Der designierte Bremerhavener Bürgermeister Torsten Neuhoff (CDU) sorgt mit seinen Äußerungen zum Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) für heftige Kritik vonseiten des Koalitionspartners SPD. Am Wochenende hat er in einem Interview mit der "Nordsee Zeitung" gefordert, den Bau des Großprojekts infrage zu stellen.
„Herr Neuhoff kann froh sein, dass er das Interview nicht vor seiner Wahl gegeben hat. Dann hätte ich meiner Fraktion empfohlen, ihn nicht zu wählen“, sagt der Bremerhavener SPD-Fraktionsvorsitzende Sönke Allers in einer online veröffentlichten Stellungnahme. Seine Fraktion sei fassungslos. „Nun lümmelt man dick und bräsig im Amtssessel und gibt wie König 'Johann ohne Land' unüberlegte Äußerungen ab“, schießt er gegen Neuhoff. Dieser habe dem Wirtschaftsstandort Bremerhaven außerordentlichen Schaden zugefügt.
Am vergangenen Donnerstag ist Neuhoff mit Stimmen der CDU und der SPD zum Bremerhavener Bürgermeister gewählt worden. Auch das Amt des Kämmerers übernimmt er ab November. Der 49-Jährige löst Paul Bödeker (CDU) ab.
Kritik wird als unangemessen zurückgewiesen
Der Fraktionsvorsitzende der CDU in Bremerhaven, Thorsten Raschen, bezeichnet Allers Kritik als unangemessen. Es sei die Aufgabe des Kämmerers, jede Haushaltsstelle zu hinterfragen: "Wenn man nichts hinterfragt und alles als gegeben nimmt, gleicht das einer Selbstaufgabe." Die CDU-Fraktionen Bremen und Bremerhaven jedoch stünden weiterhin hinter dem Projekt OTB, betont er.
Jörg Kastendiek (CDU), wirtschaftspolitischer Sprecher der Bremer Bürgerschaftsfraktion, stimmt seinem Parteikollegen zu: „Es liegt auf der Hand, dass Torsten Neuhoff als neuer Kämmerer die Wirtschaftlichkeit des Offshore Terminals hinterfragt: Durch Planungsfehler des rot-grünen Senats und Uneinigkeit in der Koalition ist das Projekt um Jahre ausgebremst worden." Potenzielle Unternehmen aus der Offshorebranche hätten sich auf Grund dieser politischen Fehler deshalb schon für andere Standorte entschieden.
Kastendiek spricht sich dafür aus, einen "Plan B" für das OTB zu entwickeln, um nicht mit leeren Händen dazustehen, sollte das Projekt wegfallen. Daher solle auch parallel geprüft werden, ob ein allgemeiner Schwerlasthafen ohne die Beschränkung auf Offshore an dessen Stelle entstehen könnte.
"Langfristige Hafenpolitik sieht anders aus"
„In Bremerhaven zündelt die CDU am OTB herum, in Bremen am Neustädter Hafen. Seriöse, langfristige Hafenpolitik und Unterstützung der Unternehmen vor Ort sieht anders aus“, teilt Martin Günthner (SPD) mit. Der Bremer Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen ist gleichzeitig Vorsitzender der Bremerhavener Sozialdemokraten und ein langjähriger Unterstützer des geplanten OTB.

Torsten Neuhoff ist am vergangenen Donnerstag zum Bremerhavener Bürgermeister gewählt worden.
Auch die IG Metall Weser-Elbe hat zu Neuhoffs Äußerungen Stellung bezogen. "Der neue Bürgermeister und Kämmerer Torsten Neuhoff wird aufgefordert, seine Aussagen über den OTB zu überdenken und zur Windbranche und damit zu Hunderten von Arbeitsplätzen in Bremerhaven zu stehen", heißt es in einer Mitteilung. Die Gewerkschaft sei weiterhin für den OTB-Bau.
2013 wollte die Bremerhavener Stadtverwaltung mit dem Bau des Offshore-Terminals beginnen, dessen Fertigstellung für 2014 angedacht war. Windenergieanlagen und andere Elemente für Offshore-Windparks sollen dort verladen werden. Der Naturschutzverband BUND hat das Projekt scharf kritisiert und Klage dagegen eingelegt. Der Bau würde in den EU-Schutzgebieten Luneplate und Weser bei Bremerhaven zu irreparablen Schäden führen. Unter anderem könnten verschiedene Wattvogelarten, Wanderfische und Schweinswale unter der Lärmbelastung bim Bau leiden.
Das Verwaltungsgericht Bremen gab der Klage Recht. Auch sei die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes für das Planfeststellungsverfahren verantwortlich, nicht der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr. Dieser legte daraufhin beim Oberverwaltungsgericht Widerspruch ein. Ein abschließendes Urteil steht noch aus.
Cuxhavens Schwerguthafen
2015 fuhren Unterstützer eine Schlappe ein, als der potenzielle OTB-Kunde Siemens Bremerhaven eine Abfuhr erteilte und bekannt gab, ein neues Werk mit etwa 1000 Arbeitsplätzen in Cuxhaven zu eröffnen. Im Gegensatz zu Bremerhaven war Cuxhavens Schwerguthafen zu dem Zeitpunkt bereits fertiggestellt und einsatzbereit.
Befürworter weisen darauf hin, dass das OTB auch ohne aktuelle Großkunden eine sinnvolle Investition sei: Der Offshore-Terminal Cuxhaven wurde 2009 gebaut. Die Hoffnung, das Bauunternehmen Strabag würde den Standort nutzen, ging nicht in Erfüllung. Bis zu Siemens Zusage stand die Anlage größtenteils ungenutzt.
An diesem Mittwoch wird die Bremische Bürgerschaft über das OTB debattieren. Ab 16.45 Uhr ist eine Sitzung zum Thema einberufen.