Verden/Stuhr-Brinkum. Über Stunden war der große Saal des Landgerichts Verden in den vergangenen Tagen eine Art Kino. Im Prozess um erpresserischen Menschenraub und mehr richteten sich die Blicke aller Anwesenden auf eine Leinwand links oben über dem Richtertisch. Dort waren zahlreiche Sequenzen der Videoaufnahmen von den diversen Überwachungskameras auf dem Areal des mutmaßlichen Tatortes zu sehen. Am 5. Februar 2022, einem Sonnabend, soll sich ein Geschäftsmann aus Hannover in einer Lagerhalle an der Gottlieb-Daimler-Straße in Brinkum von mittags bis zum späten Nachmittag in der Gewalt der drei Angeklagten befunden haben.
Beim mittlerweile zwölften Verhandlungstermin stand am Freitag zunächst noch eine Fortsetzung der umfangreichen „Filmschau“ auf dem Programm. Danach wollte die Zehnte Große Strafkammer gerne wissen, ob sich die Angeklagten denn auf den Videos „selbst wiedererkennen“. Die Frage schon einmal gestellt, wurde den jungen Männern und ihren Verteidigern eine kurze Pause zwecks Besprechung gewährt. Eine Antwort, die schlicht „ja“ lautete, lieferte dann nur der 26-Jährige aus Bremen, der nach den Ermittlungen und Zeugenaussagen als Vorrangiger bei dem brutalen Geschehen gilt.
Er ist laut Ankündigung auch bereit, sich zu den Vorwürfen zu äußern beziehungsweise eine Erklärung vortragen zu lassen. Dies lässt allerdings bis dato auf sich warten. Ein Anfang wurde jetzt aber immerhin gemacht. Einer der insgesamt drei Anwälte des Mannes verlas später eine knappe Vita samt Information zur derzeitigen Tätigkeit. Tenor: „vollbeschäftigt als Hausmann“. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, wie der drei-, bald vierfache Vater es mit Betäubungsmitteln halte, hieß es knapp: „Keine Angaben zu Alkohol und Drogen“.
Weitere Termine angesetzt
Während von dem 24-jährigen Angeklagten aus Syke offenbar keine Aussagen zu erwarten sind, wurde für den Jüngsten im Dreierbunde, einen aus Bassum stammenden 22-Jährigen, ebenfalls eine Erklärung in Aussicht gestellt. Darauf verwies nun noch einmal die Verdener Pflichtverteidigerin, als es um das Erkennen auf den Videos ging. Dazu sollten „heute ausdrücklich keine Angaben“ gemacht werden, dies sei der Einlassung vorbehalten. Dem Vernehmen nach wird beim nächsten Fortsetzungstermin am 13. Oktober etwas zu hören sein. Die Kammer hat inzwischen noch drei weitere Fortsetzungstermine anberaumt, jedoch erst für November.
Die Verfahrensbeteiligten hätten auch gern persönlich etwas von dem Mann erfahren, der an jenem Februartag zum zweiten Opfer der Angeklagten geworden sein soll. Aber der 42-Jährige, der den Handyshop-Betreiber aus Hannover nach Brinkum begleitet hatte, ist unbekannten Aufenthalts. Davon hatte der Hauptgeschädigte schon während seiner zweitägigen gerichtlichen Vernehmung im August berichtet. Der Mann habe bei ihm gearbeitet und sei ab Mai vorigen Jahres einige Zeit verschwunden gewesen, sagte der 40-Jährige. Derweil sei der Verdacht aufgekommen, dass er – sinngemäß – betrügerische Geschäfte mit Handyverträgen gemacht haben könnte. Bei seinem Wiedererscheinen soll er dies auch zugegeben haben. Es existiere sogar „ein Geständnis von ihm auf Video“.
Im August 2022 verlor sich die Spur des Mannes. Jüngste Nachforschungen haben ergeben, dass er seinerzeit seine Wohnung in der Landeshauptstadt samt Mietschulden verlassen hat und auch nicht in Frankfurt ist, wohin er angeblich wollte. Was aber im Verfahren zur Verfügung steht, sind die Protokolle von insgesamt drei polizeilichen Vernehmungen des Mannes. Sie wurden am Freitag verlesen. Die erste Befragung war in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar im Klinikum Bremen-Mitte erfolgt.
Der Befragte hatte angegeben, er habe mittags vor der Halle auf den Mann gewartet und sei unruhig geworden, weil der nicht wiederkomme und sich nicht am Telefon melde. Er sei selbst auch von zwei Männern hineingelotst worden. Man habe ihm „eine Pistole in den Rücken gedrückt“ und ihn gezwungen, sein Handy und sein Portemonnaie mit 400 Euro herzugeben. Er sei aber längst nicht so heftig traktiert worden wie der Freund, der schon blutend am Boden lag und dem dann noch ein Messer in den Oberschenkel gestochen worden sei. „Er schrie. Es war ganz, ganz schrecklich.“ Beiden sei auch gedroht worden, wenn sie später zur Polizei gingen, müssten sie damit rechnen zu sterben: „Wir wissen, wo ihr wohnt.“