„Wo kommen Sie her?“ Auf den ersten Blick ist das eine harmlose Frage, ein Ausdruck von Interesse. Für viele schwarze Menschen steht sie aus dem Mund von Weißen kommend jedoch für etwas anderes – erst recht, wenn sie mit Nachdruck gestellt wird: Du gehörst nicht dazu, auch wenn du hier geboren wurdest. Dementsprechend groß war der Aufschrei, als die Aktivistin Ngozi Fulani von einem entsprechenden Erlebnis im Buckingham-Palast berichtete. Der Skandal prägte am Donnerstag die Titelseiten der Zeitungen im Land. Der „Daily Mirror“ sprach von einer „Schande“. Die „Daily Mail“ von einer „königlichen Katastrophe“.
Was war passiert? Fulani war am Dienstag als Gast bei einem Empfang von Queen Camilla eingeladen. Eine Mitarbeiterin, sie nannte sie „Lady SH“, sei auf sie zugekommen und habe sie gefragt, aus welchem Teil von Afrika sie stamme. Ein Vorfall, der bei Fulani „gemischte Gefühle“ ausgelöst habe, wie sie auf Twitter schrieb. Sie entgegnete, dass sie in Großbritannien geboren und aufgewachsen sei. Die Mitarbeiterin habe sich mit dieser und weiteren Antworten jedoch nicht zufriedengeben wollen und immer wieder nachgehakt. Die Aktivistin zitierte das Mitglied des Hofstaates aus dem Gedächtnis mit dem Satz: „Ach, ich verstehe. Ich werde es schwer haben, herauszufinden, woher Sie kommen.“
Später wurde bekannt, dass es sich bei „Lady SH” um die 83-jährige Lady Susan Hussey handelt. Sie ist die Taufpatin von Prinz William und war eine enge Begleiterin von Königin Elizabeth II. Fulani habe zunächst viele Gründe für das Verhalten von Hussey an dem besagten Tag in Erwägung gezogen: den Kontext, die Tatsache, dass die Mitarbeiterin eine ältere Frau war. Am Donnerstag fand die Gründerin der Organisation Sistah Space, die sich gegen Gewalt gegen Frauen einsetzt, jedoch klare Worte: „Hier geht es nicht um ihr Alter oder einzelne Personen”, sagte sie. „Das ist, was es ist. Das nennen wir Rassismus.”
Hofdame tritt zurück
Der Palast kritisierte in einer raschen Stellungnahme die „inakzeptablen und sehr bedauerlichen Kommentare“. Die Hofdame sei zurückgetreten und man habe sich mit Fulani in Verbindung gesetzt, um mit ihr persönlich zu sprechen. Die Aktivistin bestritt dies: „Ich habe von niemandem etwas gehört.“ William, der derzeit mit seiner Frau Kate in den USA unterwegs ist, ließ verlauten, dass Rassismus keinen Platz in der Gesellschaft habe. Das Paar wurde bei einem Basketballspiel in Boston mit Buhrufen begrüßt. Ob dies mit den Vorfällen zusammenhängt, ist allerdings unklar.
Die Schlagzeilen erinnern an die Rassismusvorwürfe gegen das Königshaus, die schon Herzogin Meghan im März 2021 vorgebracht hatte – im Rahmen des Skandal-Interviews mit der US-Talkshow-Ikone Oprah Winfrey. Die Ehefrau von Prinz Harry berichtete damals, dass in den Kreisen der Royals die Sorge darüber geäußert worden sei, wie dunkel die Haut ihres Sohnes womöglich wird. Queen Elizabeth II. reagierte auf die Anschuldigungen damals zurückhaltend. In einer öffentlichen Erklärung verkündete sie, dass man die Angelegenheit innerhalb der Familie kläre.
Jetzt sieht sich König Charles III. selbst nach nur wenigen Wochen auf dem Thron mit dem ersten großen Skandal dieser Art konfrontiert. Er wollte das Königshaus reformieren, frischen Wind durch den Buckingham-Palast ziehen lassen. Davon sei man aber weit entfernt, wie eine Journalistin der Tageszeitung „The Independent" betonte: Der Palast murmle „hohle Entschuldigungen”, statt etwas zu ändern.