Grimassen, Verrenkungen und schrille Töne - so ließe sich Jim Carrey beschreiben, wäre da nicht noch eine andere Facette. Ein Blick hinter seine Fassade zeichnet das Bild eines traurigen Clowns.
Da steht er nun, ein vom Leben völlig überforderter Mann. Inmitten eines sündhaft teuren Appartements, verlassen von Frau und Kind, einzig und allein das Geld im Sinn. In "Mr. Poppers Pinguine" - ab 23. Juni im Kino zu sehen - schlittert Jim Carrey in einen turbulenten Chaostrip, der vom titelgebenden Smokinggetier auf die Spitze getrieben wird. Keine Frage, dass dem Mimen dabei hin und wieder die Gesichtszüge entgleisen - ist das doch schließlich sein Markenzeichen.
Beschäftigt man sich mit Jim Carrey, geschieht dies auch immer unter Einbeziehung seines, gelinde gesagt, in Aktion recht prägnanten Gesichts. Auf den ersten Blick mag es ganz gewöhnlich wirken. Legt der 49-Jährige allerdings los mit seinen Verrenkungen und Grimassen, mit seinen Mund-nach-oben-Augenbrauen-nach-unten-Kunststücken, den Augen-Aufreiß-Spitzmund-Blähbacken-Kombinationen und schließlich seinen Stimmimitationen, spätestens dann ist dieser Mensch nicht mehr gewöhnlich, sondern ein Kunstwerk.
Natürlich kann solch mimisches Talent von Kollegen nicht unkommentiert bleiben. Jack Nicholson etwa, seines Zeichens Meister des teuflischen Grinsens und Angst einflößender Gesichtsakrobatik, betitelte Carrey glatt als Nachfolger seiner selbst - für die nächste Generation, versteht sich. Zudem gilt Carrey als talentiertester Komiker der Gegenwart, längst legt er seine Gage selbst fest - bei "Bruce Allmächtig" (2003, Donnerstag, 7. Juli, 20.15 Uhr, bei SAT.1) etwa waren das schlappe 25 Millionen US-Dollar. Klar, die meisten seiner Werke sind Klamauk - allen voran "Dumm und Dümmer" (1994) oder "Ace Ventura - Ein tierischer Detektiv" (1994). Doch gerade Letzterer half ihm, die Angst vor Kritikern komplett abzulegen, wie Carrey erst kürzlich in der amerikanischen Talksendung "Night Show With Jay Leno" offenbarte. Ganz schön selbstbewusst. Und das musste Carrey auch sein, um sich vom Grimassenschneider zum Charakterdarsteller mit Komödienfaible wandeln zu dürfen.
Vor allem seine Darbietung in Milos Formans "Der Mondmann" (1999) unterstrich die überraschend ernste Seite Carreys, die er ein Jahr zuvor bereits in Peter Weirs Mediensatire "Die Truman Show" andeutete. Von Publikum und Kritikern für die Verkörperung des US-Komikers Andy Kaufman gelobt, war er plötzlich mehr als nur der Gaggarant.
Es lohnt also, nach tiefgründigeren Zügen des in Kanada geborenen, aber mittlerweile auch mit der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft versehenen Darstellers zu suchen. Fündig wird man allemal, denn Carrey kann durchaus reflektieren, will sich selbst treu bleiben. Viel denkt er über das Leben im Allgemeinen und das Seine im Speziellen nach. Seine Lebensphilosophie sei, "im Moment zu leben", sagte er einst im US-Nachrichtenmagazin "60 Minutes". "Wenn man nicht im Hier und Jetzt ist, blickt man entweder in eine ungewisse Zukunft oder trauert einer schmerzvollen Vergangenheit hinterher." Entgegen seinem Motto grübelt Carrey leider manchmal zu viel, was ihm Anfang der 2000-er in eine Depression stürzte, die auch heute noch nicht ganz auskuriert ist.
Es passt zum Bild des traurigen Clowns, dass der bekennende Vegetarier sein komisches Talent ausgerechnet am Krankenbett seiner Mutter entdeckte. "Ich wollte, dass es ihr besser geht, sie lag im Bett und war voll mit Schmerzmitteln. Ich ging zu ihr und tat alles Mögliche, ich kletterte die Wände hoch und ließ mich die Treppen runterpurzeln, nur damit es ihr besser geht", beschreibt Jim Carrey seine Pflicht als Sohn auf seiner kreativ gestalteten Homepage, die einer bunten Traumwelt gleicht. So wie seine abstrakten Gemälde, die er während der Dreharbeiten zu "Mr. Poppers Pinguine" anfertigte. Eingemietet in ein Atelier des Malers und Regisseurs Julian Schnabel ("Miral") griff Carrey nach Drehschluss regelmäßig zum Pinsel.
Womöglich ist Kunst - die darstellerische wie die gestaltende - für Carrey das Mittel, das ihm hilft, düstere Gedanken in Zaum zu halten. Macht ihn das zu einem notorischen Realitätsflüchtling? Falls ja, dann zu einem ausgesprochen liebenswerten. Einem, dem es in seinen Filmrollen - man denke an die Tragikomödie "Vergiss Mein Nicht!" (2004) und die ironische Liebesgeschichte "I Love You Philip Morris" (2009) -, ebenso wie auch im echten Leben gelingt, seine strahlenden Beißerchen zusammenzudrücken. Und eben nur ein bisschen aus der Wirklichkeit zu fliehen, nur für einen kurzen Moment. Wenn's sein muss, mit Grimassen.