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Trecker-Demo Bremer Landwirte verschaffen sich Gehör

Der großen Trecker-Demo am Freitag schließen sich auch mehrere Landwirte aus dem Landkreis Diepholz an. Im Gespräch erklären sie ihre Beweggründe und erläutern ihre Forderungen.
16.01.2020, 17:39 Uhr
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Von Niklas Golitschek

Die Landwirte machen wieder mobil. Mit einer groß angelegten Protestaktion wollen sie an diesem Freitag auf ihre Anliegen aufmerksam machen. Auch im Landkreis Diepholz beteiligen sich zahlreiche Landwirte an der Trecker-Demonstration in Bremen.

Fünf davon sind Jochen Harries und Andreas Stoffregen aus Wachendorf, Andre Schulenberg aus Stuhr, Rainer Lammers aus Seckenhausen und Stefan Landsberg aus Gessel. Bis auf Harries haben sie alle schon an vorherigen Aktionen teilgenommen, sind nach Oldenburg, Hamburg oder Berlin gefahren, um auf sich aufmerksam zu machen. „Das muss arbeitswirtschaftlich passen“, sagt Harries über seinen späten Einstieg.

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Das Ziel für Harries und seine Kollegen ist klar: „Wir müssen uns Gehör verschaffen.“ Sie sprechen vom Gefühl, die Politik lasse sich von Nichtregierungsorganisationen treiben – ohne die Landwirte selbst in die Gespräche mit einzubeziehen. „Wir haben nicht die Lobby und Masse, um gegenzusteuern“, sagt Harries – die Trecker seien da ein nützliches Hilfsmittel. Sie wünschen sich zudem, dass nicht nur die Verbände gehört werden, sondern auch der Zusammenschluss der Landwirte „Land schafft Verbindung“.

Ihren offiziellen Vertretern bescheinigen sie ebenfalls ein durchwachsenes Zeugnis. „Wir haben das angeleiert, weil der Bauernverband nichts angestoßen hat“, sagt Rainer Lammers. Begonnen habe die zunehmende Unzufriedenheit mit dem Agrarpakt und dem Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten im Vorjahr.„Ein paar Leute haben über Whatsapp geschrieben, dass es so nicht weitergehen kann und wir aktiv werden müssen“, beschreibt Andre Schulenberg den Beginn der Bewegung. Das habe schließlich bundesweite Kreise gezogen, die Landwirte wollen sich nun selbst in die Debatte einbringen.

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Im Gespräch stellen die Landwirte schnell klar, dass sie nicht grundsätzlich gegen neue Verordnungen oder Einschränkungen auf die Straße gehen. Bis zu einem gewissen Grad könnten sie damit leben, sagt Harries, gleichzeitig Ortsbürgermeister in Wachendorf. „Man muss aber mit uns reden und uns in den Prozess mit einbeziehen“, sagt er und bemängelt fehlenden landwirtschaftlichen Hintergrund in den Parlamenten. An oberster Stelle der Forderungen steht deshalb, einen „verlässlichen Rahmen“ zu erhalten.

Ob Biogas, Düngung oder Tierwohl – immer wieder gebe es neue Anforderungen, die teilweise sogar im Gegensatz zueinander stünden, wie Andre Schulenberg ausführt: „Wir könnten CO2 über Humus im Boden speichern, das beißt sich aber mit der Düngemittelverordnung.“ Das gehe durch Maisanbau oder die Wälder. „Wir sind die einzigen, die CO2 speichern können“, betont Rainer Lammers und fragt, wieso also nicht die Landwirte von einer entsprechenden Steuer profitieren sollten. Zudem stören sich die Landwirte an den geringen Zeitabständen zwischen neuer Regulierungen wie bei der Düngemittelverordnung 2017 und 2019.

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„Die Landwirtschaft entwickelt sich langsam“, kommentiert Andre Schulenberg. Heutige Grenzüberschreitungen bei den Nitratwerten im Grundwasser seien der Bewirtschaftung der Ackerflächen von vor zehn bis 20 Jahren geschuldet: „Die Verschärfungen kommen zu schnell.“ Dabei sei es noch gar nicht möglich, die Auswirkungen der Verordnung aus 2017 zu bewerten. Bei den Messungen bemängeln die Landwirte darüber hinaus, dass das Messstellennetz nicht korrekt angegeben worden sei und so im EU-Vergleich die Werte schlechter als tatsächlich dargestellt würden. „Die EU-Vorgaben müssen für alle Länder gleich sein“, sagt Schulenberg. „Wir fühlen uns veräppelt“, ergänzt Stefan Landsberg.

