Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren ist ein Abschiebeflug von Deutschland nach Afghanistan gestartet. Das teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Im August 2021 hatten die militant-islamistischen Taliban wieder die Macht in dem Land übernommen.
Nach Angaben Hebestreits handelte es sich um afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen. Alle Abgeschobenen seien Männer, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur. Unter ihnen sind auch fünf schwere Straftäter aus Niedersachsen. Das teilte das Innenministerium in Hannover mit.
Die Bundesregierung habe in den vergangenen Monaten große Anstrengungen unternommen, um die Wiederaufnahme von Rückführungen in solchen Fällen zu erreichen und habe die hierfür zuständigen Länder zu diesem Zweck unterstützt. Das sächsische Innenministerium teilte mit, die Maschine sei am Freitagmorgen vom Flughafen Leipzig/Halle abgehoben. Zuvor hatte der „Spiegel“ berichtet. In der Boeing 787 sitzen demnach 28 afghanische Straftäter, die aus verschiedenen Bundesländern nach Leipzig gebracht worden sind.
„Angesichts der bekanntermaßen schwierigen Rahmenbedingungen hat Deutschland regionale Schlüsselpartner um Unterstützung gebeten, um die Rückführung zu ermöglichen. Für diese Unterstützung ist die Bundesregierung sehr dankbar“, teilte Hebestreit mit. Die Bundesregierung halte daran fest, solche Rückführungen durchzuführen. Das Sicherheitsinteresse Deutschlands überwiege klar das Schutzinteresse von Straftätern und Gefährdern.
Unter den Abgeschobenen sollen auch Gefährder sein, also Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwerste politisch motivierte Straftaten bis hin zum Anschlag zutrauen. Es ist denkbar, dass manche der abgeschobenen Straftäter zugleich als Gefährder gelten.
Scholz: Klares Zeichen an alle Straftäter
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete den Abschiebeflug nach Afghanistan als Zeichen an alle Straftäter. „Es ist ein klares Zeichen: Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen, sondern wir werden versuchen, das zu tun, wie man in diesem Fall sieht“, sagte der SPD-Politiker bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig.
„Wir haben angekündigt, dass wir auch Straftäter nach Afghanistan wieder abschieben werden. Das haben wir sorgfältig vorbereitet, ohne groß darüber zu reden, weil solches Vorhaben ja nur gelingt, wenn man sich da Mühe gibt, wenn man es sorgfältig und sehr diskret macht. Heute ist das erfolgt“, sagte der Bundeskanzler.
Insbesondere die Grünen und auch ihre Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich bislang skeptisch gezeigt bei Abschiebungen nach Afghanistan und davor gewarnt, die islamistische Taliban-Regierung indirekt anzuerkennen. Baerbock hatte aber am Dienstag im RBB-Inforadio auch gesagt, bereits jetzt seien Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan vereinzelt machbar. „In Einzelfällen ist das dort möglich“, sagte sie. Es sei angesichts der dort herrschenden Regimes aber „offensichtlich nicht trivial“. Es sei zudem bereits Rechtslage, dass Straftäter und Gefährder keinen Schutzstatus bekämen oder ihn dann verlören und weggesperrt gehörten.
Das Asylrecht sieht Ausschlussgründe für Schutz in Deutschland vor, zum Beispiel Kriegsverbrechen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich in ihrem „Sicherheitspaket“ vorgenommen, diese Liste zu erweitern unter anderem um antisemitischen Straftaten.
Seit August 2021 sind in Afghanistan wieder die islamistischen Taliban an der Macht, die international vor allem wegen ihrer massiven Beschneidung von Frauenrechten in Kritik stehen. Insgesamt ist es seit der erneuten Machtübernahme der Taliban zu einem deutlichen Rückgang der bewaffneten Auseinandersetzungen in dem Land gekommen, auch wenn es nach wie vor zu Anschlägen kommt. Die meisten reklamiert die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich, die mit den Taliban trotz ideologischer Nähe verfeindet ist. Vor allem Angehörige der schiitischen Minderheit in dem Land geraten immer wieder ins Visier des IS. Die Terrormiliz betrachtet Schiiten als Abtrünnige des Islams und verachtet sie.
Kritiker bemängeln unter der Taliban-Herrschaft ein hartes Vorgehen gegen Menschenrechtler, Demonstranten oder Journalisten, denen laut Menschenrechtsorganisationen Verhaftung, Verschwinden oder Folter drohen.
Scholz will auch Abschiebungen nach Syrien ermöglichen
Deutschland unterhält zu den Taliban-Machthabern in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und auch Syrien wieder zu ermöglichen.
Gefährder sind Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwerste politisch motivierte Straftaten bis hin zum Terroranschlag zutrauen. Verurteilte Straftäter sollen nach früheren Angaben vor einer möglichen Abschiebung einen Großteil ihrer Strafe hierzulande abgesessen haben.