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In der Senioren-Wohngemeinschaft in einem Vier-Familien-Haus in Heilshorn fühlen sich neue Bewohner schnell wohl Im Alter wohnen wie die Studenten

Osterholz-Scharmbeck. Den Alltag allein zu bewältigen, kann für ältere Menschen zu einer großen Herausforderung werden. Irgendwann steht dann möglicherweise ein Umzug in eine Senioreneinrichtung an.
15.04.2018, 00:00 Uhr
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Von Kim Wengoborski

Osterholz-Scharmbeck. Den Alltag allein zu bewältigen, kann für ältere Menschen zu einer großen Herausforderung werden. Irgendwann steht dann möglicherweise ein Umzug in eine Senioreneinrichtung an. Doch mit dem Gedanken kann sich nicht jeder anfreunden. Eine Wohngemeinschaft in Heilshorn zeigt, dass das neue Heim nicht unbedingt ein großes Haus mit zahlreichen Bewohnern sein muss. Bereits seit zwölf Jahren funktioniert das Zusammenleben in dem ehemaligen Vier-Familien-Haus mitten in der Natur.

Die mittlerweile verstorbene Mutter von Hans-Jürgen Koch war die erste Bewohnerin der WG. Gegründet wurde die Wohngemeinschaft seinerzeit von einem Pflegedienst, der sich jedoch bald aufgrund einer Gesetzesänderung aus dem Haus zurückzog. „Ich finde die Idee einer Wohngemeinschaft für Ältere gut; wir werden alle älter und die Kosten, die auf uns zukommen, steigen“, erklärt Koch. Aus diesem Grund engagiere er sich auch weiterhin gern in dem Haus, sagt der 69-jährige Rentner.

Das Vier-Familien-Haus hat zwölf Zimmer und vier Bäder. Darüber hinaus verfügt es über ein Wohnzimmer, ein Esszimmer und eine daran angeschlossene Küche. Um den Haushalt und das tägliche Zubereiten der Mahlzeiten kümmern sich 450-Euro-Kräfte. Die Verwaltung liegt in den Händen von Ute Niclas. Anfragen neuer Mitbewohner, Abrechnungen von Strom, Wasser und Gas, Versicherungen – all das gilt es im Auge zu behalten. Ute Niclas ist im Haus angestellt, erledigt aber auch einen großen Teil der Aufgaben ehrenamtlich und ist neben Hans-Jürgen Koch Sprecherin der WG. „Wenn es ihnen möglich ist, sollten sich die Angehörigen ebenfalls im Haus engagieren“, sagt Ute Niclas.

Ihre 86-jährige Mutter Cäcilie Meyer lebt seit vier Jahren mit den anderen Senioren unter einem Dach. Zuvor wurde die an Demenz Erkrankte viele Jahre im eigenen Zuhause von ihrer Tochter gepflegt. Ihre Krankheit ist heute so weit fortgeschritten, dass sie ihre Tochter nicht mehr erkennt. „Irgendwann ging es einfach nicht mehr. Sie wollte allein nicht mehr essen und ich konnte auch nicht den ganzen Tag bei ihr sein“, erzählt Ute Niclas. Sie sah sich gezwungen, sich nach Alternativen umzusehen. Über Bekannte erfuhr sie dann von der Wohngemeinschaft in Heilshorn.

Die Mitbewohner sind durchschnittlich zwischen 70 und 90 Jahren alt. Die meisten kommen ohne Partner. Aber auch für Paare gibt es Zimmer, die mit rund 30 Quadratmetern größer sind als die kleineren Räume für Singles. Das kleinste Zimmer im Haus misst etwa zehn Quadratmeter. Einer der Räume wird für Gäste freigehalten, zum Beispiel für die Verwandtschaft der Bewohner, wenn diese eine längere Anreise hat. Darüber hinaus bietet das Haus Verhinderungspflege an, wenn zum Beispiel pflegende Angehörige in den Urlaub möchten. Dafür werden möblierte Zimmer vorgehalten. Neue Bewohner, die bleiben möchten, können hingegen eigene Möbel in ihr neues Reich mitbringen.

