Die heißen Temperaturen im August brachten an der Sielwallkreuzung ganz offensichtlich auch das Machogehabe zum Überkochen. Frisierte Imponierschlitten, die bis spät in die Nacht mit Hochgeschwindigkeit über den Sielwall heizen und dabei ein Verkehrschaos verursachen: Diesem verkehrswidrigen und gefährlichen Fehlverhalten der Autoposer hat der Mobilitätsausschuss des Beirates Östliche Vorstadt mit einem einstimmigen Beschluss nun die Rote Karte gezeigt. Die Mitglieder gehen fest davon aus, dass ihre Kollegen vom Mobilitätsausschuss des Beirates Mitte in ihrer Sitzung am Montagabend eine ähnliche, dringende Empfehlung geben werden, den Sielwall in der Zeit von 20 Uhr bis 5 Uhr die ganze Woche über für den Autoverkehr zu sperren. Ausdrücklich davon ausgenommen sind Taxen, öffentlicher Nahverkehr sowie Radfahrer.
Verkehrsressort warnt vor Corona
Liegt nun also der Ball im Feld der grünen Verkehrssenatorin Maike Schaefer, den Beiratsbeschluss umzusetzen? Ganz so einfach sei der Fall nicht, stellt ihr Sprecher Jens Tittmann klar. Das Verkehrsressort habe bereits Pläne für eine Sperrung des Sielwalls in der Schublade liegen gehabt. Die seien wegen der Corona-Gefahr ausgesetzt worden, da auch bei der Behörde mit einer daraus resultierenden Ausweitung des Party-Hotspots gerechnet werden würde. Zudem bedürfe es der Abstimmung mit anderen Ressorts, vor allem mit Polizei und Feuerwehr. Schließlich sei der Sielwall eine der Hauptverkehrsachsen, auf denen gewährleistet werden müsse, dass sowohl Feuerwehr als auch Rettungsfahrzeuge passieren könnten. Und das sei an einem Party-Hotspot nur schwer vorstellbar. Der Vorstand des grünen Kreisverbandes Mitte/Östliche Vorstadt lässt trotzdem wissen, dass er die zeitweise Sperrung des Sielwalls für den Autoverkehr ausdrücklich begrüßt. Die Dringlichkeit unterstrichen auch Sona Terlohr und Jens Schabacher, die für die Grünen im Beirat Östliche Vorstadt sitzen. Der stellt das Posing-Problem an der Sielwallkreuzung allerdings in einen größeren Zusammenhang. Er forderte, dass das sattsam bekannte Problem auch auf landespolitischer Ebene angegangen wird. Illegale Rennstrecken gebe es in der Stadt mehrere, wie in der Martinistraße, in Walle oder Gröpelingen. Die Soko Autoposer hatte während des Shutdowns sogar ihre Arbeit vorübergehend eingestellt. Die Folge: Besonders die Martinistraße mutierte zur illegalen Rennstrecke.
Außerdem forderte Schabacher eine Entzerrung der Partyszene am Sielwall-Eck, gerade wegen der Corona-Gefahr: „Das Steintor ist einfach zu klein für so viele Leute“. Aus seiner Sicht wäre es erforderlich, dass auch hier der Senat ordnend eingreife. Mit solchen Forderungen ist er bei Weitem nicht allein. Für die genervte Anwohnerschaft im Ostertor und Steintor sei das Maß schon längst voll, betonte Karin Steiger, die für die Anwohnerinitiative Leben im Viertel (LIV) im Beirat Östliche Vorstadt sitzt. Sie stimmt zwar grundsätzlich der Einschätzung der SPD-Stadtteil-Politikerin Anke Koslowski zu, dass Bremen dringend auf junge Leute angewiesen sei, die eben auch feiern wollten. Aus Steigers Sicht muss aber Schluss damit sein, dass der Sielwall von auswärtigen Feierwütigen geflutet wird. Beide befürchten gemeinsam mit Jürgen Schultz (FDP), dass die Sperrung des Sielwalls noch zu einer Ausweitung des Party-Hotspots führen könnte. Ähnlich sieht das Michael Jonitz, Vorsitzender der CDU Mitte/Östliche Vorstadt, der betont, dass es sich bei der Sperrung nur um einen Versuch handele.
Im Vorfeld der Mobilitätssitzung des Beirates Mitte positionierten sich auch bereits Jens Oldenburg, Kreisvorsitzender der FDP Bremen Mitte-West und Peter Bollhagen, Mitglied des Beirates Mitte. „Um das Viertel am Leben zu halten, braucht es einen vitalen Verkehrsmix aus Pkw, ÖPNV, Radverkehr und Fußgängern. Einzelne Verkehrsträger stärker einzuschränken hat negative Auswirkungen auf den Nutzungsmix im Viertel und wird daher von der FDP abgelehnt“, so Bollhagen. Oldenburg bemängelt, dass ein Durchfahrtsverbot alle Autofahrer und nicht nur die Poser träfe. Diese Problematik ist den Mitgliedern des Mobilitätsausschusses durchaus bewusst. Sowohl FDP und CDU fordern verstärkte Polizei-Kontrollen und empfindliche Geldstrafen. Das betonte auch Peter Kadach. Im Namen der CDU hob er ferner hervor, dass eine vorübergehende, versuchsweise Sperrung der Sielwallkreuzung nicht der Auftakt für die Durchsetzung eines autofreien Viertels und Steintors sein dürfe. Es könne doch wohl nicht angehen, dass die Autofahrer, die sich brav an die Regeln hielten, gleich mitvergattert würden. Er plädierte dafür, die Wirksamkeit der Maßnahme und die Auswirkungen auf die Nebenstraßen nach sechs Wochen zu evaluieren.
Karin Steiger von Leben im Viertel bezweifelt hingegen, ob die verstärkte Polizei-Präsenz am Sielwall überhaupt etwas bringt. Zuweilen seien bis zu acht Polizeiwagen vor Ort. „Aber die Polizei greift nicht ein“, moniert sie. Offenbar würde eine Eskalation der Gewalt befürchtet, zu der es zuletzt in Frankfurt bei Corona-Kontrollen in der Party-Szene gekommen war. „Da wird ohne Abstand gefeiert, als gebe es kein Corona, besonders an den Wochenenden“, kritisiert sie.
Die Grünen entgegneten dem: Aktuell zwinge der starke Autoverkehr die Fußgänger rund um die Sielwallkreuzung auf die engen Gehsteige.
Verkehrsausschuss Mitte
Auch der Verkehrsausschuss des Beirates Mitte befasst sich mit dem Thema der Poser und Raser am Sielwall. Der Ausschuss tagt an diesem Montag, 31. August, um 19 Uhr online. Bürgerinnen und Bürger, die an der Sitzung teilnehmen möchten, finden den Link auf der Internetseite des Ortsamtes. Weitere Themen der Sitzung werden unter anderem Sanierungen in den Wallanlagen sowie zwei Bürgeranträge sein.