Hagen. Dieses Fußballspiel der Landesliga Lüneburg hatte alles, was man sich als neutraler Zuschauer nur wünschen konnte. Tolle Treffer, verrückte Wendungen und ein geradezu aberwitziger Schlussakt. Doch als der Schlusspfiff von Schiedsrichter Brian Backhaus nach diesem fast 96-minütigen Spektakel ertönte und das 4:4 des FC Hagen/Uthlede bei der SV Drochtersen/Assel II endgültig feststand, da waren es die Sekunden vor eben jenem letzten Pfiff des Unparteiischen, die FC-Coach Tjark Seidenberg keine Ruhe mehr ließen. Denn was sich da in allerletzter Sekunde kurz vor der Torlinie der Gastgeber abgespielt hatte, war eine dieser Szenen, wie sie anschließend bei Instagram oder Facebook viral gehen. Was war also geschehen?
Gerade hatte Drochtersen/Assel in der vierten Minute der Nachspielzeit per Foulelfmeter das 4:4 erzielt, als das Seidenberg-Team einen letzten Angriff startete. Die Hereingabe von Shaun Minns leitete Marcel Meyer auf den zweiten Pfosten weiter, wo der Ball gerade noch vor dem einschussbereiten Finn-Niklas Klaus geklärt werden konnte und über D/A-Torhüter Klinkmann wieder vor Meyers Füßen landete. Das Tor war leer, Meyer zog ab – traf aber nicht ins verwaiste Tor, sondern seinen Mitspieler Finn-Niklas Klaus, der auf der Torlinie stehend somit für Drochtersen/Assel II rettete. Kurz darauf war Schluss – und die Hagener Spieler sackten kollektiv in sich zusammen.
Meyer schießt, Klaus klärt
„Je öfter man sich diese Szene anschaut, desto bitterer ist das“, brachte es Tjark Seidenberg später auf den Punkt, stellte aber auch klar: „Da kann man weder Marcel noch Finni einen Vorwurf machen. Das war einfach maximales Pech.“ So fühlte sich dieses spektakuläre 4:4-Remis am Ende doch noch ein bisschen an wie eine Niederlage. Doch diese Gefühlslage wurde der Leistung der Hagener keinesfalls gerecht. Denn das Seidenberg-Team hatte besonders in der zweiten Hälfte eine überragende Partie abgeliefert und einen 1:3-Pausenrückstand nicht nur aufgeholt, sondern komplett gedreht.
„Wir haben auch in der ersten Hälfte schon kein schlechtes Spiel gemacht“, merkte Seidenberg an. Aber mit zum Teil krassen individuellen Fehlern luden die Gäste Drochtersen/Assel zum Toreschießen ein. Das frühe 0:1 durch Philipp Aue (7.) konnte der bärenstarke Ole Rös mit einer fantastischen Einzelleistung noch ausgleichen (22.), doch dann legten Tanju Gülüm (25.) und Lukas Schumacher (35.) bis zum Pausenpfiff noch zweimal nach. Auf der anderen Seite traf Jan Hasselmann einmal den Pfosten, einen weiteren Schuss des Angreifers kratzten die Hausherren von der Linie.
Da die Hagener Taktik aber eigentlich gut aufgegangen war, stellte Seidenberg auch nach Wiederanpfiff nicht auf ein aggressiveres Angriffspressing um – die richtige Entscheidung, wie sich recht schnell herausstellen sollte. „Das war eine zweite Hälfte wie aus einem Guss“, schwärmte der FC-Coach anlässlich unzähliger starker Konter, von denen Ole Rös einen zum 2:3-Anschluss erfolgreich abschloss (63.). Spätestens jetzt hatten die Hagener die Partie komplett im Griff, es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis der Ausgleich fallen würde – doch trotz bester Chancen fiel er erst mal nicht. Dann brachte Seidenberg in der 82. Minute Marcel Meyer und der Stürmer brauchte gerade mal vier Minuten, ehe ihm das umjubelte 3:3 gelang. Doch damit hatte Meyer lediglich eine atemberaubende Schlussphase eingeläutet.
In der ersten Minute der Nachspielzeit war der 32-Jährige dann erneut zur Stelle und schien mit seinem 4:3 endgültig zum Helden zu werden. Doch den folgenden Anstoß schlugen die Gastgeber direkt in den Hagener Sechzehner, wo die FC-Defensive nicht klären konnte und in Folge dessen Keeper Tom Petter Rode Drochtersens Julian Budde zu Fall brachte. Philipp Aue verwandelte den fälligen Foulelfmeter zum 4:4, kurz darauf sah Drochtersens Lukas Schumacher sogar noch die Gelb-Rote Karte (90.+5).
Und dann kam die letzte Szene des Spiels, ein letzter schöner Angriff der Hagener – und Meyers letzter Abschluss, bei dem alle Grün-Schwarzen den Jubel bereits auf den Lippen hatten. Doch den allerletzten Ballkontakt der Partie hatte eben Finn-Niklas Klaus an diesem spektakulären Freitagabend. „Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft. Das war eine klasse Leistung, eine fantastische Moral und wirklich guter Fußball. Und trotzdem fährt man nach Hause und denkt, dass wir zwei Punkte liegengelassen haben“, fasste Tjark Seidenberg ein außergewöhnliches Fußballspiel zusammen.
