Moritz Döbler, Chefredakteur des WESER-KURIER, hat in dieser Zeitung kurz vor Jahresschluss in einem Essay dargestellt, wie die Demokratie als Staats-und Lebensprinzip an ihre Grenzen gerät, unter anderem weil Autokraten und Populisten ihre grundlegenden freiheitlichen Werte diffamieren. Aber auch unser eigener Umgang mit Demokratie macht besorgt. Der oberste Verfassungsrichter, Andreas Voßkuhle, stellte zum Beispiel schon 2012 die provokante Frage, ob sich die Demokratie nicht überlebt habe wie ein abgetragener Mantel. Die Frage ist also, ob und wie sich Demokratie entwickelt und ob Bürgerinnen und Bürger der Überzeugung sind, dass sie „Demokratie als Lebensmittel“ brauchen. Hier soll die Rede davon sein, was Bremen dazu beitragen kann.
Erstens, Demokratie ist immer unfertig. Demokratie gibt’s auch nicht umsonst. Da ist es wie mit der sauberen Luft. Wir alle müssen etwas dafür tun, sonst stinkt's. Demokratie braucht den dauerhaften nachhaltigen Diskurs. Den muss jemand dirigieren. Denn das Orchester der Demokratie-Instrumente ist groß. Die Bremische Bürgerschaft, das Herz der Bremer Demokratie (so jüngst Christian Weber), muss die Stabführung übernehmen, zum Beispiel in einem Ausschuss für Demokratiepolitik. Dort ist unter anderem zu klären, welche Demokratie wir haben (Demokratiebilanz), welche wir haben wollen und wie es dazu kommen kann.
Zweitens: Demokratische Bildung muss in allen gesellschaftlichen Bereichen eine größere Bedeutung und Förderung erfahren, besonders in Wohngebieten mit geringer Bildungsbeteiligung. Dabei kommt es darauf an, dass Menschen, kleine wie große, vielfältig erfahren, dass man etwas ändern kann, wenn man sich engagiert. Selbstwirksamkeit ist die Devise!
Bürgerschaftliches Engagement muss stärker gefördert und honoriert werden
Drittens ist bürgerschaftliches Engagement ein wesentlicher Bestandteil von Demokratie. Deshalb muss es stärker gefördert und honoriert werden, etwa in den so genannten Kopfnoten der Schulzeugnisse.
Bürgerbeteiligung muss, viertens, zu einer tragenden Säule werden, etwa der planenden Verwaltung. Das Vertrauen und der Glaube an die Legitimität von Entscheidungen wird durch Bürgerbeteiligung größer. Dazu hat der Senat kürzlich Leitlinien beschlossen. Die Verwaltung muss, anders als bisher, zeigen, dass Bürgerinnen und Bürger wirklich erwünscht sind.

Hans-Christoph Hoppensack
Schließlich, fünftens, können Stadtteilbeiräte mehr, auch mehr für die Demokratie tun. Die Bürgerschaft soll Rahmen vorgeben, wie bei den WIN-Projekten, die Ausfüllung kann vielfach besser vor Ort geschehen. Das ist Selbstwirksamkeit.
Unser Gastautor
war von 1979 bis 2000 Sozialstaatsrat in Bremen. Der Sozialdemokrat ist Mitbegründer der Bürgerstiftung. Er engagiert sich auch für das „Netzwerk Bürgerbeteiligung“.