„Die Möbel im Wohnbereich erinnern mich sehr an das frühere Zuhause meiner Mutter“, sagt Ute Niclas. Die Senioren haben sich ihr Heim selbst und nach eigenem Geschmack, der ihre Generation widerspiegelt, eingerichtet. Sie habe sich sofort vorstellen können, dass ihre Mutter sich hier wohlfühlen würde, sagt Ute Niclas. Und tatsächlich machte der Umzug in die Wohngemeinschaft keinerlei Umstände, Cäcilie Meyer nahm die WG sofort als neues Zuhause an. Sie verbringt ihre Tage meist damit, durch die offene Tür ihres Zimmers zu beobachten, was in der Stube und im Eingangsbereich los ist. „Bei uns ist immer Bewegung. Die Menschen gehen ein und aus, es wird gekocht, spazieren gegangen und erzählt“, sagt Hans-Jürgen Koch.

Das schätzt auch die 90-jährige Nachbarin Emmy Koch. Sie ist regelmäßig zu Besuch und nimmt häufig am Mittagessen teil. „Hier sind alle nett und es gibt immer was Schönes zu essen“, sagt sie. Für die Zubereitung der Mahlzeiten sind die Minijobberinnen verantwortlich. „Sie sind selbst leidenschaftliche Hausfrauen“, sagt Hans-Jürgen Koch. Heute schaut der 73-jährige Hans-Detlef Wiese der Köchin Nicole Rosenboom über die Schulter. Sie schnippelt die Zutaten für einen bunten Rohkostsalat und belegt Pizza-Teig, den sie auf dem Blech ausgerollt hat. „Wir können hier richtig kreativ sein. Aber es gibt natürlich auch mal Currywurst mit Pommes“, sagt Nicole Rosenboom. Essenswünsche der Bewohner nehmen die Frauen gerne an und lassen sich auch bei der Zubereitung unterstützen.

„Das Essen ist wirklich hervorragend“, schwärmt Hans-Detlef Wiese. Für ihn ist es eine der letzten Mahlzeiten im Haus. Der Schwaneweder wird die Heilshorner WG demnächst wieder verlassen. Nach einem Sturz und einem anschließenden Krankenhausaufenthalt hatte er sich zunächst nicht zugetraut, allein zu Hause zu sein. „Ich musste jemanden um mich haben“, sagt er. Es sei nicht klar gewesen, wodurch der Aussetzer im Kopf entstanden war, der zu dem Sturz geführt hatte. Mittlerweile hat sich sein Gesundheitszustand stabilisiert und Wiese fühlt sich sicher auf den Beinen. Sollte ein Bewohner des Hauses in eine Notlage geraten, ist immer ein Ansprechpartner vor Ort, der helfen oder Hilfe rufen kann. „Wenn gewünscht, schaut auch nachts jemand nach, ob alles in Ordnung ist“, beschreibt Hans-Jürgen Koch.

Ein vom Haus engagierter Pflegedienst kommt täglich und versorgt die Bewohner entsprechend ihren Bedürfnissen. Abgerechnet werden die Leistungen von der jeweiligen Pflegekasse. Die Kosten für die Unterbringung seien insgesamt deutlich niedriger als für eine Unterbringung in einer Senioreneinrichtung, betont Hans-Jürgen Koch. Das ermögliche unter anderem der ehrenamtliche Einsatz der Angehörigen. Aber auch ein Wohngruppenzuschuss senke die Kosten für den Einzelnen. „Es ist schön, wenn unsere Bewohner noch ein Taschengeld für sich über haben“, findet Koch.

Für ihre geistige Zerstreuung sorgen die Mitbewohner teilweise selbst. So hat ein ehemaliger Bewohner gern den Garten gepflegt und dort Tomaten angebaut, für eine gewisse Zeit hat sogar ein kleiner Skat-Klub bestanden, der sich zu regelmäßigen Runden versammelt hat. Darüber hinaus schauen auch die Nachbarn mal vorbei und nehmen die Bewohner zum Beispiel mit auf Spaziergänge oder spielen mit ihnen Bingo. Zudem sind regelmäßig Angehörige zu Gast, sie helfen gemeinsam mit den Bewohnern dabei, den Garten zu pflegen, oder bereiten besondere Ereignisse wie das Sommerfest oder das Grillfest vor. Wenn es um handwerkliche Tätigkeiten geht, ist Hausmeister Michael Knuth stets zur Stelle.

Wer mehr über die Senioren-Wohngemeinschaft in Heilshorn erfahren oder sich ehrenamtlich engagieren möchte, kann sich im Internet unter www.senioren-wg-haus-heilshorn.jimdo.com oder per Telefon bei Hans-Jürgen Koch unter 0 47 91 / 5 91 87 oder bei Ute Niclas unter 0 47 95 / 5 50 46 22 informieren.

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