Hunderte von Drohnen und Raketen feuerte der Iran auf Israel ab, 99 Prozent davon wurden abgefangen. Es habe, so stand überall zu lesen, keine Opfer gegeben. Und doch kämpft seitdem ein Beduinenmädchen um sein Leben.
Es war nur eine ganz kleine Nachricht zwischen all den Nachrichten über den Angriff des Mullah-Regimes, über die Vergeltung für den israelischen Luftangriff auf die iranische Vertretung in Damaskus, über die Luftabwehr der Israelis, der USA und weiterer Länder, über die weiteren Eskalationsbefürchtungen.
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Eine Freundin aus Tel Aviv schickte mir den Namen des Mädchens, sie hatte ihn in der israelischen Zeitung „Haaretz“ gefunden. Amina Al-Hassouni ist sieben Jahre alt, sie kommt aus Al-Fara, einem kleinen Dorf in der Negev-Wüste im Süden Israels.
Als am 14. April, gegen zwei Uhr morgens, die iranischen Drohnen und Raketen über die Wüste fliegen, läuft Aminas Vater ins Freie, weil er die Explosionen der Abwehrraketen hört. In dem von Israel nicht anerkannten arabischen Beduinendorf A-Fara gibt es keine Luftschutzräume, wie sie für die meisten Israelis zur Verfügung stehen, es ist sogar in den Beduinendörfern verboten, feste Bauten zu errichten.
Zwei Operationen muss Amina über sich ergehen lassen
Der Vater kehrt ins Haus zurück, dann bohrt sich ein Splitter einer iranischen Rakete durch das dünne Wellblech des Hauses und trifft die schlafende Amina am Kopf. Sie verliert das Bewusstsein und wird ins siebzig Kilometer entfernte Soroka-Krankenhaus in Beerscheva gebracht und zweimal operiert, dort liegt sie nun auf der pädiatrischen Intensivstation.
Amina ist die einzige Schwerverletzte des iranischen Angriffs auf Israel. Mich erinnerte ihr Schicksal ein wenig an das von Eva Lipinska aus dem polnischen Jelina Gora, die am 25. Juli 2020, als sie fast noch ein Mädchen war, in Gonesse bei Paris während eines Gastronomie-Praktikums unter den Trümmern der abgestürzten Concorde 4590 begraben wurde. Über Eva erschien auch nur eine winzige Meldung.
In „Haaretz“ war ein Foto von Mohammad, von Aminas Vater zu sehen, wie er vor dem Haus sitzt. Die Geschichten solcher Fotos sind meist auch schrecklich. Einerseits werden Menschen wie Mohammad bestimmt nur einmal in ihrem Leben für die Öffentlichkeit interessant und dann wollen sie doch eigentlich würdevoll auf dem Foto erscheinen, aber nun sitzt Aminas Vater in seinem Elend und mit seiner Angst vor der Kamera. Und wie zynisch muss das für ihn klingen, wenn Israels Ministerpräsident die abgewehrte Attacke des Iran mit triumphierenden Worten kommentiert.
Mehrere Stunden verbringe Mohammad nun im Krankenhaus am Bett seiner Tochter, berichtet die israelische Zeitung, er bete und sage immer wieder Aminas Namen, er bedeutet „Frau des Friedens, der Harmonie, der Sicherheit“. Zuhause traue sich die Familie nicht mehr das Haus zu betreten. Aminas Mutter und Geschwister würden seitdem auf der Straße leben, aus lauter Angst, es könnte noch etwas vom Himmel auf ihr Haus fallen. Und niemand von der Regierung würde ihnen helfen oder habe ein Zeichen gesendet, sagte der Vater.
Angst vor allen – nicht nur vor Israel
Außer der israelische UN-Botschafter bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates. Doch er benutzte Aminas Schicksal nur, um zu sagen, dass es dem Iran und seinen „mörderischen Herrschaftsplänen“ egal sei, dass auch Muslime zu Schaden kämen. Er erwähnte allerdings nicht, dass durch die israelischen Angriffe im Gazastreifen laut Unicef jeden Tag im Schnitt 115 Kinder sterben.
Auf die Frage, ob er jemals gedacht hätte, dass der Iran das Leben seiner muslimischen Tochter aufs Spiel setzen könnte, antwortete Aminas Vater: „Ehrlich gesagt habe ich Angst vor allen – vor dem Iran, der Hamas und ich habe Angst vor Israel und davor, was mein Land jetzt tun wird.“
Die ganze Welt wartet nun auf die Reaktion des israelischen Kriegskabinetts, doch ich schaue jeden Tag im Internet, ob ich etwas über Amina finde. Wie es ihr geht. Ob sie noch lebt.
In der Wochenzeitung „The Jewish Chronicle“ fand ich ein Foto von Amina, das ihr Vater der Zeitung gegeben hatte. Man sieht Amina an einem Sommertag direkt in die Kamera lächeln. Ihr Gesicht ist ganz zart und von der Sonne beschienen.