Bis sich der Traum von Stefan und Jonny endlich erfüllte, vergingen sechs Jahre. Ein schwules Paar will ein gemeinsames Kind großziehen – das ist in Deutschland nicht so einfach. Über die Geschichte der beiden Väter hat Almut Röhrl für den SWR einen Film gemacht, der noch bis Juli 2023 auf der ARD-Mediathek abrufbar ist. Er heißt „Zwei Männer und zwei Babys – aus dem Alltag schwuler Eltern“.
Um Kinder zu bekommen, hat das Paar aus Stuttgart alles Mögliche getan. Zunächst war da der Versuch, ein Kind zu adoptieren. Für eine Adoption waren aber beide Männer bereits zu alt. Die Verantwortung, ein Pflegekind aufzunehmen, erschien ihnen zu groß. Stefan hatte sich bereits damit abgefunden – Jonny kämpfte weiter. Schließlich fanden sie eine Eizellenspenderin und eine Leihmutter in den USA. Zwei befruchtete Eizellen wurden der Leihmutter eingesetzt. Bei der Geburt der Kinder waren die Männer anwesend. Aurelio und Amalia sind Halbgeschwister, sie haben dieselbe Mutter, aber zwei unterschiedliche Väter. Und sie leben heute in einer „Regenbogenfamilie“.
Die Begriffe Regenbogenfamilie und queere Familie bezeichnen Familien von Eltern und Kindern, in denen sich mindestens ein Elternteil als lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, trans- und intergeschlechtlich identifiziert oder sich jenseits von binären Geschlechterkonstruktionen verortet. Häufig wird der Begriff Regenbogenfamilie für gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern verwendet.
Co-Parenting, Pflegeelternschaft und künstliche Befruchtung sind mögliche Wege für gleichgeschlechtliche oder queere Paare, Kinder großzuziehen. Leihmutterschaft ist in Deutschland nicht erlaubt, Eizellenspende ebenso wenig. Seit der „Ehe für alle“ ist auch eine Adoption von Kindern grundsätzlich möglich.
„Leider hat der Gesetzgeber aber die Chance vertan, mit dem Eheöffnungsgesetz auch die notwendigen Anpassungen im Abstammungsrecht vorzunehmen“, beklagt der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland. Es bleibe ein schwieriges Unterfangen. Wollen etwa zwei verheiratete Frauen in Deutschland ein Kind großziehen und wird eine von ihnen durch eine Samenspende schwanger, dann muss ihre Partnerin aufwendig beantragen, das Kind adoptieren zu dürfen. Stiefkindadoptionsverfahren heißt das im Amtsdeutsch.
Dafür muss das Paar viel Persönliches gegenüber Behörden offenlegen. Das aufwendige Verfahren nimmt zudem oft viele Monate oder sogar Jahre in Anspruch. So viel Zeit haben Paare mit Kinderwunsch mitunter nicht. Noch schwieriger ist es für Paare, die nicht verheiratet sind. Solange das Verfahren läuft, ist der adoptierende Elternteil im Unsicheren. Was, wenn dem leiblichen Elternteil in dieser Zeit etwas zustößt?
Bundesregierung will Reform im Familienrecht beschließen
Justizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte im Januar an, dass die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag angekündigte Reform im Familienrecht bis Herbst 2023 beschließen wird. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Pläne sollen unter anderem unverheirateten Paaren, homosexuellen Eheleuten mit Kindern sowie Gemeinschaften, die nicht auf einer Liebesbeziehung fußen, neue rechtliche Möglichkeiten geben. „Die Lebenswirklichkeiten der Menschen in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Im Familienrecht hat sich dies allerdings bisher kaum abgebildet“, sagte Buschmann Anfang des Jahres.
Das Bremer Rat und Tat Zentrum für queeres Leben in der Theodor-Körner-Straße 1 berät umfassend Lesben, Schwule, Bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen mit Kindern oder Kinderwunsch. Caro Schulze ist dort systemische Therapeutin. Sie stellt in den Gesprächen derzeit eine große Unsicherheit bei den Ratsuchenden fest. „Sie fragen sich: Sollen wir unseren Kinderwunsch bis Herbst 2023 aufschieben und die politischen Entscheidungen abwarten?“, berichtet sie.
„Das Verfahren der Stiefkindadoption ist das falsche Instrument für queere oder gleichgeschlechtliche Paare und eine große Hürde“, ist Schulze überzeugt. Auch für das Kind sei das Verfahren unglücklich. „Es ist ja ein Wunschkind und es kommt in eine Familie hinein, in der der zweite Elternteil es adoptieren muss.“
Eine Anerkennung der Elternschaft wie etwa bei heterosexuellen Paaren wäre angemessener. Das fordert unter anderem die Interessengemeinschaft BIG Regenbogenfamilien-Fachkräfte. Die familiäre Vielfalt sei heute Realität, aber in vielen Bereichen und Köpfen noch nicht angekommen, findet Caro Schulze.
Ihr Elternsein leben Stefan und Jonny sehr offen und transparent. Unterstützung bekommen sie von Familie und Freunden. Auch Leihmutter Robin hat die Regenbogenfamilie bereits in Stuttgart besucht. Schwule Eltern? Eines Tages werden die Kinder Fragen stellen – und dann eine eigene Haltung finden müssen.