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Geschäftsbericht Das Tierwohl an erster Stelle sehen

„Bei uns darf das Schwein noch Schwein und das Rind noch Rind sein", sagen Tessa und Philipp Lange. Das Albstedter Landwirtschafts-Ehepaar setzt auf artgerechte Haltung seiner Tiere.
10.11.2020, 05:50 Uhr
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Von Andrea Grotheer

Albstedt. Er heißt Henry, ist acht Jahre alt, stammt aus Luxemburg und wiegt etwa eine Tonne: Ruhig und offensichtlich ganz entspannt steht der Bulle, der mit seinem Stockmaß von etwa 1,70 Meter einen mehr als imposanten Eindruck macht, inmitten seiner Herde auf einer idyllisch gelegenen Weide in Albstedt, einer zur Gemeinde Hagen im Bremischen gehörenden Ortschaft. Selbst der menschliche Besuch auf dem Gelände, das weiträumig eingezäunt ist, scheint ihn nicht zu stören. Für ein Foto mit seinen Besitzern, Tessa und Philipp Lange, lässt er sich sogar mit seiner ganzen gewaltigen Körpermasse auf den Boden gleiten und in die Mitte nehmen. Fast scheint es, als würde er lächeln und ganz bewusst mit den langen Wimpern klimpern.

„Henry hat schon 300 Kinder gezeugt, jedes Jahr 50“, erzählt Philipp Lange nicht ohne Stolz auf das Prachtexemplar, das, wie die Mehrzahl der Rinder auf dem Hof, zur Rasse Limousin zählt. „Wir haben uns für diese Rasse aufgrund ihrer vorzüglichen Fleischqualität entschieden, aber auch, weil man sich auf den Urinstinkt der Muttertiere und das soziale Verhalten in der naturnahen Aufzucht besonders gut verlassen kann. Ihre Leichtkalbigkeit ist ein weiteres positives Merkmal“, so der 35-Jährige.

Nach einer Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker hat er sich im zweiten Anlauf zum Landwirt ausbilden lassen und sich, genau wie Ehefrau Tessa, mit Leib und Seele den Tieren verschrieben. Gemeinsam betreiben die beiden die Limousin- und Duroc-Zucht Lange. Auf dem Hof leben aktuell 140 Rinder, zwölf Pferde, gut 60 Schweine, 30 Hühner und vier Schafe. Duroc ist eine Schweinerasse, die sich durch ihre Widerstandsfähigkeit auszeichnet. „Wir sind ein Vollerwerbsbetrieb mit konventioneller Landwirtschaft und einem Nischenprodukt“, sagt Philipp Lange mit Blick auf die Art der Tierhaltung. „Billiges Schweine- und Rindfleisch aus großen Mastställen ohne Auslauf ist heute leider normal geworden. Anders bei uns, hier darf das Schwein noch Schwein und das Rind noch Rind sein“, betont das Ehepaar. „Zahlreiche Lebensmittelskandale, aber vor allem die Undurchsichtigkeit der Lebensmittelproduktion mit vielen Zusatzstoffen haben in uns den Wunsch geweckt, der industriellen Produktion zu trotzen und transparente, ehrliche und traditionelle Lebensmittel selber zu produzieren.“

Dazu gehört auf dem Hof Lange die ganzjährige Weidehaltung der Rinder und die offene Stallhaltung mit Stroheinstreu bei den Schweinen. Die Kälber und die Ferkel bleiben bei ihren Müttern, die Schweine werden nicht gemästet, sondern wachsen langsam auf. „Ein Schwein wird bei uns doppelt so alt wie in der industriellen Produktion und hat etwa zehnmal so viel Platz im Stall“, sagt Philipp Lange.

Den Hof hatten seine Eltern bereits 1983 als Resthof mit einem Hektar Land gekauft, Landwirtschaft wurde damals jedoch nicht betrieben. 2007 ergab sich für den Albstedter die Möglichkeit, den benachbarten Betrieb mit 36 Hektar Land aus einer Zwangsversteigerung zu erwerben. Auch durch freiwilligen Landtausch unter Nachbarn kam noch einiges hinzu, sodass der Familienbetrieb heute etwa 70 Hektar Grün- und Weideland in Albstedt bewirtschaftet. Für die Schweinezucht gibt es eine zweite Hofstelle in Albstedt, die den Betrieb vor einiger Zeit erweitert hat. „Ich wurde anfangs belächelt, habe mich aber schon immer brennend für Landwirtschaft interessiert“, erzählt Philipp Lange, der seine zweijährige Ausbildung zum staatlichen geprüften Wirtschafter 2012 abschließen konnte. „Da hatte ich das erste Mal das Gefühl: Das ist das Richtige“, hört man seine Begeisterung in jedem Wort. Mit der Mutterkuhhaltung sei er ein absoluter Exot gewesen. „Ich konnte ja nicht wissen, dass die Nachfrage so explodieren würde“, freut er sich über die sehr positive Resonanz seiner Kunden und dass er offensichtlich den Zeitgeist mit seiner Vorstellung der Tierhaltung getroffen hat.

Auch Tessa Lange ist schon früh mit Tieren in Berührung gekommen, in ihrem Elternhaus in Stubben gab es Hunde und Pferdehaltung. Nach einer achtjährigen Tätigkeit als tiermedizinische Fachangestellte arbeitete sie als Herdenmanagerin in einem Milchviehbetrieb. „Auf unserem Hof kümmere ich mich hauptsächlich um die Tiere, kann aber auch mit Maschinen umgehen“, erzählt die zweifache Mutter. Zur Familie gehören ebenfalls der vierjährige Matz und die sechsjährige Marly. Auch die Eltern von Philipp Lange wohnen in dem Mehrgenerationenhaus.

Ihr Konzept wollen die Langes regional halten: „Das Schlachten übernimmt die Landschlachterei Schöwe in Sandstedt“, erzählt Philipp Lange. „Das Fleisch verkaufen wir ausschließlich auf Bestellung ab Hof, dabei wird das ganze Tier verwertet und wertgeschätzt“, betont der Landwirt. Dabei gebe es viele Stammkunden. „Der Durchschnittskunde kauft viermal im Jahr sein Fleisch bei uns“, zeige die Erfahrung. Auch Hofführungen, bei denen sich Interessierte über die Tierhaltung informieren können, bietet das Ehepaar an.

Weitere Informationen gibt es unter www.limousinzucht-lange.de oder unter Telefon 04746/931428 oder 0162/2447008.

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