So sanft ihre Stimme ist, so klar sind ihre Worte. Ein wunderbares Zusammenspiel aus Charakter und Charisma. Vielleicht sind sie so, die Norweger. Vielleicht ist Maria Mena nicht nur eine außergewöhnliche Songwriterin sondern auch ein solcher Mensch.
Maria Mena ist eine bodenständige junge Frau, das macht das Gespräch mit ihr deutlich. Wenn man der 25-jährigen Musikerin so zuhört, könnte man fast meinen, dass dies ein typisch norwegischer Wesenszug ist. Und ja, fast wird man neidisch, nicht in diesem Land aufgewachsen zu sein. Dem Land, das im Juli von einem Massenmord erschüttert wurde. Ihr Cover von "Mitt Lille Land" passte zu den Gefühlen vieler Menschen und wurde zur tröstenden Hymne. Mena würde daraus nie Kapital schlagen wollen. Sie stellte den Song zum kostenlosen Download zur Verfügung. Weder verkauft sie sich als Gutmensch noch sendet sie Nachrichten über den Zustand ihres Landes hinaus in die Welt. Im Gegenteil, sie beschäftigt sich mit sich selbst, sucht - ähnlich wie Joy Denalane auf ihrem, nach ihrer Großmutter benannten Album "Maureen" - nach ihrem zweiten Ich namens "Viktoria". Obwohl sie eine junge Frau ist, die mit beiden Beinen im Leben steht, klar mit dem Boden verhaftet.
teleschau: Der Raum, in dem wir sitzen, ist bunt, grell und poppig. Gefällt Ihnen dieser Stil?
Maria Mena: Nicht privat. Ich lebe mit meinem Verlobten in einem alten Haus, das eher minimalistisch eingerichtet ist. Außen ist es grün, innen renovierten wir selbst und achteten darauf, recycelbare Materialien zu verwenden. Der Fußboden ist aus Bambus, denn dieses Holz ist umwelttechnisch der beste Rohstoff, weil er so schnell nachwächst.
teleschau: Ist das Haus Ihr Refugium, ein Nest, das Schutz bietet?
Mena: Schutz nicht, aber es ist mir wichtig, dass es einen Ort gibt, den ich Zuhause nennen darf. Heute Abend zum Beispiel fahre ich heim und morgen Abend esse ich mit meinen besten Freunden. Eine Kollegin von mir hat Schwierigkeiten, Beziehungen zu Hause auf die Reihe zu kriegen. Sie schafft es nicht, sich auf Privates zu konzentrieren. Ich hingegen brauche ein Leben zu Hause. Viele Musiker sind so lange unterwegs, dass sie daheim nur Leere vorfinden.
teleschau: Sie möchten also nicht zehn von zwölf Monaten auf Tour sein.
Mena: Zwei sind genug und ich reiß mich nicht drum, dass es mehr werden. Ich brauche auch Ruhezeiten für neue Songs. Die kann ich nur zu Hause schreiben, unterwegs hat man ja kein Leben, sondern schwebt in einer Seifenblase. Es würde mich freuen, wenn keiner mehr fragt, wie ich Berlin finde. Wann soll ich denn was von der Stadt sehen? Ich sitze hier drin, bis ich nach Hause fliege.
teleschau: Sie haben einen klaren Blick auf Ihr Leben als Künstlerin.
Mena: Aber ich weiß um mein reiches Leben. Mir ist wichtig, dass die Leute um mich herum meinen Job akzeptieren. Mein Freund findet ihn großartig ... wahrscheinlich, weil ich so oft weg bin (grinst). Ab und zu fährt er auch mit, er ist freier Journalist und dementsprechend flexibel. Schauen wir mal, wie es wird, wenn ich Kinder habe, ob ich das dann noch alles kombinieren kann.
teleschau: Ist es Ihnen mal in den Sinn gekommen, in ein anderes Land zu ziehen, vielleicht ein karrierefreundlicheres?
Mena: Ich bin sehr norwegisch, was meine Denkweise angeht. In Amerika muss man so "groß" denken, bis weit hinter den Horizont, damit das mit dem Star sein klappt. Das finde ich übertrieben und nicht gesund. Mir ist es wichtig, dass ich am Boden verhaftet bleibe. Ich mag mein Zuhause und mein Land.
teleschau: Für welchen Charakterzug schätzen Sie die Norweger?
