- Motherese fördert das Sprechenlernen
- Delfine pfeifen ihren Namen
- Die Mütter nutzt höhere Frequenzen
- Mögliches Ziel: Aufmerksamkeit und Bindung
Der Anblick eines niedlichen Babys lässt selbst manchen Griesgram seine Sätze flöten: Sprechen wir Menschen zu einem Baby, verwenden wir kürzere Sätze, betonen klarer und lassen unsere Stimme höher und melodischer klingen. Motherese nennen Fachleute diese an Säuglinge gerichtete Sprache, umgangssprachlich meist als Mutterisch bezeichnet.
Und wie es aussieht, sind wir nicht die einzigen Säugetiere, die Motherese verwenden: Eine mehr als drei Jahrzehnte überspannende Studie hat nun nachgewiesen, dass auch Delfinmütter mit ihren Kälber Motherese sprechen. Veröffentlicht wurde sie im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Motherese fördert das Sprechenlernen
Nicht zu verwechseln ist Motherese mit Babysprache, die aus erfundenen Wörtern wie „mit dem Wauwau teita gehen“ und meist falscher Grammatik besteht. Manche Menschen denken, Kleinkinder könnten sie dann leichter verstehen. In Wahrheit behindert Babysprache Kinder dabei, sprechen zu lernen.
Motherese hingegen verändert nicht die Wörter, sondern wie wir die Wörter sagen. Das hilft Babys, die Grenzen zwischen Silben und Wörtern besser zu erkennen, aufmerksamer der Sprache zu folgen und sie leichter zu imitieren. Wenn Eltern in Motherese gecoacht wurden, verfügten ihre Kinder im Kleinkindalter über einen deutlich vergrößerten Wortschatz und sprachen mehr als andere Kinder gleichen Alters.
Bislang kannte die Forschung kaum Tierarten, die den Klang ihrer Stimme ändern, wenn sie sich an den Nachwuchs richten. Zu den wenigen Beispielen zählen Zebrafinken, Rhesusaffen und Totenkopfäffchen. Jetzt reihen sich die Großen Tümmler in diese Gruppe ein.
Delfine pfeifen ihren Namen
Ein internationales Forschungsteam untersucht seit 34 Jahren in der Sarasota-Bucht an der Westküste Floridas die Sprache dieser Delfine. Eine der Entdeckungen dabei war, dass Delfine sich selbst Namen geben. Wenn sie andere Delfine rufen, stoßen sie ein individuelles Pfeifen aus, das gewissermaßen ihr eigener Name ist. Überhaupt rufen Delfine häufig ihren eigenen Namen. Sie teilen so ihre Anwesenheit und Position mit. Alle Tiere einer Gruppe behalten einander auf diese Weise im Blick – oder besser gesagt im Gehör.
Auch eine Delfinmutter, die mit ihrem Kalb kommuniziert, pfeift ihren Namen. Entsprechend pfiffen die Tiere, als die Forscherinnen und Forscher Mutter und Kalb in seichtem Wasser kurzzeitig in Käfigen oder Schlingen fixierten, um deren Gesundheit zu überprüfen. „Die Tiere waren permanent in akustischem Kontakt“, berichtet die Studienleiterin Laela Sayigh von der Woods Hole Oceanographic Institution. „Wir wissen nicht, was sie kommunizieren, aber wahrscheinlich sagen sie: Ich bin hier, ich bin hier.“
Die Mütter nutzt höhere Frequenzen
Als die Fachleute schließlich die Tonaufnahmen von 19 Weibchen auswerteten, fiel ihnen eine Besonderheit auf: Ruft eine Mutter ihren Namen in Gegenwart ihres Kalbs, verwendet sie deutlich höhere Frequenzen für ihre Laute, als wenn sie alleine ist oder mit erwachsenen Tieren kommuniziert. Diese Töne liegen sogar außerhalb des menschlichen Hörspektrums. Auch ihre tiefen Laute vertieft die Mutter im Kontakt mit dem Kalb noch weiter.
Nur wenige Artengruppen unter den Millionen Tierarten, die akustisch kommunizieren, beherrschen das stimmliche Lernen, können also durch Imitation Laute erzeugen, die nicht bereits in ihren Genen angelegt sind. Die bekanntesten Beispiele sind neben den Delfineigennamen der Vogelgesang und die menschliche Sprache.
Mögliches Ziel: Aufmerksamkeit und Bindung
Im Fall der Delfine glauben die beteiligten Fachleute nicht, dass die Muttertiere durch den veränderten Klang ihrer Laute ihren Kindern lediglich helfen wollen, die Sprache schneller zu lernen. Denn auch mit zweijährigen Kälbern, die bereits ihren eigenen Namen pfeifen können, benutzen die Mütter Motherese.
Denkbar wäre daher, dass die Stimmmodulation auch dazu dient, die Aufmerksamkeit des Jungtiers zu erlangen und die Bindung zu stärken. Immerhin bleiben Delfinkinder bis zu sechs Jahre lang an der Seite ihrer Mutter inmitten einer intensiv kommunizierenden, sehr mobilen Gruppe von Delfinen mit komplexem Sozialgefüge. Ähnliches gilt für die weiteren Arten, von denen bekannt ist, dass sie Motherese verwenden.
Obwohl Delfine und Menschen Motherese wohl zu etwas unterschiedlichen Zwecken nutzen dürften, könnte die Entdeckung auch helfen, die Evolution der menschlichen Sprache und des stimmlichen Lernens besser zu verstehen, hoffen Sprachforscher. Und die Verhaltensforscher dürften nun bei manchen Arten genauer hinschauen, ob sie Hinweise auf Motherese entdecken. Papageien und Robben könnten heiße Kandidaten sein. Denn sinnvoll dürfte dieses Verhalten für jede Art sein, die stimmliches Lernen beherrscht und in enger sozialer Bindung zwischen Elterntier und Kindern lebt.