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Datenkolumne Alles auf Neustart bei Twitter?

Erst seit kurzer Zeit ist Tech-Milliardär Elon Musk Inhaber des Kurznachrichtendienstes Twitter. Doch er hat bereits für viel Wirbel gesorgt.
14.11.2022, 14:35 Uhr
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Von Sven Venzke-Caprarese und Dennis-Kenji Kipker

Seitdem der US-amerikanische Milliardär und Tech-Investor Elon Musk Ende Oktober den bekannten Kurznachrichtendienst Twitter übernommen hat, steht bei dem Sozialen Netzwerk kein Stein mehr auf dem anderen. Twitter, das im März 2006 vom amerikanischen Softwareentwickler Jack Dorsey begründet wurde, revolutionierte die Kommunikation und Nachrichtenübermittlung im Netz. Die Idee dahinter ist einfach wie genial: Jedermann kann maximal 280 Zeichen lange Textnachrichten, sogenannte Tweets, verfassen und mit einem öffentlichen Publikum teilen. Die Tweets des Nutzers werden sodann in seiner Chronologie als öffentliches Nachrichtentagebuch gespeichert. Besonderheit bislang ebenfalls: Die Nutzung von Twitter ist umsonst.

Dabei spricht der Erfolg von Twitter für sich. Schon nach wenigen Jahren zählte das Netzwerk mehrere Hundert Millionen Nutzer und wird mittlerweile von Regierungen, Politikern, Aktivisten, Unternehmen, Journalisten, Organisationen und Influencern weltweit aktiv genutzt.

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Mit dieser Macht über die Nachrichtenberichterstattung geht jedoch auch eine immer größere gesellschaftliche, politische und soziale Verantwortung von Twitter einher, der das Netzwerk in den vergangenen Jahren nicht immer nachkam. Insbesondere mit dem Beginn der Corona-Pandemie wurde vielfach Desinformation über Twitter verbreitet, bis hin zum Sturm auf das US-Kapitol in Washington, der maßgeblich durch Tweets des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump initiiert wurde. Trumps Twitter-Account wurde daraufhin dauerhaft gesperrt. Derlei Ereignisse hatten auch zur Folge, dass die Europäische Union eine Gesetzgebung erarbeitete, die sich ausschließlich mit der Regulierung großer Sozialer Netzwerke mit erheblicher Einflusskraft befasst.

Auch Elon Musk ist schon seit Jahren ein sehr aktiver Twitter-Nutzer – mit berühmt-berüchtigten und teils provokanten Statements, die er dort regelmäßig mit seinen knapp 80 Millionen Followern öffentlich teilt. Die Löschung des Trump-Accounts jedoch war ihm schon seit Längerem ein Dorn im Auge. Dies hätte seiner Meinung nach die Meinungsfreiheit in den USA untergraben. Auch deshalb erwog der US-Unternehmer schon seit Anfang des Jahres, eine eigene Social-Media-Plattform zu gründen, um kurze Zeit später fast zehn Prozent der Unternehmensanteile von Twitter zu kaufen und einen Übernahmeversuch zu starten. Einige Monate lang war sodann unklar, ob Musk Twitter tatsächlich übernehmen würde, im Sommer wurde dies sogar offiziell von ihm dementiert – bis es schließlich Schlag auf Schlag im Oktober doch noch zur Übernahme kam.

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Seither ist bei Twitter nichts mehr beim Alten – gefühlt hat es in den letzten zwei Wochen seit der Übernahme sogar mehr Veränderung im Sozialen Netzwerk gegeben als je zuvor. So hat Musk nicht nur mit sofortiger Wirkung Schlüsselfiguren aus dem Management entlassen, sondern auch 3700 der 7500 Angestellten – teils sogar in Videokonferenzen. Dies zog nicht nur als verfehlte Personalpolitik erhebliche Kritik nach sich. Aktivisten und Bürgerrechtsorganisationen befürchten nun auch, dass mit den Plänen von Musk zur unbegrenzten Meinungsfreiheit im Netz Twitter zu einem Hort für Hassrede, Desinformation und Fake News werden könnte. Diese Befürchtung ist auch nicht unbegründet, denn Musk hat ebenfalls zahlreiche Personen entlassen, die für die Content-Moderation und die Einhaltung ethischer Prinzipien des Sozialen Netzwerks zuständig waren. Große Werbekunden wie Audi oder General Motors haben in Anbetracht dieser Umstände bereits ihre Twitter-Werbung pausiert.

Doch warum stürzt Musk die Plattform Twitter nun „ins Chaos“, wie manch einer schreibt, und wie geht es weiter? Fakt ist: Twitter steht tief in den roten Zahlen und hat Milliardenschulden, das Unternehmen ist unrentabel. Selbst Jack Dorsey entschuldigte sich jüngst für das aktuelle Vorgehen von Elon Musk und gab zu, dass er das Netzwerk zu schnell habe wachsen lassen und er damit eine Teilschuld an der aktuellen Personalpolitik trägt. Dementsprechend erscheint es zunächst aus betriebswirtschaftlicher Sicht logisch, so viele Kosten so schnell wie nur irgend möglich einsparen zu wollen.

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Ob der von Musk aktuell dafür gewählte Weg auch der richtige ist, mag jedoch mehr als zweifelhaft sein. So lebt ein Soziales Netzwerk nicht nur von seinen Mitgliedern und Werbekunden, sondern insbesondere auch von der Content-Moderation. Eine Plattform, auf der Gerüchte und Fake News kursieren, schadet im Ergebnis der Meinungsfreiheit und dem demokratischen Miteinander. Dies zeigt sich auch daran, dass sich seit der Übernahme durch Elon Musk die Zahl an Falschnachrichten bereits deutlich erhöht hat. Twitter und damit auch dessen Betreiber stehen in der Verantwortung und Pflicht, das Netzwerk auch jenseits einer rein wirtschaftlichen Dimension ethisch und gesetzmäßig zu betreiben. Es bleibt deshalb nur zu hoffen, dass sich Elon Musk als neuer „Chief Twit“ dieser Aufgabe würdig erweist.

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