Verden/Stuhr-Brinkum. Im Prozess um erpresserischen Menschenraub, schweren Raub und gefährliche Körperverletzung versucht die Zehnte Große Strafkammer des Landgerichts Verden weiterhin, vor allem die möglichen Hintergründe des komplexen Tatgeschehens zu erhellen. Während das mutmaßliche Opfer, ein 40-jähriger Geschäftsmann aus Hannover, bereits ausgiebig geschildert hat, was für einen „Albtraum“ er am 5. Februar 2022 in einer Brinkumer Lagerhalle erlebt habe, war von den drei Angeklagten bislang nichts zu hören. Aber beim kompletten Schweigen soll es offenbar nicht bleiben, wie es am Freitag hieß.
Zumindest zwei junge Männer des Trios wollen sich dem Vernehmen nach zu den Vorwürfen äußern. Die Pflichtverteidiger des 22-jährigen gebürtigen Bassumers sowie des 26-jährigen Hauptangeklagten aus Bremen kündigten an: „Es kommen noch Einlassungen.“ Wann dies der Fall sein wird, bleibt vorerst abzuwarten. Ein weiterer Verteidiger des 26-Jährigen konnte zum achten Verhandlungstermin aus Krankheitsgründen nicht erscheinen.
Dem 40-Jährigen, der an zwei Tagen stundenlang auf dem Zeugenplatz ausharren musste, haben alle Anwälte schon ebenso intensiv wie energisch auf den Zahn gefühlt. Dabei ging es auffälligerweise immer wieder darum, was für Geschäfte der Mann in den vergangenen Jahren getätigt haben soll – welcher Art, welchen Umfangs, mit welchen Partnern, wo und wohin. Auch zu Familienangehörigen in seinem Heimatland Jordanien wurden dem Mann wiederholt Fragen gestellt. Der Betreiber mehrerer Mobilfunkshops soll seinerzeit auf eine fingierte Verkaufsanzeige reagiert und zusammen mit einem ehemaligen Mitarbeiter zum vereinbarten Treffpunkt im Industriegebiet in Brinkum-Nord erschienen sein.
Tat hat Folgen bis heute
Was ihm dann laut Anklage und eigener Aussage in der Gewalt der Täter alles widerfahren ist, hat bis heute Folgen. Dass der Mann psychisch beeinträchtigt und auf Medikamente angewiesen sei, bestätigte jetzt die Ehefrau, die als weitere Zeugin vernommen wurde. Die 28-Jährige berichtete darüber hinaus, dass sie an jenem Tag vor rund anderthalb Jahren häufig und vergeblich versucht habe, ihren Mann auf dem Handy zu erreichen. Die schwerkranke Frau hatte wieder einige Tage im Krankenhaus zu verbringen und wunderte sich über die anhaltende Funkstille. Er habe sonst „ständig angerufen“, wenn sie in der Klinik war. Morgens habe er nur mitgeteilt, dass er aus geschäftlichen Gründen nach Bremen fahren werde.
Es sei wieder um Elektrogeräte gegangen, die er erwerben wolle, so die Zeugin. Irgendwann sei bei ihren Anrufen kein Klingelzeichen mehr ertönt, dann seien Anrufe auch „weggedrückt“ worden. Sie habe sich zunehmend Sorgen gemacht und schließlich in ihrer Verzweiflung bei der Bremer Polizei angerufen. Noch am selben Abend habe sie dann über Umwege erfahren, dass ihr Mann in einem Krankenhaus sei und operiert werden müsse. Der Prozess wird am Donnerstag, 14. September, fortgesetzt.