Die Zeit ist um. Und was hat sie gebracht? Eine Ausstellung in der Kulturwerkstatt Westend mit rund 100 Fotografien von 15 Männern und Frauen, die sich in der Fotoschule von Ilker Maga ein Jahr lang fotografisch-spielerisch mit diesem Thema beschäftigt haben – mit der Zeit.
Es gibt Leute, die sagen: „Zeit? Die existiert nicht.“ Dennoch bringt sie einiges hervor – wie die aktuelle Foto-Ausstellung im Kulturzentrum Westend. Mit einem philosophischen Fundament ausgerüstet, spielte für 14 Männer und Frauen innerhalb eines Jahres die Uhr keine Rolle, vielmehr erarbeiteten sie sich unterschiedliche Perspektiven auf die Zeit und versuchten, diese mit der Kamera einzufangen.
Am Anfang standen die Philosophie, die Musik, die Kunst und alles, was den 14 Hobbyfotografen und ihrem Projektleiter Ilker Maga eine Annäherung an Zeit erlaubte. „Nur wenn man die Menschen und das Thema verstanden hat, kann man gute Fotos machen“, sagt der Leiter der Fotoschule und international bekannte Fotograf. Doch wer sich eine Weile – in diesem Fall etwa drei Monate – intensiv auf etwas vorbereitet habe, der habe ein gutes Fundament für die eigentliche Arbeit gelegt.
Die technischen Apparate sind in der Fotoschule im Westend von nachrangiger Bedeutung. Analog, digital, selbst gebaute Kamera? Egal. Wichtig sei die Idee, etwas Bestimmtes ausdrücken zu wollen, definiert der in Findorff lebende Maga die Anforderung an seine Kursteilnehmer. „Und das mit geeigneten Mitteln.“
Die Werke seiner Fotoschülerinnen und -schüler, die beruflich ganz unterschiedliche Sparten vertreten, geben manchmal Antworten auf verschiedene Fragen zum Thema Zeit. Rainer Berthin lässt den Betrachter zum Beispiel unter anderem wissen, wie viel Zeit ein Augenblick benötigt, um als Augenblick zu existieren: drei Sekunden.
Susanne Irmer interessiert eine größere Zeitspanne, nämlich die des ganzen Lebens. Wie viel Zeit verwenden wir für was? In ihrem Fotoessay dokumentiert die Gröpelingerin diverse Aktivitäten: 24 Jahre sind demnach dem Schlaf gewidmet, dem Toilettengang sechs Monate, dem Küssen zwei Wochen. Und dem Lachen elf Tage. Andere Fotoschüler stellen Zeitdiebe vor oder aber die lähmende Wirkung von unfreiwillig freier Zeit.
Auch wenn er die gezielte Aufmerksamkeit auf seine Person zurückweist: Den Profi unter den Fotografen erkennt der Ausstellungsbesucher an dessen Arbeiten, denn diese benötigen keine wortreiche Erklärung, um eine Botschaft zu vermitteln. Ilker Maga zeigt unter anderem das Verblassen von Erinnerungen und philosophische Fotomontagen mit einer Uhr.
„Die Ausstellung ist wirklich gelungen“, findet Metin Yildirim, der zur Vernissage gekommen ist. Er selbst hat es nicht geschafft, sich an der Ausstellung zu beteiligen, denn der Ingenieur aus Stuhr hat sich erst vor wenigen Monaten der Fotogruppe angeschlossen. „Es werden ganz unterschiedliche Perspektiven gezeigt, das macht es spannend“, fährt er fort.
Alev Sönmez fühlt sich besonders von Rainer Berthins’ Fotografien „Havanna 2013“ angesprochen. Auf den Abzügen auf Metallicpapier des Chirurgen, der in der Überseestadt praktiziert, hat er einen alten Lada entdeckt. „Ich bin in Bulgarien aufgewachsen. Da fuhren ganz viele davon herum“, stellt der Utbremer fest. „Diese Autos sieht man nur in kommunistischen oder ehemals kommunistischen Ländern. Wenn man einen Lada sieht, weiß man gleich, dass man in solch einem Land ist“, amüsiert sich Sönmez. Die Aufnahmen der kubanischen Hauptstadt wecken geradezu nostalgische Gefühle – und doch dokumentiert die Jahreszahl im Titel etwas anderes. Und genau deswegen wählte der in Walle tätige Berthin diese Bilder. „In Havanna“, sagt er, „zerfällt alles. Die Autos sind alt und klapprig, und die Balkone fallen fast von den Häusern.“
Soziale Fragestellung
Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen laden regelmäßig mit einem abendfüllenden Programm zur Vernissage. So gab es außer der gemeinhin üblichen Einführung in die Arbeiten, in diesem Fall durch den Kulturwissenschaftler Wolfgang Schlott, eine kleine, humorvoll-theatralische Einlage von Franz Fendt und Ingo Stoevesandt mit den asiatisch anmutenden Instrumenten Hang und Guzheng sowie japanisch klingendem Gesang. Eim zweiter Höhepunkt des Abends war das Konzert von Betin Günes und Irina Semakova. Gemeinsam mit der hochkarätigen Geigerin präsentierte der Dirigent der Kölner Symphoniker Eigenkompositionen und Bearbeitungen klassischer Werke, unter anderem von Mozart, Tschaikowsky und Grieg.
Kursteilnehmer Metin Yildirim hat der Ausstellungsbesuch dazu motiviert, am nächsten Projekt selbst teilzunehmen. Es beginnt im Januar.. Bewerben könne sich jeder, der Lust auf eine intensive Auseinande
rsetzung mit der Kamera und dem Leben habe, unterstreicht Ilker Maga. Das konkrete Thema sei noch offen, aber inhaltlich werde es um eine soziale Fragestellung gehen.
Anmeldungen für das neue Jahresprojekt der Fotoschule sind per E-Mail an die Adresse ilker_maga@yahoo.de möglich.
Die Ausstellung „Die Zeit“ der Fotoschule im Kulturzentrum Westend, Waller Heerstraße 294, ist bis Dienstag, 7. Januar, zu sehen. Öffnungszeiten: montags bis donnerstags von 10 bis 18 Uhr und freitags von 10 bis 14 Uhr. Eintritt ist frei.