Ordnung ist das halbe Leben, sagt man. Bei Kevin Rerrer kommt das tatsächlich hin, wenn man davon ausgeht, dass Arbeit die Hälfte unseres Daseins bestimmt, und deshalb steht er jetzt neben Oberkommissar Jürgen Schneider und Hauptkommissarin Ines Roddewig auf dem Marktplatz und guckt ein bisschen kritisch in Richtung Böttcherstraße. Kurz vor dem Bogen mit dem Lichtbringer hat sich ein Akkordeonspieler niedergelassen und legt los. Darf der das?
Ja, darf er, wenn er ohne Verstärker musiziert und nach einer halben Stunde seinen Platz wechselt, erklären die Beamten Rerrer. Rerrer ist einer von erst einmal 22 Mitarbeitern des neuen Ordnungsdienstes. Offiziell startet der neue Service für die Bremer am 1. Juni. Auf den Straßen sichtbar sein wird er allerdings erst ab Oktober.
Das liegt daran, dass Außendienstler wie Rerrer oder seine Kollegin Katherina Müller, die als Einsatzleitung arbeiten wird, noch drei Monate lang unter anderem an der Hochschule für öffentliche Verwaltung ausgebildet werden. In den Sommerferien hospitieren die neuen Kräfte zum Beispiel bei der Polizei oder der Verkehrsüberwachung.
Müll und Hunde, dazu noch Einschränkungen auf Gehwegen sind laut Uwe Papencord, Leiter der Abteilung Ordnungsdienste im Ordnungsamt, die häufigsten Konfliktthemen, mit denen sich Rerrer und die anderen auseinandersetzen werden. Papencord: „Es gibt dazu natürlich noch unterschiedliche Themen in den Stadtbereichen, im Viertel zum Beispiel die Außengastronomie und die Partyzone am Osterdeich.“
Dazu wird der Ordnungsdienst auch bei großen Veranstaltungen wie dem Frei- oder Weihnachtsmarkt präsent sein. Rerrer freut sich drauf. Der 27-Jährige ist gelernter Bankkaufmann, war aber nicht glücklich in diesem Beruf. „Ich habe mich schon immer für Themen rund um Sicherheit und Recht interessiert“, sagt er. „Und in meiner Ausbildung habe ich gemerkt, dass sieben Stunden im Büro sitzen nichts für mich ist.“
Dann lieber unterwegs sein, auch wenn Wind und Wetter nicht so angenehm sind wie bei diesem Probespaziergang. „Regenjacke und Schutzhose sind bestellt. Ich hatte jetzt gerade die Anprobe für die Uniform“, sagt Rerrer, mit seinen knapp zwei Metern wird‘s wohl eher die XL-Variante. Warum er sich ausgerechnet für den Job beim Ordnungsdienst beworben hat? „Ich finde es spannend, dass hier etwas Neues aufgebaut wird. Ich freue mich darauf, Ansprechpartner für die Bürger zu sein.“
Unterscheidung zwischen Polizei und Ordnungsdienst
Ein offenes Ohr zu haben für Probleme aller Art, ist eine der Aufgaben des Ordnungsdienstes. Darüber freut sich besonders die Polizei. Hauptkommissarin Ines Roddewig sagt: „Wir hoffen, dass unsere Kontaktbeamten entlastet werden und sich wieder besser um ihre eigentlichen polizeilichen Aufgaben kümmern können. Jeder bei uns ist froh und dankbar, dass in diesem Bereich etwas passiert.“
Im Moment nutzten viele Bremer die Nummer 110 häufig auch für Angelegenheiten, die vielleicht schlimm, aber eben keinen Notruf wert seien. Grundsätzlich soll die Unterscheidung zwischen Polizei und Ordnungsdienst lauten: Ist es keine Straftat, kümmert sich erst mal der Ordnungsdienst, anderenfalls die Polizei. Finanziell ausgestattet wird er pro Jahr mit 1,35 Millionen Euro für Personal und rund 225.000 Euro für Sachkosten.

Schneider räumt den reservierten Bettler-Platz. Betteln ist erlaubt, wenn es nicht aggressiv ist.
Mitten auf der Sögestraße liegt eine Wolldecke, darauf ein paar Klamotten und ein Rucksack – vom Besitzer keine Spur. Oberkommissar Schneider ärgert sich: „Das geht so nicht. Ich räum‘ das Zeug da jetzt weg.“ Was bei Urlaubern am Pool mit ihren Handtüchern als unhöflich gilt, gilt auch hier. Schneider legt die Klamotten in eine Ecke. Beim Gang durch die Sögestraße entdeckt er die Besitzerin doch noch und informiert sie freundlich.
Die Ordnungsdienst-Azubis Rerrer und Müller, deren Aufgabe so ein reservierter Bettler-Platz künftig wäre, lernen: Es kommt immer auch auf den Ton an. Auch, wenn sie zum Beispiel Bußgeldverfahren einleiten, Platzverweise aussprechen, Verwarnungsgelder kassieren dürfen und mit Schlagstock, Handfesseln und Reizspray zur Selbstverteidigung ausgestattet werden: Die Mitarbeiter des Ordnungsdienstes sollen nicht wie Sheriffs auftreten oder wie Geldeintreiber.
Natürlich werden sie aber auch keine zuckersüßen Lämmchen sein, denn das Ziel ist ja, Bremen sicherer und sauberer zu machen. Papencord: „Die Mitarbeiter müssen auch lernen: Wie wirkt mein eigenes Verhalten? Es geht um Achtsamkeit. Unser Ansatz ist ein dreistufiges Verfahren. Erst wird eine Verwarnung ausgesprochen, die ,Gelbe Karte‘.“ Wird dann zum Beispiel ein schon verwarnter Kippenwegwerfer, Bistrostühle-auf-den-Gehweg-Steller oder Hunde-Anleingegner wieder erwischt, muss er eine Strafe zahlen. Weigert er sich, setzt der Ordnungsdienst das Bußgeldverfahren in Gang.

Gedränge in der Sögestraße: Es kann daran liegen, dass die Außengastronomie der verschiedenen Cafés zu eng aneinander steht. Das würde der Ordnungsdienst kontrollieren.
Weiter auf dem Rundgang durch Bremens gute Stube, die Polizisten machen Rerrer und Einsatzleiterin Müller auf alle möglichen Themen aufmerksam. Stehen Marktstände oder Rhododendronkübel wirklich so wie abgesprochen? Radeln Radfahrer, wo sie absteigen müssten? Aufmerksamkeit erregt die kleine Gruppe auf jeden Fall, Bremer und Bremerinnen erkundigen sich, was es mit ihr auf sich hat. „Ich wünsche mir, dass sie uns als Hilfe sehen“, sagt Rerrer. Einsatzleiterin Müller stellt ein mögliches Missverständnis klar: „Wir werden nicht selbst aufräumen. Wir geben den Bremern den Besen in die Hand, indem wir Erziehungsarbeit leisten.“