Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bildungsserie: Gestra Bremen Zu Besuch in einem Ausbildungsbetrieb

Der Bremer Armaturenhersteller Gestra unterstützt Auszubildende, wenn es in der Berufsschule Probleme gibt. Ausbilder Andreas Rohde wünscht sich, dass Schulen die Grundrechenarten stärker trainieren.
07.05.2018, 06:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Zu Besuch in einem Ausbildungsbetrieb
Von Sara Sundermann

Es wird gefräst, gedreht und genau hingesehen: Eine Handvoll junger Männer mit Schutzbrillen arbeiten und lernen an den Maschinen. Halblaute Gespräche im Raum, entspannte Atmosphäre. Für angehende Zerspanungsmechaniker, aber auch Mechatroniker hat die Firma eine Ausbildungswerkstatt eingerichtet. Dort lernen sie gemeinsam mit Ausbildungsleiter Andreas Rohde, was sie für die Arbeit wissen müssen.

"Es ist hier wie in einer Familie, du kannst jeden fragen", sagt der Auszubildende Abdou Karim Diallo. Der 20-Jährige kommt aus Guinea und ist seit drei Jahren in Deutschland. Er spricht schon gut Deutsch. Dass es bei komplizierten Zusammenhängen dennoch auch mal haken kann, kann sich jeder vorstellen, der einmal eine Fremdsprache gelernt hat. "Aber alle hier können gut erklären", sagt Abdou Karim Diallo.

Und tatsächlich hat er kurz darauf eine Frage: Er hat Teile aus einer Aluminiumplatte herausgefräst, die später dazu dienen sollen, kleine Schilder zu halten. Der Auszubildende hat etwas anders gefräst als geplant und fragt bei Rohde nach, was er tun kann. Der schickt ihn kurzerhand zu einem Kollegen: "Frag mal nach, ob wir das trotzdem verwenden können." Problem gelöst, Abdou Karim Diallo macht sich auf den Weg.

Die Firma Gestra, die weltweit Vertretungen hat, hat ihren Sitz im Bremer Stadtteil Findorff. 380 Beschäftigte arbeiten hier, hinzu kommen 20 Ausbildungsplätze. Das Unternehmen produziert Armaturen und Regelungstechnik. Hier werden zum Beispiel verschiedene Arten von Ventilen hergestellt, ebenso wie Ausrüstung für Dampfkessel. Bauteile, die zum Einsatz kommen, wo Wasserdampf und Flüssigkeiten in der richtigen Menge zum richtigen Ort kommen sollen. Das, was in Findorff hergestellt wird, kommt sowohl in größeren privaten Heizanlagen wie auch bei in Kraftwerken, Bierproduzenten wie Beck's oder Chemiekonzernen wie Bayer zum Einsatz, erklärt Rohde.

Es hakt beim Dreisatz

Merkt man im Betrieb, dass vielen Jugendlichen Grundlagen fehlen, die sie eigentlich in der Schule auf jeden Fall gelernt haben sollten? "Man merkt, dass es zum Beispiel oft schon beim Dreisatz hakt", sagt Rohde. Dreisatz, das kann zum Beispiel bedeuten: Um 90 Teile herzustellen, müssen zwei Maschinen acht Stunden lang eingesetzt werden. Um wie viel Stunden muss die Arbeitszeit erhöht werden, wenn 240 Teile täglich hergestellt werden sollen und zwei Maschinen zusätzlich eingesetzt werden?

In der Werkstatt gehört es aber auch zum Arbeitsalltag, mal eben den Durchmesser eines Rohteils zu berechnen, um herauszufinden, welche Drehzahl man an der Maschine einstellen muss. Dafür aber müssen selbst diejenigen, die vor der Ausbildung Abitur gemacht haben, noch mal nachsehen in ihren alten Schulunterlagen. "Wie ich da die Formeln umstelle oder eine Fläche berechne, das habe ich mir dann schon noch mal angeguckt", sagt der Auszubildende Tom Loeck, der gerade an einer computergesteuerten CNC-Fräse arbeitet, die einprogrammierte Bauteile automatisiert in Serie herstellen kann. Der 22-Jährige ist schon im zweiten Lehrjahr als angehender Zerspanungsmechaniker.

Die Firma Gestra überlässt es nicht allein den Schulen und dem Geschick der Jugendlichen, ob die Azubis in der Berufsschule mitkommen und dort gute Noten erzielen. Für zwei Flüchtlinge, die derzeit hier eine Ausbildung machen – einer der beiden ist Abdou Karim Diallo – hat das Unternehmen extra Nachhilfe organisiert. Einmal pro Woche kommt für eine Stunde ein Nachhilfelehrer in die Firma und geht mit den beiden Azubis noch einmal Fragen zu den Themen durch, die gerade in der Berufsschule behandelt werden. Die Kosten dafür übernimmt die Gestra, sagt Rohde: "Mit ein bisschen Unterstützung geht das prima, die beiden sind richtig gut, nur beim Leseverständnis kann es schon mal etwas schwieriger werden." Er wünscht sich aber, dass die Berufsschulen für Jugendliche, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, mehr Extra-Hilfe anbieten. "Wenn man da an der Schule eine Stunde pro Woche extra anbieten würde, allein um zum Beispiel Fachbegriffe aus der Metalltechnik noch mal durchzugehen, das würde viel bringen", glaubt er.

Lesen Sie auch

Unterstützung während der Lehrzeit gibt es bei Gestra aber nicht nur durch Nachhilfeunterricht: Azubis helfen Azubis, ältere Jugendliche unterstützen die Jüngeren als Mentoren, sagt Rohde. "Hier gibt es immer einen, der schon im zweiten oder dritten Lehrjahr ist und den man ansprechen kann."

Wie stark Firmen heute zum Teil auf Schulen zugehen, um passenden Nachwuchs zu finden, zeigt sich bei der Firma Gestra: Sie kooperiert mit der Oberschule an der Koblenzer Straße in Tenever und fährt auch schon mal mit einem Info-Truck an die Schulen, um dort auf die Ausbildung bei der Firma aufmerksam zu machen. Im Rahmen einer Projektwoche gehen zudem Auszubildende der Gestra vier Tage lang in die Werkstatt der Schule und arbeiten dort mit Schülern zusammen. Danach kommen die Schüler am fünften Tag in die Ausbildungswerkstatt der Firma und können einen Eindruck von der Arbeit vor Ort gewinnen.

Acht Bewerber auf drei Plätze

Der Fachkräftemangel ist auch hier spürbar: "Es gehen schon noch Bewerbungen ein, aber es kommt nicht mehr die große Masse", sagt Personalentwickler Carsten Schlegel. Auf drei Ausbildungsplätze kamen zuletzt acht Bewerbungen, erzählt er.

Für die, die sich bewerben, organisiert die Firma ein Assessment-Center. "Die Noten sind nicht alles, wir analysieren auch die Bewerbungsschreiben", sagt Schlegel. "Ganz wichtig ist aber auch das, was wir beim Assessment-Center mitbekommen: Präsentationstechniken, technisches Geschick, Teamfähigkeit." Er ist überzeugt, dass alle Jugendlichen ihre Kompetenzen haben, die irgendwo schlummern – und nicht alles wird im Zeugnis sichtbar.

Im nächsten Teil der Serie begleiten wir eine Bremer Schülerin.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)