"Ein bisschen zu viel Sex und ein bisschen zu viel streicheln, zwei Punkte ziehen wir ab", da kennt die charmante Brigitte aus der Dreierjury nichts. Uschi Glas und Udo Jürgens haben sich in der Wortspielrunde ganz hübsch verheddert. Mit Original-Ausschnitten aus "Dalli Dalli", der unvergessenen TV-Show, startet Oliver Haffner seinen ZDF-Fernsehfilm "Rosenthal", der an einen der bekanntesten Entertainer der Nachkriegszeit erinnert: An diesem 2. April hätte Hans Rosenthal, der 1987 im Alter von 61 Jahren an Krebs starb, seinen 100. Geburtstag gefeiert.
Der Einstieg dürfte bei vielen Fernsehzuschauern heitere Erinnerungen wecken. Erinnerungen an 153 Donnerstage zwischen 1971 bis 1985, in denen "Hänschen" Rosenthal im ZDF immer freundlich zugewandt, immer ein wenig gehetzt genau 90 Live-Minuten lang in lustigen Spielen aufs Tempo drückte. Und mit dem Ausruf "Das war spitze!" in die Luft sprang, wenn das Studiopublikum eine Kandidatenleistung besonders gelungen fand. Ab der 100. Sendung wurde der Luftsprung von der Kamera "eingefroren", zu dieser Zeit noch eine technische Herausforderung.
Hinter der Show: Die Bilder von damals wirken weiter sehr lebendig, da fällt der Sprung aus den alten Schnipseln in die Spielfilmhandlung ein wenig schwer. Doch schnell hat man den famosen Florian Lukas in der Hauptrolle akzeptiert. Lukas übernimmt nicht nur unaufdringlich Rosenthals Gestik und Sprechweise, er macht auch klar, dass sich hinter dem strahlenden Spielleiter im Rampenlicht privat eine eher höflich-zurückhaltende, auf Ausgleich bedachte Natur verbarg. Und dass es noch ein anderes, ein Vor-Leben gab, das die Deutschen geflissentlich ignorierten.
Denn Hans Rosenthal war Jude und hatte das Dritte Reich nur mit viel Glück überlebt. Nachdem 1937 der Vater, der wegen der Rassegesetze der Nazis seine Stellung bei der Deutschen Bank verloren hatte, und 1941 die Mutter gestorben war, kam Hans Rosenthal mit seinem jüngeren Bruder Gert ins Waisenhaus. 1942 wurde Gert mit einem Kindertransport deportiert und ermordet, Hans floh zu einer Bekannten seiner Großmutter. Die versteckte ihn mithilfe zweier weiterer Frauen zwei Jahre in einer Berliner Gartenlaube, die er nur nachts verlassen konnte. Doch darüber sprach er öffentlich nicht, man wusste allenfalls wie im Film ein Touristenpaar auf Föhr: "Er ist Jude – aber einer von den Guten."
Der Sendetermin: In Haffners Film, an dem Rosenthals Kinder beratend mitwirkten, läuft alles auf den 9. November 1978 zu. An diesem Donnerstag soll die 75. "Dalli Dalli"-Sendung gefeiert werden. Gleichzeitig findet aber auch nach 40 Jahren erstmals eine offizielle Veranstaltung zum Gedenken an die Reichspogromnacht statt, Bundeskanzler Helmut Schmidt wird sprechen, Rosenthal ist eingeladen. Doch ZDF-Programmchef Horst Hummel besteht auf dem "Unterhaltungsauftrag" des Senders, stellt dem Quizmaster sogar einen jungen Aufpasser an die Seite. Wie soll Rosenthal damit umgehen?
In einer berührenden Szene sieht man ihn, wie er zu Hause lange stumm seinen überraschten Sohn Gert umarmt, der in eine Studenten-WG ziehen wird. Eine andere Schlüsselszene zeigt Rosenthal während einer Probenpause in der tristen Kantine, als er seiner Assistentin Monika Sundermann (Teresa Rizos) sagt: "Am liebsten würde ich alles hinschmeißen." Worauf sie antwortet: "Du hast doch selbst mal gesagt: die Menschen, die dich jetzt beklatschen, die hätten dich vor 40 Jahren wahrscheinlich denunziert. Sie lieben dich doch genau dafür, dass du sie nicht an diese Dinge erinnerst." Worauf Rosenthal zurück in die Probe stürmt.
Der innere Aufruhr: Lukas spielt einen konzilianten Mann, der permanent fremdbestimmt wird, vom feigen Programmchef (Hans-Jochen Wagner), vom Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde (Anatole Taubman), von seinen Fans. Und der nun fast resigniert. Denn seine Strategie, die Menschen nicht durch Konfrontation, sondern durch Respekt und Menschlichkeit auf einen anderen Kurs zu bringen, funktioniert hier nicht. Der Rosenthal von Florian Lukas lacht wenig, schluckt viel, findet allein in seiner Frau Traudel (Silke Bodenbender) einen Kompass: "Du musst dich nicht mehr verstecken."
Je näher die Sendung rückt, desto mehr häufen sich die Rückblenden in Schwarz-Weiß (hervorragend: Claude Heinrich als junger Hans) bis zur Beinahe-Entdeckung im Laubenversteck. Im Aufnahmeraum hört der Quizmaster die Rede von Helmut Schmidt, flüchtet aufs Dach, scheint immer mehr den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Der Ernst der Show: Erst in letzter Minute wird sich Rosenthal mit seinen Mitteln wehren und umdisponieren: Er trägt in der Sendung keinen hell-karierten, sondern einen schwarzen Anzug, er lässt die Kulissenwaben mit Blumen dekorieren und die Gäste ernste Musik singen. Und er wird vor dem Abspann deutlich auf das Datum verweisen: "Das war heute, am 9. November, unsere 75. Sendung ,Dalli Dalli'."
Haffners 90-Minuten-Erzählung verlässt dabei nie die Pfade des TV-Spielfilms, aber das wirkt sich positiv aus: Die Piefigkeit der Jahre des seligen Vergessens ist durchweg spürbar, aber eben auch, dass Rosenthals Ansatz, den Menschen vor allem Freude am Leben zu schenken seine Berechtigung hatte.
Die Lehren: Die Fragen junger Menschen nach seiner Vergangenheit veranlassen Rosenthal im Film zuletzt dazu, seine Memoiren "Zwei Leben in Deutschland" zu schreiben. In einer Sendung über jüdische Komponisten und Autoren im Dritten Reich hat er 1983 gesagt: "Wir alle können nur hoffen, dass diese Vergangenheit keine Zukunft hat." Dieser Satz ist aktueller denn je.