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Erbgutforschung Kehren die Mammuts bald zurück?

Forscher haben außergewöhnlich gut erhaltene DNA eines Mammuts gefunden. Damit ist es nicht mehr unmöglich, lebende Exemplare ausgestorbener Tiere zu erzeugen. Warum der Klimawandel dabei eine Rolle spielt.
10.08.2024, 05:00 Uhr
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Von Björn Lohmann

Die Gletschermumie Ötzi ist mit 5300 Jahren ein Jungspund gegen sie: Das Wollmammutweibchen, das russische Forscher 2018 im Nordosten Sibiriens entdeckten, lag dort wohl rund 52.000 Jahre lang. Doch nicht das macht den Kadaver so besonders: Zuvor entdeckte Überreste von Mammuts waren im Laufe der Jahrhunderte mindestens einmal aufgetaut und wieder eingefroren, wodurch ihre Haut das Fell verloren hat und Zellen Schaden genommen haben.

Der Fund von 2018 jedoch ist weitgehend kastanienbraun behaart. „Wir denken, das Tier muss kurz nach seinem Tod gefriergetrocknet sein“, erzählt Olga Dudchenko vom Baylor College of Medicine in den USA. Sie gehört zur Forschungsgruppe um Erez Lieberman Ayden, die sich seit Jahren mit dem Erbgut von Mammuts befasst.

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Aydens Team fand an dem Kadaver nicht nur Haare, sondern intakte Haarfollikel. Analysen ergaben, dass die DNA der Zellen sogar in der 3-D-Struktur der Chromosomen erhalten geblieben ist. Ursächlich dafür dürfte vor allem der Entzug des Wassers sein, weniger die Eiseskälte. Dadurch nimmt das Erbgut einen Zustand an, den die Forscher als Chromatinglas bezeichnen (siehe Zusatztext). Es gilt als gut möglich, dass derartiges Chromatinglas in weiteren Funden im Permafrost auftritt und sogar in nicht gefrorenen ägyptischen Mumien existieren könnte. Tatsächlich hat Aydens Team inzwischen Chromatinglas auch in einem 2010 gefundenen Mammutweibchen nachgewiesen, das als besterhaltenes Exemplar seiner Art gilt.

Erbgutsequenzen, nicht nur Fragmente

Frühere Funde ausgestorbener Arten enthielten meist nur kurze DNA-Bruchstücke, da DNA sich mit der Zeit zersetzt. Deshalb galt es den meisten Fachleuten als illusorisch, auf dieser Grundlage Mammuts wiederauferstehen zu lassen – selbst dann noch, als Forscher 2015 vermeldeten das Mammutgenom zusammengestückelt zu haben. Denn die zugrunde liegenden DNA-Fragmente enthielten nicht nur beschädigte DNA, sondern auch Verunreinigungen etwa mit dem Erbgut von Mikroben.

Die neuen Mammuthautzellen haben jedoch Erbgutsequenzen bewahrt, die Millionen Mal so lang sind wie bisherige Einzelfragmente. „Das ist eine neue Art Fossil“, sagt Ayden, „seine Dimension stellt alle historischen DNA-Fragmente in den Schatten.“ In mühsamer Arbeit haben die US-Forscher seitdem gemeinsam mit Teams aus Spanien und Dänemark die Mammut-DNA untersucht. Herausgekommen ist eine dreidimensionale Rekonstruktion des Mammutgenoms, die jetzt im Juli dieses Jahres im Fachjournal "Cell" veröffentlicht wurde.

„Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Puzzle aus drei Milliarden Teilen, aber wissen nicht, wie das fertige Gesamtbild aussehen soll“, beschreibt Marc Martí-Renom vom Zentrum für Genomregulation in Barcelona die Herausforderung. Bewältigt haben die Forscher sie mit einer als Hi-C bekannten Methode, die Ayden mitentwickelt hat. Sie lässt abschätzen, welche DNA-Abschnitte sich wahrscheinlich in räumlicher Nähe zu welchen anderen Abschnitten befinden. „Hi-C gibt einem eine Annäherung des fertigen Bildes, bevor man das Puzzle beginnt“, so Martí-Renom. Als weitere Orientierung diente das verwandte Genom der heutigen Elefanten.

Bereits früher hatte das Team um Ayden Hi-C zu Paleo-Hi-C weiterentwickelt und über Jahre versucht, die Methode an anderen Mammutproben sowie Museumsexemplaren anzuwenden – und war immer wieder gescheitert. Erst das Chromatinglas führte den Ansatz zum Erfolg.

Entfernte Verwandte des Elefanten

Die finale Rekonstruktion verrät, dass das Mammutgenom aus 28 Chromosomen bestand, ebenso viele wie beim afrikanischen und asiatischen Elefanten. Weil die Qualität des Funds so hoch war, konnten die Forscher sogar Rückschlüsse darauf ziehen, welche der Gene in den Hautzellen aktiv waren und welche stillgelegt. Hier zeigten sich klare Unterschiede zum heutigen Elefanten, nicht zuletzt aufgrund der Gene, die wahrscheinlich für Wolle und Kältetoleranz entscheidend waren.

Außerdem ist das Mammut wohl dem asiatischen Elefanten etwas ähnlicher als dem Afrikanischen. „Das ist eine außergewöhnliche neue Klasse Daten, und es ist die erste Untersuchung einer zellspezifischen Genaktivität in einer historischen DNA-Probe“, resümiert Martí-Renom.

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Michael Hofreiter, Evolutionsgenetiker an der Universität Potsdam, war an der Studie nicht beteiligt. Er spricht von einem „fantastischen Ergebnis, das das Potenzial hat, ein echter Meilenstein zu werden“. Damit könne die Forschung an ausgestorbenen Arten in einer Weise vorangebracht werden, „wie wir es schon lange wollten“. Weil die nun vorliegende Analyse jedoch nur Hautzellen untersucht hat, ist unklar, welche Gene etwa in anderen Gewebetypen aktiv oder inaktiv sind. Dazu bräuchte es weitere Funde mit Zellen, in denen sich Chromatinglas gebildet hat und deren Chromosomen dadurch mit Paleo-Hi-C rekonstruiert werden können. Die Rückkehr der Mammuts dürfte jedenfalls schon jetzt einen Schritt nähergerückt sein.

Zur Sache

Chromatinglas

Wegen seiner großen Bedeutung hat das Forschungsteam um Erez Lieberman Ayden untersucht, unter welchen Bedingungen Chromatinglas entsteht. Normalerweise brechen die Moleküle der Chromosomen nach dem Tod auseinander und verteilen sich wie Zucker in heißem Kaffee. Die Vermutung war, dass Kälte und Wasserentzug diese Verteilung stoppen. Um das zu testen, entzog das Team einem Stück Rinderleber das Wasser, lagerte es ein Jahr bei Raumtemperatur, fuhr dann mit einem Auto darüber, tauchte es in Säure, schlug einen Baseball dagegen und beschoss es mit einer Schrotflinte. Die Chromosomarchitektur bliebt perfekt erhalten.

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