile zu gewinnen. Dort gehört Gamesa zu den führenden Unternehmen. Adwen gehörte mit zum Paket, weil sich zuvor kein passender Käufer für den Offshore-Bereich gefunden hatte.
Für etwas Offshore-Geschäft sorgte die Adwen-Übernahme aber doch: Siemens-Gamesa wird für zwei Windparks vor der französischen Atlantikküste die Anlagen liefern. Die Verträge mit Frankreich stammen noch aus der Zeit, als Adwen selbstständig und ein Gemeinschaftsunternehmen von Areva und Gamesa war.
"Die Entwicklung ist sehr traurig und sehr frustrierend"
Ursprünglich war für dieses Projekt eine Adwen-Anlage vorgesehen – die bis dahin größte Offshore-Windenergieanlage der Welt: Den von Adwen als Hoffnungsträger entwickelten Prototyp gibt es, er steht seit Mai vergangenen Jahres auf dem früheren Flughafengelände Luneort in Bremerhaven. Dass es bei dem Prototyp bleiben wird, hatte Siemens-Gamesa im vergangenen Jahr entschieden: Statt der Adwen kommt eine Siemens-Anlage zum Einsatz. Wobei eine Serienproduktion der Adwen-Anlage ohnehin vor Ort in Frankreich angesiedelt worden wäre.
Die Serien-Produktion kleinerer Anlagen lief bei Adwen im vergangenen Jahr aus, Folgeaufträge gab es nicht. Siemens-Gamesa gab im Juni 2017 bekannt, dass es bei Adwen nur noch den Bereich "Operations" geben soll. Dieser ist künftig ausschließlich für die Wartung und den Service von vier deutschen Windparks zuständig, die mit Adwen-Anlagen der früheren Generation ausgestattet sind.
"Selbst, wenn sie den Operations-Bereich aufrecht erhalten und nicht an einen anderen Standort verlagern wollen, ist klar, dass dort nur ein kleiner Teil der Beschäftigten weiter arbeiten kann", sagt der Adwen-Mitarbeiter zu seinen Befürchtungen vor der Informationsveranstaltung am Dienstag. Skeptisch ist er auch deswegen, weil die Geschäftsleitung von Siemens-Gamesa den Betriebsrat aufgefordert haben soll, zwecks zeitnaher Terminabstimmungen gleich seinen Anwalt mitzunehmen. "Das klingt für mich so, dass es für uns nur noch darum gehen kann, einen möglichst hohes Schmerzensgeld auszuhandeln."
Weder Siemens-Gamesa noch Adwen wollten am Freitag dazu Stellung nehmen, welche Perspektiven der Standort in Bremerhaven für das Unternehmen noch hat. Eine Adwen-Sprecherin sagte, dass es zeitnah Informationen geben werde und sie dem nicht vorgreifen wolle.