Die Landwirte beschleiche das Gefühl, dass in der Politik etwas verschlafen worden sei und sich nun keiner zuständig fühle. Schließlich hätten sie sich immer an die Gesetze gehalten, betont Landsberg: „Wir sind hier im Wasserschutzgebiet und haben seit 30 Jahren eine Beratung. Da haben wir alles mitgemacht.“ Und trotzdem kämen immer wieder neue Auflagen. „Uns läuft die Zeit weg. Bald ist Bestellungsphase und wir wissen nicht, ob wir zur Zwischenfrucht im Herbst organischen Dünger ausbringen dürfen“, sagt Jochen Harries. Den Landwirten gehe es auch nicht um Gülleentsorgung, sondern nachhaltigen Ackerbau. Dafür benötige es gleichzeitig verlässliche Regeln. „Wir haben andere Finanzierungszeiten“, merkt Harries an.

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Auch beim Tierwohl lasse sich noch etwas verbessern, ein Schweinestall werde jedoch für 20 Jahre angelegt: „Wir können den nicht alle fünf Jahre umbauen.“ Klar sei auch, dass es bei steigenden Löhnen und Kosten solche Veränderungen nicht zum Nulltarif geben könne. Gleichzeitig würden die Landwirte jedoch angehalten, diese Preissteigerungen nicht an die Verbraucher weiterzugeben. „Wir sind die letzten in der Kette“, beklagt auch Andre Schulenberg.

Ein Beispiel aus eigener Erfahrung nennt Stefan Schulenberg bei den Kartoffeln: Seine Genossenschaft habe im Vorjahr bei der Fabrik angeregt, den Preis für eine Tüte Pommes um 30 Cent zu erhöhen und die Mehreinnahmen an die Erzeuger weiterzuleiten. Vergebens. Es sei damit gedroht worden, anderen Lieferanten mit günstigeren Preisen den Vorzug zu geben. „Wir können mit den Auflagen nicht so günstig produzieren wie das Nicht-EU-Ausland“, sagt Rainer Lammers.

Um für die eigenen Anliegen Gehör zu finden, ist es aus Sicht von Andre Schulenberg und seinen Kollegen notwendig, mehr zu kommunizieren und sich zu zeigen. „Die Bevölkerung ist zu weit weg von der Landwirtschaft“, beobachtet er. Wertschätzung und Bewusstsein für Nahrung fehlten, weshalb wieder mehr über Herstellung und Abläufe informiert werden müsse. Die Proteste sollen den Grundstein dafür legen.

Info

Zur Sache

Ablauf

Zu dem Protest am Freitag werden bis zu 4000 Traktoren in Bremen erwartet. Dort wollen Vertreter des Agrarbündnisses „Land schafft Verbindung“ Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) ein Positionspapier übergeben. Der Protest richtet gegen das von der Bundesregierung geschnürte Agrarpaket mit Auflagen zum Insektenschutz und dem Tierwohllabel. Im Landkreis Diepholz warnt der Fachdienst Straßenverkehrswesen deshalb vor Verkehrsbehinderungen auf der B 61 ab Sulingen, der B 51 ab Bassum und der B 6 im Bereich Stuhr-Brinkum. Die ersten Konvois sollen gegen 8 Uhr starten. In Weyhe kommt es außerdem zu Behinderungen vom Ortseingang Ahausen entlang der Rieder Straße (L 331) bis zur Landesgrenze Niedersachsen/Bremen, da ein Konvoi aus dem Bereich Soltau kommend diese Route entlangfährt, wie die Gemeinde Weyhe mitteilt. Die Polizei rechnet in den Stunden vor der Kundgebung um 13 Uhr und nach Ende der Demonstration gegen 15 Uhr mit Verzögerungen und längeren Fahrzeiten im gesamten Bremer Umland.

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