Mena: Sie sind durchaus ein bisschen sonderbar. Aber auch ehrlich. Norwegen ist ein No-Bullshit-Country (lacht), man muss also nicht versuchen, nach mehr auszusehen, als man ist. Das reicht. Um Promis zu bewundern, ist dieses Land zu geerdet.
teleschau: Ein Ticket in die Etage der Celebritys scheinen Sie nicht lösen zu wollen. Interessiert Sie Erfolg generell?
Mena: Erfolg hat seine gute Seite: "Viktoria" ist jetzt das dritte Album, das ich in Deutschland veröffentliche, und ich habe langsam das Gefühl, ich werde von meiner Plattenfirma als Künstlerin ernst genommen und auf die Art unterstützt, wie ich es haben möchte. Das fühlt sich gut an.
teleschau: Ernst genommen zu werden, darauf legen Sie also wert?
Mena: Ja, was nicht heißt, dass ich keinen Humor habe. Ich beschreib es mal so: Ich absolviere lieber einen Auftritt und beantworte Fragen zu meinen Texten, als dass ich mir ein hübsches Kleid anziehe und eine Fotosession hinter mich bringen muss.
teleschau: Ihr neues Album heißt "Viktoria", weil Ihre Mutter Ihnen einst einen neuen Namen gegeben hat ...
Mena: Geboren wurde ich als Maria Mena. Als ich zehn war, starb meine Oma und meine Mutter wollte, dass ich den Namen weitertrage. Ab diesem Zeitpunkt hieß ich Viktoria.
teleschau: Haben Sie Ihre Großmutter sehr gemocht?
Mena: Ich kannte Sie nicht. Sie kommt aus Nicaragua, und wir lebten ja in Norwegen.
teleschau: Trotzdem hat Ihre Mutter Sie umbenannt?
Mena: Ja, ich weiß, das ist komisch. Der Name gehörte auch nie zu mir, blieb mir immer fremd. Vor zwei Jahren machte ich eine Veränderung in meinem Charakter aus, dann dachte ich, das wäre Viktoria. Es dauerte eine Weile, aber jetzt ist sie in mein Leben getreten, als starke, zuversichtliche Person. Der Name leitet sich für mich von "victory" ab und sie ist es, die alle meine Ängste ein bisschen besiegt.
teleschau: Dabei hatten Sie mit 15 schon Ihren ersten Erfolg. Beschleunigt diese Erfahrung das Erwachsenwerden?
Mena: Auf jeden Fall, das geht nicht anders, wenn man in diesem Alter eine Karrierefrau werden will. Ich weiß, dass die Menschen in meiner Umgebung sich bemühten, dass ich auch Kind bleiben konnte. Trotzdem bin ich schnell erwachsen geworden und würde es nicht empfehlen.
teleschau: Wieso nicht?
Mena: Ich würde jedem raten, die Schule fertig zu machen. Aber für mich war es der richtige Weg, es war meine Chance, Selbstbewusstsein zu entwickeln - dadurch, dass ich vor anderen Menschen singen durfte.
teleschau: Vor neun Jahren thematisierten Sie die Scheidung Ihrer Eltern in einem Song, 2008 schrieben Sie ein ganzes Album darüber. Ist das ein Thema, das Sie immer wieder einholt und stets begleiten wird?
Mena: Nein, ich habe mich sogar entschieden, nicht mehr darüber zu schreiben. Ich schreibe über Sachen, die mir wichtig sind, und es spielt in meinem momentanen Leben keine Rolle mehr.
teleschau: Ihr Song "Mitt Lille Land" wurde zum tröstenden Song für ganz Norwegen. Welchen Schaden hat Ihr Land durch die Anschläge diesen Sommer genommen?
Mena: Wir sind das gleiche Land, das wir vorher waren, wir sind sogar stärker. Aber es gibt natürlich greifbar viel Traurigkeit - und für die Menschen, die jemanden verloren haben, kann ich nicht sprechen. Niemand hat so etwas erwartet. Wie alle dem entgegentreten, macht mich stolz auf dieses Land.