Dennis Mahlstedt hat fünf seiner 350 Schafe verloren. Erst wurden zwei, dann, tags darauf drei der Tiere tot im hohen Gras liegend gefunden. "So wie die zugerichtet waren, kann das wohl ein Wolf gewesen sein", vermutet der nebenberufliche Deichschäfer. Zuletzt waren im Dezember vier seiner Tiere von einem Wolf gerissen worden. Danach habe es einen weiteren Zwischenfall auf den beweideten Flächen in Seehausen-Hasenbüren gegeben, "aber das waren wohl Hunde", vermutet Mahlstedt.
Rund um Bremen sind Wölfe nachgewiesen in den Landkreisen Osterholz, Oldenburg, Diepholz, Nienburg, Verden, Cuxhaven und der Region Hannover. Dass Wölfe auf der Wanderung und auf der Suche nach Nahrung die Bremer Landesgrenze überschreiten, wird in Zukunft vermutlich häufiger vorkommen. Laut der Landesjägerschaft Niedersachsen, die für die Länder Niedersachsen und Bremen das sogenannte Wolfsmonitoring betreibt, sollen es zu Beginn des Jahres 44 Rudel mit insgesamt 500 Tieren landesweit gewesen sein. Der aktuelle Nachwuchs ist dabei noch nicht berücksichtigt. Den jährlichen Zuwachs der Population schätzt Marcus Henke, Präsident der Bremer Jäger, auf 30 Prozent.
Der vermehrten Präsenz des Wolfs trägt auch das Land Bremen Rechnung, das nach Angaben des Umweltressorts die Förderung von Schutzvorkehrungen nach der sogenannten Richtlinie Wolf für das laufende Jahr auf 100.000 Euro verdoppelt hat. "Die Förderung ist stark nachgefragt, und viele Landwirte und Landwirtinnen zeigen Interesse", teilt eine Sprecherin mit. "Es können jedoch trotzdem nicht alle Anträge bewilligt werden." Wenn Unterstützung gewährt wird, geschieht dies als "Zuwendung zur Minderung und Vermeidung von durch den Wolf verursachten wirtschaftlichen Belastungen".
Das betrifft auch Dennis Mahlstedt, der rund fünf Hektar Fläche an der Weser eingezäunt hat, "zum Teil mit normalem, 1,20 Meter hohem Wildzaun, zum Teil mit Stromlitze zur Wolfssicherheit". Sein erster Antrag auf Förderung von Herdenschutzzäunen wurde im März bewilligt, ein zweiter nicht mehr – da sei der Fördertopf des Umweltressorts ausgeschöpft gewesen. Förderfähig sind grundsätzlich erstmalige Anschaffung und Nachrüstung von Zäunen und Zubehör zum "wolfsabweisenden Grundschutz" und, sofern erforderlich, Pferche oder Nachtgatter. Was zum Leidwesen vieler Weidetierhalter nicht gefördert wird, sind die Kosten für den Aufbau und die Unterhaltung der Anlagen. Grundsätzlich können Schafe, Ziegen, Gatterwild, Rinder und Pferde geschützt werden.
In 76 von 89 Fällen war es der Wolf
Im ersten Quartal 2023 hat die niedersächsische Jägerschaft landesweit 89 Übergriffe auf Nutztiere dokumentiert, in deren Folge 358 Tiere starben. In 76 der Fälle wurde ein Wolf als Verursacher bestätigt. Der DNA-Nachweis steht in Mahlstedts neuesten Fällen vom linken Weserufer noch aus. Auf der anderen Seite des Flusses, nördlich an das Bremer Gebiet angrenzend, erstreckt sich rund 30 Kilometer entlang der Binnendeichslinie fast durchgängig das niedersächsische Modell- und Pilotprojekt zum Schutz der Deichschafe vor Wölfen. Mit insgesamt 570.000 Euro fördert das Land den Versuch, bei dem der Deich bis zu 1,50 Meter hoch elektrisch abgezäunt ist.
Im Sommer 2024 wird das vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung mit 1,1 Millionen Euro geförderte dreijährige Forschungsprojekt von Bremer und Gießener Wissenschaftlern abgeschlossen sein: Sie arbeiten an der Entwicklung eines „modularen, autonomen und intelligenten Weide(schutz)zauns mit Erkennung und Vergrämung von Prädatoren“.
Aktuell prüft die Region Hannover ein weiteres Mal, eine Abschussgenehmigung für den unter strengem Schutz stehenden Wolf zu erlangen. Das berichtet die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Zuletzt hatte es im Herbst 2022 eine solche Erlaubnis in der Region Hannover gegeben – ohne dass am Ende ein Schuss gefallen wäre.