Ende September hat die Bremer Polizei die Sonderkommission „Junge Räuber“ gegründet. Sie kann erste Erfolge vorweisen: Seit Start der Soko wurden 16 Haftbefehle gegen dringend tatverdächtige junge Männer erlassen, teilte die Polizei am Mittwoch mit. 13 der Haftbefehle konnten vollstreckt werden, die Männer sitzen in Untersuchungshaft. Die anderen drei sind geflüchtet und halten sich nach Erkenntnissen der Polizei inzwischen nicht mehr in Deutschland, sondern in Spanien auf.
Auslöser für die Bildung der Sonderkommission und den damit verbundenen Schwerpunktmaßnahmen gegen Straßenkriminalität war die in jüngster Zeit sprunghaft angestiegene Zahl von Raubüberfällen. Bis Ende September hatte die Polizei 172 Fälle registriert, die meisten davon in Bremen-Mitte und im Viertel. Im gesamten Jahr 2022 waren es 167, das Jahr davor 119.
Ein Drittel der Taten aufgeklärt
Etwa ein Drittel der Taten aus diesem Jahr konnte laut Polizei aufgeklärt werden. Weit über die Hälfte der Täter beziehungsweise Tatverdächtigen waren Kinder, Jugendliche und Heranwachsende – deshalb die Soko „Junge Räuber“. Die Sonderkommission setzt sich aus erfahrenen Kriminalbeamten, zivilen und uniformierten Einsatzkräften zusammen, erläutert Polizeisprecher Nils Matthiesen. Die Gruppe bestehe aus durchschnittlich 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, könne anlassbezogen aber bis auf 40 Kräfte anwachsen.
Die erlassenen Haftbefehle stünden im Zusammenhang mit verschiedenen Eigentums- und Raubdelikten, die sich in der Stadt ereignet haben, sagt Matthiesen. „Bei den dringend Tatverdächtigen handelt es sich überwiegend um Personen aus Marokko und Algerien.“ Zwei der Tatverdächtigen seien jünger als 18.
Zufrieden mit dieser ersten Zwischenbilanz zeigt sich Innensenator Ulrich Mäurer (SPD): „Die bisherigen Festnahmen tragen dazu bei, potenzielle Täterkreise zu zerschlagen und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken.“ Zugleich erhoffe man sich von den Festnahmen aber auch Erkenntnisse über die Absatzwege der Beute und mögliche Hintermänner, ergänzt Matthiesen.
Gewaltbereitschaft nimmt zu
Schon vor der Bildung der Sonderkommission hatte die Polizei in diesem Jahr eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um gegen die Straßenkriminalität vorzugehen, betont der Polizeisprecher. So etwa die verstärkte Präsenz der Polizei auf öffentlichen Plätzen und Kriminalitätsbrennpunkten. Die hohen Fallzahlen hätten dazu geführt, eine Soko ins Leben zu rufen. Besondere Sorge bereiten der Polizei Veränderungen im Verhalten der Täter. Vorbei seien die Zeiten, in denen es hauptsächlich um Trickdiebe mit der „Antanz“-Masche ging. Die Täter traten zuletzt nicht mehr einzeln, sondern meist in Gruppen von zwei bis sechs Personen auf und setzten zunehmend auch Gewalt ein.
Eine Entwicklung, die bundesweit zu beobachten ist: In Dresden wurde 2022 unter dem Namen „Iuventus“ eine ähnliche Sonderkommission gegründet, wie die „Welt“ berichtet, ebenfalls infolge einer Welle brutaler Raubstraftaten. Auch die Leiterin dieser Einheit, Nadine Schaffrath, spricht von einer deutlich gesunkenen Hemmschwelle zur Gewaltanwendung. Diebstähle und Überfälle habe es immer gegeben, aber längst nicht so brutal wie heute. Die bayerische Landeshauptstadt München, die gemeinhin als besonders sicher gilt, verzeichnete im vergangenen Jahr 703 Raubdelikte – so viele wie seit zehn Jahren nicht.
Holger Münch, Leiter des Bundeskriminalamts und ehemaliger Staatsrat des Inneren in Bremen, benennt laut „Welt“ als wesentliche Faktoren für den Anstieg der Raubtaten Migration, Inflation und die wirtschaftliche Gesamtsituation. Dass Jugendliche die meisten Straftaten pro Kopf begehen, sei nicht neu. Doch sei es dabei bislang um Ladendiebstahl, Beleidigung oder allenfalls leichte Körperverletzung gegangen.
Kritik am Innensenator
Während Innensenator Mäurer und die Polizei ihre Sonderkommission „Junge Räuber“ loben, ernten sie aus Reihen der Opposition Kritik. Die CDU hat Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahme, für die FDP reicht sie nicht aus. Die Liberalen fordern eine „Abschiebe-Offensive“. Das Bündnis Deutschland begrüßt die Einrichtung einer Sonderkommission, weist aber auf personelle Löcher hin, die dadurch an anderer Stelle bei der Polizei gerissen würden.
Grundsätzliche Kritik an dem Kurs, den Mäurer bei diesem Thema eingeschlagen hat, äußert Rechtsanwältin Barbara Kopp. Wegsperren sei keine Lösung, sagt sie. „Ich kann die nordafrikanischen Migranten nicht ins Gefängnis stecken und meinen, dann ist alles gut.“