Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Illegaler Abschuss Was bisher über den toten Wolf von Stubben bekannt ist

Der Fall ist mysteriös: Ein toter Wolf liegt im Wald, durchsiebt von Kugeln aus unterschiedlichen Gewehrläufen. Und: Der Fundort kann nicht der Tatort sein. Was man bislang über den Wolf von Stubben weiß.
20.10.2022, 16:10 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Luise Bär

Als dem Jagdpächter Dieter Fricke am frühen Sonntagabend die Nachricht erreichte, dass ein toter Wolf in seinem Stubbener Revier liege, glaubte er noch an einen Verkehrsunfall. Und weil er nicht vor Ort war und die Dunkelheit bereits einsetzte, fuhr er erst am nächsten Morgen zu der Fundstelle. Schnell wurde ihm dann klar, dass er es mit einem Verbrechen zu tun hat: „Ich war fassungslos. Da lag ein ausgewachsener Wolf, der offensichtlich durch Schusswunden ums Leben kam“. Er informierte den Wolfsberater, die Naturschutzbehörde und die Polizei.

Was passiert mit dem Kadaver?

Der Kadaver wurde sichergestellt und soll, wie berichtet, nach einer tiefgekühlten Zwischenlagerung im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin untersucht werden. Bis abschließende Ergebnisse vorliegen, werden etliche Wochen vergehen. Die Naturschutzbehörde hat Anzeige gegen Unbekannt wegen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz gestellt. Die Tötung eines gesetzlich geschützten Tieres, zu denen der Wolf zählt, ist eine Straftat und die Polizei ermittelt in dieser Sache.

Was weiß man über die Tötung?

Aufgrund der zahlreichen Verletzungen am Wolfskörper ist deutlich, dass mindestens drei Schüsse auf das Tier abgegeben wurden, sowohl aus einem großkalibrigen als auch aus einem kleinkalibrigen Gewehrlauf. Fricke vermutet, es könnten mehrere Waffen zum Einsatz gekommen sein oder es wurde mit einem sogenannten Bockdrilling geschossen, einer Waffe mit drei Gewehrläufen, die Schrot und Kugeln verschiedener Kaliber miteinander kombiniert. Womöglich habe die kleinkalibrige Kugel den Körper nicht durchschlagen und stecke noch im toten Wolf. Das könnte eine Spur zum Täter sein, allerdings auch nur eine vage, es sei denn, die Waffe ist schon einmal ballistisch untersucht worden.

Lesen Sie auch

Ebenso unklar ist, wo der Wolf eigentlich herkam. Die Frage nach der Herkunft des Tiere, eines ausgewachsenen Rüden, kann womöglich das IZW klären, wenn die genetische Untersuchung mit anderen bundesweiten Proben abgeglichen wird.

Wie kam das Tier an den Fundort?

„Aber warum? Wer macht so etwas?“, sind Fragen, die Fricke umtreiben. Der Fundort ist definitiv nicht der Tatort, auch das macht die Spurenlage deutlich. „Der Wolf wurde aber so abgelegt, dass er auch gefunden wird“, meint Fricke. Der oder die Täter müssen Ortskenntnisse gehabt haben, vermutet er. Die Stelle ist an einem häufig von Spaziergängern genutzten Rundweg in einem Wäldchen zwischen Stubben und dem Ortsteil Elfershude. Es war ein sonniger Nachmittag am Sonntag, und womöglich waren hier weitere Spaziergänger unterwegs, die etwas Auffälliges beobachtet haben, hofft Fricke. Lange kann das tote Tier dort jedenfalls nicht gelegen haben. Der Jagdpächter will nicht gänzlich ausschließen, dass er mit der Straftat in seinem Revier persönlich in „Schwierigkeiten“ gebracht werden solle, kann sich jedoch nicht vorstellen, wer das gewollt haben könnte. "Diese Tat bringt zudem die gesamte Jägerschaft in Verruf", ist er überzeugt.

Zum jetzigen Zeitpunkt sei es zu früh, über Tötung und Täter zu spekulieren, die Ermittlungen seien gerade erst aufgenommen worden und die Ergebnisse der Kadaver-Untersuchungen müssten abgewartet werden, äußerte sich ein Sprecher der Polizeiinspektion Cuxhaven. Dennoch stellt sich die Frage, wie das Tier ins Verderben laufen konnte. Viele Jäger haben selbst nach Jahrzehnten in Wald und Flur keine Begegnung mit einem Wolf gehabt. Und selbst wenn es Ausnahmegenehmigungen zum Abschuss gäbe, würden viele aus Angst vor Racheakten von militanten Tierschützen nicht abdrücken, sagen Waidmänner hinter vorgehaltener Hand. Vermutlich ist er also jemandem zufällig vor die Flinte gelaufen.

Ist der Abschuss ein Einzelfall?

Der erschossene Wolf in Stubben ist allerdings kein Einzelfall. Es gebe sehr wohl Menschen, die gezielt Jagd auf Wölfe machen, hatte der Nabu-Landesvorsitzende Niedersachsen, Holger Buschmann nach einer Wolfstötung im Ammerland gesagt. „Das ist kriminelle Selbstjustiz gegenüber streng geschützten Tieren“, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor einem Jahr. Das Wolfsmonitoring der Landesjägerschaft gibt den aktuellen Stand der illegalen Wolfsabschüsse in Niedersachsen mit elf Tieren an.

Lesen Sie auch

Der tote Wolf von Stubben befeuert bei vielen Einwohnern in der Umgebung die Diskussion um die Wiedereinwanderung des Tieres, nachdem es in Deutschland rund 150 Jahre ausgerottet war. Ob beim Einkaufen, Friseur oder an der Bushaltestelle: Gespräche drehen sich um den Wolf – den abgeschossenen und seine Artgenossen, die weiter in der Gegend umher streifen. Da sei zu wenig Platz für sie und der Bestand müsse reguliert werden sagen die einen, Wölfe besetzen eine ökologische Nische und regulieren ihren Bestand selber, sagen andere. „Bürger wollen Fakten schaffen, sie fühlen sich von der Politik hingehalten“, sagt Jagdpächter Dieter Fricke und sieht das als Grund für die illegale Tötung. Einen Teil der Folgen muss nun auch er ausbaden.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)