Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Forschung zu Extremwetter Hitze gab es immer – aber anders

Ohne Klimawandel wäre die Hitzewelle ein Jahrhundertereignis gewesen. Künftig muss man davon ausgehen, dass die Sommer davon geprägt sind. Das können Forscher inzwischen belegen. Und warnen vor weiteren Folgen.
13.08.2023, 14:47 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Björn Lohmann
Inhaltsverzeichnis

2022 erlebte Europa zahlreiche Hitzewellen, allein in Deutschland starben 8173 Menschen infolge der Hitze, hat unlängst eine Studie ermittelt. Auch in diesem Jahr reißt das Wetter in Europa und weltweit Hitzerekord um Hitzerekord. Erst vor wenigen Tagen litt die Stadt Dharan in Saudi-Arabien unter 57,8 Grad Celsius – in der Nacht.

Selbst dort, wo es ausreichend Klimaanlagen und Strom gibt, um sie zu betreiben, herrschen zunehmend Bedingungen, unter denen menschliches Überleben kaum noch möglich ist. Was nahe liegt, kann die Forschung inzwischen auch belegen: Schuld daran ist die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung.

CO2-Einfluss wird sichtbar

Noch vor einigen Jahren war es schwierig, einzelne Extremwetterereignisse dem Klimawandel zuzuschreiben. Schließlich hat es immer schon Ausreißer vom üblichen Wetter gegeben; Supersommer existieren nicht erst seit ein paar Jahrzehnten. Die sogenannte Attributionsforschung wertet dazu aus, welche Wetterbedingungen es mit welcher Häufigkeit in der Vergangenheit gegeben hat.

Lesen Sie auch

Daraus lässt sich ableiten, wie wahrscheinlich es wäre, dass eine bestimmte Bedingung in der Zukunft aufträte, wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts verändert hätte. Gleichzeitig lässt sich anhand der Klimamodelle vorhersagen, wie wahrscheinlich ein Ereignis aufgrund der erhöhten Treibhausgaskonzentrationen geworden ist. So lässt sich erkennen, ob ein Ereignis im Rahmen der historischen Erwartungen liegt oder nur durch die Klimaerwärmung plausibel zu erklären ist.

Außerdem unterscheidet die Forschung zwischen interner und externer Variabilität. Das Klimasystem unterliegt immer bestimmten Schwankungen, das nennt man die  interne Variabilität. Ursächlich dafür sind beispielsweise atmosphärische Zirkulationssysteme wie die nordatlantische Oszillation oder auch Wechselwirkungen zwischen Luft und Atmosphäre wie beim Phänomen El Niño, dessen Einfluss gerade wieder zunimmt.

Alle Ereignisse innerhalb dieser Schwankungen sind gewissermaßen Normalität. Dort spielt jedoch die externe Variabilität hinein. Vulkanausbrüche oder Änderungen der Sonnenintensität verändern das natürliche Gleichgewicht – und genau das geschieht auch infolge der Treibhausgasemissionen, die der Mensch verursacht. Dadurch kommt es zu Ausreißern, die mit der internen Variabilität nicht mehr zu erklären sind.

Hitzewellen ohne Klimawandel nicht möglich

"Das Ziel der Attributionsforschung ist, die Wirkung von extern angetriebenen Veränderungen oder einzelnen Faktoren – also zum Beispiel Treibhausgasen – auf eine Klimavariable oder ein bestimmtes Extremereignis vor dem Hintergrund von interner Variabilität im Klimasystem zu quantifizieren", erklärt Sebastian Sippel, Professor für Klimaattribution an der Universität Leipzig. Je besser die Forschung die einzelnen Komponenten der internen Variabilität verstanden hat und quantifizieren kann, desto belastbarer lassen sich die zusätzlichen Einflüsse externer Faktoren bestimmen.

Sippels Kollege, der Meteorologe Karsten Haustein, ergänzt: "Hitzewellen sind mittlerweile sehr leicht dem Klimawandel zuzuordnen, da fast immer ein klares Änderungssignal in den Daten zu finden ist." So kann die Klimaforschung heute klar belegen: Eine Hitzewelle, die ohne Klimawandel ein Jahrhundertereignis gewesen wäre, ist jetzt normaler Sommer. Die Extremereignisse von heute wären ohne Klimawandel unmöglich gewesen. Und Jakob Zscheischler, Klimaforscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, warnt: "Solange die Treibhausgas-Emissionen nicht auf null sind, werden sich Hitzewellen in Zukunft immer weiter verstärken und immer häufiger vorkommen."

Menschlicher Einfluss betrug 2,5 Grad

Die World Weather Attribution, eine Initiative renommierte Klimaforscher und Meteorologen, hat mit den heutigen Methoden die weltweiten Hitzewellen des vergangenen Juli in Europa, Nordamerika und China untersucht. Demnach war die Hitze ein China ein Ereignis, wie es nur einmal in 250 Jahren vorgekommen wäre.

Die Hitzewellen in Südeuropa und den USA hätte es ohne menschengemachten Klimawandel praktisch nicht geben können. Ohne Klimaerwärmung hätte die Spitzentemperatur in Südeuropa 2,5 Grad weniger betragen. Sollte sich die Erde gegenüber der vorindustriellen Zeit um zwei Grad erwärmen, gäbe es derartige Hitzewellen alle zwei bis fünf Jahre. Aktuell liegt die Erwärmung bereits bei 1,3 Grad.

Lesen Sie auch

Im Mittelmeerraum haben infolge des Klimawandels auch Dürren an Häufigkeit und Stärke zugenommen. In Deutschland erwarten die Klimamodelle zwar nicht, dass sich der jährliche Gesamtniederschlag stark ändert. Jedoch führt die Hitze auch hier zu trockeneren Böden, und eine veränderte Verteilung der Niederschläge über das Jahr dürfte auch bei uns mehr Dürren mit sich bringen. Zwar sind die Niederschlagsprognosen der Klimamodelle weniger sicher als die Modellierung der Temperatur. Doch der aktuelle Wissensstand deutet darauf hin, dass Trocken- und Hitzeperioden in Europa künftig sehr häufig gleichzeitig auftreten werden.

Hitze und Waldbrände

Hitze allein verursacht keinen Waldbrand. Allerdings brennt ein trockener Wald leichter und das Feuer kann sich schneller ausbreiten. Häufig ist der Auslöser des Brands der Mensch, etwa durch Zigaretten, Lagerfeuer oder heiße Katalysatoren geparkter Autos.

Die riesigen Waldbrände in diesem Sommer in Kanada sind jedoch nachweislich durch die Kombination aus Hitze, Trockenheit und Blitzeinschläge entstanden. Für viele Regionen, in denen es in den vergangenen Jahren große Waldbrände gab, hat die Attributionsforschung gezeigt, dass der Klimawandel dort das Risiko für sogenanntes Feuerwetter erhöht hat.

Zur Sache

Wo bleibt das Eis?

In diesem Jahr erneuert sich das Eis der Antarktis nach seinem saisonalen üblichen, diesmal jedoch auffällig starken Rückgang außergewöhnlich langsam. Unter stabilen Klimabedingungen wäre so wenig antarktisches Eis zu dieser Jahreszeit statistisch nur einmal in 75 Millionen Jahren zu erwarten. Dieses Extremereignis traf selbst Klimaforscher und Klimaforscherinnen unvorbereitet – und sorgt in der Fachwelt für Unruhe.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)