Anfang der 2000er Jahre eroberte die US-Erfolgsserie "Sex and the City" die Fernsehbildschirme und Kinoleinwände in Deutschland. Vier junge New Yorkerinnen um die Sex-Kolumnistin Carrie Bredshaw (Sarah Jessica Parker) durchleben darin allerlei Beziehungs-, Freundschafts- und Lebenskrisen. Seit dem vergangenen Jahr gibt es eine Fortsetzung der Produktion. "And just like that" heißt sie (wir berichteten), und immerhin drei der vier Frauen von damals sind darin zu sehen. Naturgemäß um gut 20 Jahre gealtert, Falten und graue Haare inklusive, womit aber offenbar nicht alle Zuschauer gerechnet hatten.
"Sie hat zu viele Falten, sie hat nicht genug Falten – es fühlt sich fast so an, als ob die Leute nicht wollen, dass wir mit dem, was wir sind, zufrieden sind." So spricht Hauptdarstellerin Parker mit dem Magazin "Vogue" über die Social-Media-Reaktionen auf das Comeback der Frauen und fügt an: "Ich weiß, wie ich aussehe. Ich habe keine Wahl. Was soll ich dagegen tun? Aufhören zu altern? Verschwinden?"
Tatsächlich ist Letzteres nicht völlig abwegig. Das belegt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Rostock, die sich mit der Darstellung von Geschlechterrollen im deutschen Film und Fernsehen befasst. In ihr wurden alle 390 deutschen Spielfilme untersucht, die in den Jahren 2017 bis 2020 uraufgeführt wurden. Eins der Ergebnisse: Mittlerweile sind die zentralen Rollen in deutschen Spielfilmen beinahe zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt. Allerdings: Ein Grund, in Jubel auszubrechen, sei das nicht, sagt Medienwissenschaftlerin Elizabeth Prommer, die für die Erhebung verantwortlich ist.
Männerrollen sind völlig anders
"Frauenrollen sind deutlich jünger als die von Männern. Sie sind oft nur bis zu einem Alter von Mitte 30 sichtbar, dann verschwinden sie vom Bildschirm", so Prommer. Laut ihrer Untersuchung sind unter allen Hauptfiguren, die älter als 50 Jahre sind, 70 Prozent männlich besetzt.
Anlass für ihre Untersuchung der deutschen Filmlandschaft war allerdings nicht einzig die Altersfrage, sondern die, wie Männer und Frauen in den Produktionen dargestellt werden. Grundsätzlich, fasst Prommer die Ergebnisse zusammen, seien Männerrollen "völlig anders" angelegt, als die für Frauen. "Während Frauen sehr eng erzählt werden, sind die Figuren der Männer vielfältig", sagt sie. "Da gibt es klug und doof, alt und jung, dick und dünn." Frauen hingegen seien "nie dick, dafür meist schlank und schön und ihre Rollen sehr häufig im Zusammenhang mit einer Partnerschaft zu einem Mann erzählt", so Prommer.
Wenig Frauen hinter der Kamera
Untersucht wurde die Frage nach der Darstellung weiblicher Figuren unter anderem mit dem sogenannten Bechdel-Wallace-Test. Er besteht aus vier Fragen, die Aufschluss darüber geben sollen, wie eigenständig eine weibliche Filmfigur ist. Sie lauten: Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? Haben diese erkennbare Namen? Sprechen sie miteinander? Reden sie über etwas anderes als Männer oder Beziehung? Bei insgesamt 58 Prozent der untersuchten Filme konnte Prommer alle vier Fragen mit ja beantworten. Stellte man die gleichen Fragen für männliche Rollen, bestanden insgesamt 88 Prozent den Test.
Studienautorin Elizabeth Prommer führt das darauf zurück, dass Frauen in der Regie und beim Drehbuch unterrepräsentiert sind. "Wir haben feststellen können, dass wir mehr und vielfältigere Frauenrollen sehen, wenn auch eine Frau Regie führt", sagt sie. Allerdings waren nur ein Viertel der untersuchten Filme von einer Frau inszeniert worden, und an 76 Prozent der Drehbücher waren Männer beteiligt. "Eigentlich sind die Hochschulabsolventen in der Regie halb-halb besetzt, bei Drehbuch gibt es sogar mehr Frauen. Aber die kommen im Markt anscheinend nicht unter", so Prommer.
Sie hofft trotzdem auf einen fortschreitenden Wandel innerhalb der Branche. Schon die Vorläufererhebung hätte gezeigt, wie wenig Film und Realität in Deutschland übereinstimmten. "Da waren alle erschrocken, weil wir einfach mal nachgezählt haben und dann die entsprechenden Ergebnisse liefern konnten", sagt sie. Geht es nach Prommer, sollen ihre neuesten Ergebnisse die kleinen Fortschritte, die seitdem erzielt wurden, befeuern. Sie sagt: "Was in Filmen gezeigt wird, hat Auswirkungen bis in die Gesellschaft hinein. Und was aktuell gezeigt wird, ist eben kein Spiegel von ihr."