Die unter dem Meereis der Arktis wachsende Alge Melosira arctica reichert sehr stark Mikroplastik an und enthält zehnmal so viele Partikel wie das umgebende Meerwasser. Dies stelle eine Gefahr für Lebewesen dar, die sich von den Algen ernähren, berichtet ein Forschungsteam unter Leitung des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in der Fachzeitschrift "Environmental Science and Technology". Die Wissenschaftler hatten auf einer Expedition mit dem Forschungsschiff Polarstern im Sommer 2021 von Eisschollen aus Proben der Alge und dem Umgebungswasser genommen.
"Die fädigen Algen haben eine schleimig-klebrige Textur, sodass sie möglicherweise Mikroplastik aus atmosphärischen Niederschlägen, dem Meerwasser selbst, dem umgebenden Eis und jeder anderen Quelle, der sie begegnen, einsammeln. Einmal im Algenschleim gefangen fahren sie wie in einen Aufzug zum Meeresboden, oder werden von Meerestieren gefressen", erklärte Deonie Allen von der University of Canterbury und der Birmingham University, die zum Team gehört, laut einer AWI-Mitteilung.
Die Melosira-Alge wachse in den Frühlings- und Sommermonaten rasant schnell unter dem Meereis und bilde dort meterlange Zellketten. Sterben die mit Mikroplastik belasteten Algen ab und schmilzt das Eis, an dessen Unterseite sie haften, verkleben sie zu Klumpen. Diese können schnell bis auf den Grund der arktischen Tiefsee sinken, heißt es.
Meerestiere fressen mit Mikroplastik belastete Algen
Da die Eisalgen eine wichtige Nahrungsquelle für viele Tiefseebewohner darstellen, könnte das Mikroplastik so in das dortige Nahrungsnetz gelangen. Aber auch an der Meeresoberfläche bildet es eine wichtige Nahrungsquelle. Auf diesem Weg kann das Mikroplastik auch hier in die Nahrungskette gelangen, wenn das Zooplankton von Fischen wie Polardorsch und diese von Seevögeln, Robben und diese wiederum von Eisbären gefressen werden, berichtet das AWI.

Aufsicht auf eine Eisscholle in deren Inneren sich die Alge Melosira arctica eingenistet hat.
„Gerade die Menschen in der Arktis sind für ihre Proteinversorgung besonders auf das marine Nahrungsnetz angewiesen, beispielsweise durch die Jagd oder Fischerei. Das heißt, dass sie auch dem darin enthaltenen Mikroplastik und Chemikalien ausgesetzt sind. Mikroplastik wurde bereits in menschlichen Darm, Blut, Venen, Lungen, Plazenta und Brustmilch nachgewiesen und kann Entzündungsreaktionen hervorrufen, doch die Folgen sind insgesamt noch kaum erforscht“, berichtet Melanie Bergmann.
Außerdem ist das arktische Ökosystem durch die tiefgehenden Umwälzungen der Umwelt durch die Erderhitzung ohnehin schon bedroht. So hat sich der Eisverlust in Grönland und der Antarktis seut den 1990er-Jahren verfünffacht. Nach Angaben der europäischen Raumfahrtbehörde Esa gingen dort in den vergangenen drei Jahrzehnten etwa 7560 Milliarden Tonnen Eis verloren. Sind die Organismen nun noch zusätzlich Mikroplastik und den enthaltenen Chemikalien ausgesetzt, kann es sie weiter schwächen. Melanie Bergmann macht sich deshalb dafür stark, dass die Plastikproduktion verringert wird. In einem Gespräch mit dem WESER-KURIER hatte die Forscherin erst kürzlich über die Folgen des Plastikmülls in der Arktis gesprochen und auch erklärt, dass ein Großteil des Mülls aus Deutschland stamme.