Landkreis Diepholz/Syke. "Unsere Kinder lernen, mit dem Kopf zu arbeiten. Mit den Händen arbeiten sollen dann andere." Mit dieser provokanten These an der Wand hinter sich, versuchte nun der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hannover, Carl-Michael Vogt, der niederländischen Lehrer-Delegation in den Berufsbildenden Schulen (BBS) Syke zu erklären, welches Dilemma nicht nur an deutschen Schulen herrsche: Immer weniger junge Menschen wollen ein Handwerk lernen.

Carl-Michael Vogt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hannover, referierte vor der holländischen Delegation in der BBS Syke.
Die Delegation des niederländischen MBO-Rats als Dachorganisation von rund 60 beruflichen Schulen hatte den technischen Bereich der BBS in Syke besucht. Ziel des Besuchs war, einen Eindruck davon zu bekommen, wie berufliche Bildung in Deutschland sich auf die Herausforderungen der Zukunft einstellt. "Wir machen einmal im Jahr eine Studienvisite. Vergangenes Jahr waren wir in Kanada. Aber jetzt haben wir gedacht: Deutschland ist so nah, und wir haben die gleichen Probleme", erzählte Mirjam van den Broek vom MBO-Rat im Anschluss an das offizielle Programm: "In Groningen wie in Bremen wollen wir weg vom Gas und brauchen eine Wärmepumpeninitiative."
Wer soll die Wärmewende umsetzen?
Nur: Wer soll all die Wärmepumpen bauen und installieren? Carl-Michael Vogt wies in seinem Vortrag darauf hin, dass allein 4000 zusätzliche Handwerker benötigt würden, um das angepeilte Ziel einer klimaneutralen Landeshauptstadt Hannover bis 2030 zu erreichen. "Junge Menschen könnten mit einem Handwerksberuf ökologische Transformation betreiben", warb er. Derzeit sei der "Trend zur Akademisierung zwar geschwächt, aber noch nicht gebrochen". Handwerkliche Berufe hätten an Ansehen verloren. Bildungsgänge, die die Theorie stärker betonen, seien bei jungen Menschen attraktiver als eine praktische Ausbildung – und das, obwohl 30 Prozent der Studierenden abbrechen würden.
Vogt forderte, dass Elternhaus und Schule "den Wert handwerklicher Ausbildung erkennen" müssten: Akademische Bildung müsse gleichwertig sein mit der dualen Berufsausbildung. Vorab wünschte er sich jedoch, "dass einfach alle Menschen in Deutschland gut lesen könnten" – das würde vieles erleichtern.
Studium wird oft bevorzugt
In den Niederlanden gebe es zwar auch ein duales Ausbildungssystem, beispielsweise in technischen und pflegerischen Berufen. Normal sei jedoch ein Studium mit praktischen Anteilen, erläuterte Mirjam van den Broek vom MBO-Rat. Der Rat sehe sich als Bindeglied zwischen Schulen und der Politik und habe etwa 100 Mitarbeiter. Bezahlt würden diese von den Schulen.

Mirjam van den Broek im Gespräch an der BBS Syke.
Die niederländische Delegation hatte nach der Begrüßung durch den BBS-Schulleiter Horst Burghardt unter anderem den neuen Bildungsgang Ingenieurswissenschaften im beruflichen Gymnasium besucht, die CNC-Verarbeitung im Holz- und Baubereich gesehen und Lackiermaschinen im Bereich Farbtechnik. Im Sanitär- und Heizungsbereich ging es um Wasserstoffheizungen und Wärmepumpen sowie im neuen Kraftfahrzeugbereich um E-Mobilität.
"Die Zusammenarbeit ist sehr, sehr bereichernd", beschrieb Silke Hillermann, Abteilungsleiterin für Internationalisierung an den BBS, das Ergebnis des Besuchs. Für das kommende Jahr sei ein Gegenbesuch geplant. Die niederländischen Gäste wiederum hatten sich noch Ziele in Bremen und Bremerhaven vorgenommen.