Hagen. Aktuell weilt Tjark Seidenberg in Düsseldorf. Auf der Mannschaftsfahrt des FC Hagen/Uthlede wird der Trainer dabei sicher noch das eine oder andere Mal mit seinen Spielern auf eine ziemlich gelungenen Saison in der Fußball-Landesliga Lüneburg anstoßen. Platz vier in der Endabrechnung – das ist etwas, was der Hagener Coach im Vorfeld der Spielzeit blind und ohne lange zu überlegen unterschrieben hätte. Denn Seidenberg gibt unumwunden zu, dass es vor rund zwölf Monaten doch zahlreiche Skeptiker rund um die Blumenstraße gegeben hat.
So richtig zu spüren bekam er das allerdings erst gegen Ende der Saison. Dann nämlich, als Seidenberg plötzlich immer wieder von Zuschauern und Vereinsmitgliedern angesprochen wurde: "Da haben mir sehr viele Menschen gesagt, dass sie doch große Zweifel hatten, ob wir nicht vielleicht sogar durchgereicht werden, und wie erleichtert sie jetzt sind, dass es eine so gute Saison geworden ist." Zur Erinnerung: Vor rund einem Jahr waren die Grün-Schwarzen sang- und klanglos aus der Oberliga Niedersachsen abgestiegen, hatten mit Kapitän Marlo Burdorf, Torhüter Yannik Becker und Regisseur Kai Diesing drei langjährige Leistungsträger verloren. "Das war wirklich ein extremer Schnitt im letzten Sommer", erinnert sich Seidenberg. "Die Jungs mussten sich ja teilweise komplett neu kennenlernen."
Genau das war aber rückblickend auch ein ganz entscheidender Punkt beim Neuanfang. Denn Seidenberg macht keinen Hehl daraus, dass die Stimmung im letzten Oberliga-Jahr alles andere als gut war. Doch durch die vielen Ab- und Neuzugänge veränderte sich das Klima zwangsläufig. "Die Mannschaft musste sich quasi eine neue Identität aneignen", umschreibt es Tjark Seidenberg. Und das klappte zunächst sensationell gut. Die Kicker von der Blumenstraße spielten eine prima Vorbereitung und starteten dann mit fünf Siegen aus den ersten sechs Spielen furios in die Saison. Mit 15 Zählern und einem beeindruckenden Torverhältnis von 20:3 reihte man sich hinter dem SV Bornreihe auf Rang zwei ein. Die "Moorteufel" kamen zu diesem frühen Zeitpunkt auf 18:7 Tore und 18 Punkte – weil sie das direkte Duell in Hagen am ersten Spieltag mit 2:1 gewonnen hatten.
Nicht nur dieses Aufeinandertreffen ließ Seidenberg mit dem Gefühl zurück, dass sein Team durchaus mit den Top-3 der Liga, neben Bornreihe der TuS Harsefeld und Vizemeister FC Verden 04, mithalten kann. Im Rückspiel in Bornreihe gab es ein 1:1, gegen Verden holte das Team vier Punkte, in Harsefeld gab es beim 4:6 eines der spektakulärsten Spiele der Saison zu bestaunen. "Ohne Frage hat die Mannschaft das Potenzial, um auch noch besser in der Tabelle abzuschneiden", glaubt Tjark Seidenberg. Auf der anderen Seite weiß der Coach aber auch genau: "Wir haben nach unserem klasse Start auch einige Hänger gehabt." Und die hatten die Grün-Schwarzen vornehmlich gegen Teams aus der unteren Tabellenregion.
So geschehen im März, den Seidenberg rückblickend als "grausam" und eine "Tiefpunkt der Saison" beschreibt. Einem desaströsen 1:5 beim späteren Absteiger Hedendorf-Neukloster folgte ein ebenso enttäuschendes 0:1 beim TuS Neetze. "Nach diesen beiden Spielen haben wir uns zusammengesetzt, um Lösungen zu finden und gemeinsam zu überlegen, was wir verändern wollen." Und diese Maßnahmen fruchteten. Seitdem ging es gefühlt stetig bergauf beim Seidenberg-Team. "Die letzten sieben, acht Spiele waren dann wirklich gut, da haben wir uns auch fußballerisch noch einmal weiterentwickelt", so der Hagener Coach.
Dennoch war die Punkteausbeute der Rückrunde (26 Punkte) am Ende schlechter als die der Hinrunde (32), was gefühlsmäßig gar nicht zur allgemeinen Stimmungslage an der Blumenstraße passte, aber natürlich dem erwähnten Saisonstart geschuldet war. "Am Ende passt der vierte Tabellenplatz schon sehr gut, wenn man unsere Leistungen über die ganze Saison anschaut", sagt Tjark Seidenberg. Um ganz oben zu landen, müsse halt alles passen. Und das war vor allem personell nicht immer der Fall. So fielen wichtige Akteure immer wieder verletzt aus, allen voran natürlich Finn-Niklas Klaus, der aufgrund eines Handgelenkbruchs etliche Spiele verpasste. Auch Fabio Hausmann, Clemens Schoppenhauer oder Rouven Stürcken mussten zwischenzeitlich immer mal wieder passen.
Hasselmanns großer Schritt
Letzteren zählt Tjark Seidenberg neben Jan Hasselmann übrigens zu den positivsten Überraschungen der Spielzeit. Zwar hätten sich viele Akteure richtig gut entwickelt, doch Stürcken habe dabei mit einer "beeindruckenden Konstanz" herausgeragt. Und das, obwohl der 23-Jährige zuvor nur in der Bezirksliga gespielt hatte. Noch größer war der Sprung bei Jan Hasselmann, der in den vergangenen fünf Jahren ausschließlich in der zweiten oder sogar dritten Mannschaft der Hagener aufgelaufen war. "Und mittlerweile ist Jan ein absoluter Leistungsträger in unserem Team", stellt Tjark Seidenberg zufrieden fest.

Spielte eine ganz starke Saison: Hagens Mittelfeldmann Rouven Stürcken.
Genau das, die Entwicklung junger Spieler in einem gesunden Kollektiv, steht auch in der kommenden Saison im Mittelpunkt der Seidenberg'schen Philosophie. Der Kader bleibt größtenteils zusammen, die meisten Leistungsträger haben zugesagt. Ab September ist auch der neue Kunstrasenplatz bespielbar – es sind rosige Aussichten beim FC. Das sah vor rund zwölf Monaten noch ganz anders aus. Doch diese unsicheren Zeiten scheinen an der Blumenstraße endgültig vorbei zu sein.