Erneut ist es in der Erstaufnahmestelle für Geflüchtete in der Lindenstraße eng geworden. Exakt 309 Bewohner listet der Sachstandsbericht Corona des Sozialressorts für die Einrichtung zum Stichtag 29. Oktober auf. Die Sozialbehörde halte damit ihre eigenen Standards nicht ein, moniert deshalb der Flüchtlingsrat Bremen. Denn eigentlich hatte die Sozialsenatorin nach einer vorangegangenen Vereinbarung im Koalitionssauschuss vom April dieses Jahres eine Obergrenze von 250 Bewohnern verfügt.
Zuvor hatte es in der Erstaufnahme einen Covid-19-Ausbruch mit über 40 Infizierten gegeben, für die der Flüchtlingsrat schon damals die enge räumliche Situation in der Einrichtung als Ursache betrachtete. Er forderte daher die Schließung der Einrichtung und hat diese Forderung jetzt erneuert. Denn auch jetzt sind nach Darstellung des Flüchtlingsrates Menschen in der Lindenstraße in „Kabinen“ untergebracht, die keine Decken haben und nicht baulich voneinander abgegrenzt sind.
Auch könnten die Bewohner die Fenster nicht öffnen, es gebe also keine von den Bewohnern selbst regelbare Frischluftzufuhr. „Es ist absehbar, dass es unter den bestehenden Bedingungen erneut zu einer großen Anzahl an Erkrankungen und Quarantänen in den Unterkünften kommt“, sagt Gundula Oerter vom Flüchtlingsrat. „Die Sozialbehörde stellt sehenden Auges genau die Situation wieder her, die im April in einer Infektionsrate von 37 Prozent gipfelte."
Ein bis zwei positive Befunde
Dem widerspricht das Sozialressort in seinem Sachstandsbericht. So sei inzwischen die Lüftungsanlage umgerüstet worden. Bei neu in Bremen ankommenden Personen, die sich erstmalig zur Unterbringung melden, erfolge außerdem nach kurzer Zeit ein Coronatest. Dabei fänden sich aktuell pro Woche ein bis zwei positive Befunde. „Diese Personen werden außerhalb der Lindenstraße in Quarantäne untergebracht, ebenso die Kontaktpersonen. Verdachtsfälle oder Krankheitsfälle unter den anderen Bewohnern gab es im gesamten September und bis Mitte Oktober weder in der Lindenstraße noch in den Außenstellen“, heißt es in dem Bericht.
Richtig ist demnach, dass weiterhin die kritisierten „Kabinen“ existieren. Das Problem laut Sozialressort: Ein Umbau wird erst möglich, wenn zum einen die Genehmigung des Bauamtes vorliegt und zum anderen die Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge sinkt. Denn für den Umbau müsse ein kompletter Flügel über mehrere Monate geräumt werden, was zwangsläufig zu einer engeren Belegung in anderen Gebäudeteilen führe.
Da aber seit September die Zahl der in Bremen ankommenden Flüchtlinge wieder steigt, sei kurzfristig nur eine Unterbringung an anderen Stellen eine Alternative. Schon jetzt würden darum, soweit das nur irgendwie rechtlich möglich sei, Bewohner auch in Übergangswohnheimen untergebracht. Allerdings ist der Platz auch dort begrenzt. Das Sozialressort denkt darum über die Wiedereröffnung des sogenannten „Roten Dorfes“ nach, eine Containerunterkunft, die seit 2015 in der Überseestadt stand.
Bislang wird als Nachnutzung der rund 100 roten Wohncontainer eine Studierendenunterkunft an der Ladestraße in Woltmershausen diskutiert. Für diesen Standort soll Immobilien Bremen nun prüfen, ob dort auch Geflüchtete untergebracht werden können. Wegen notwendiger Planungen zum Hochwasserschutz und ausstehender Untersuchungen im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens ist eine kurzfristige Wiedererrichtung der Container in Woltmershausen allerdings unwahrscheinlich, weswegen parallel auch andere Standorte gesucht werden sollen.