Stuhr. Der neu gegründete Ausschuss für Klima- und Naturschutz, Naherholung und Tourismus in der Gemeinde Stuhr hat am Donnerstag zum ersten Mal getagt. Das Gremium war ins Leben gerufen worden, um einen stärkeren Fokus auf das Thema Klimaschutz zu legen, wie Erste Gemeinderätin Bettina Scharrelmann in der digitalen Sitzung erklärte. Zuvor sei ein breites Spektrum an Themen im Ausschuss für Gemeindeentwicklung und Umwelt behandelt worden – und zumeist nur dort. "Wir wollen das nun aufgreifen und zeigen, wie ernst wir das Thema nehmen", sagte Scharrelmann. Angedacht sei, dass die Mitglieder des neuen Ausschusses Ideen an die Fachbereiche der Verwaltung herantragen und umgekehrt. In diesem Jahr sollen zunächst Themen gesammelt werden. Die kommenden drei Sitzungen sollen daher sogenannten Clustern zugeordnet werden. So liegt der Fokus beim nächsten Zusammenkommen des Ausschusses am 17. Februar auf dem Bereich Bauen. "Wir werden uns mit den derzeitigen Regelungen beschäftigen und über Innovationen sprechen", gab Scharrelmann einen Ausblick. Fördermöglichkeiten sollen Thema sein, genau wie der Klimaschutz bei kommunalen und privaten Gebäuden.
Am 30. Juni widmen sich die Mitglieder dann dem Themenkomplex Gewerbe und Unternehmen. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung gehe es um eine Bestandsaufnahme, welche Betriebe in Stuhr bereits mit innovativen Ideen zum Klimaschutz vorangehen, aber es soll auch der Frage nachgegangen werden, ob Beratungsangebote für Unternehmen eventuell ausgebaut werden sollen. In der Sitzung am 13. Oktober steht das Thema Verkehr im Mittelpunkt. Gegenstand des Treffens sollen etwa die Linie 8, die Stärkung des ÖPNV und der Ausbau des Radwegenetzes sein. "Zusätzlich zu jeder Sitzung können die Fraktionen aktuelle Anträge stellen", betonte Scharrelmann. Auch wichtige Themen könnten natürlich spontan auf die Tagesordnungen gesetzt werden.
"Mir gefällt die Aufteilung sehr, weil sie den Blick aufs Ganze ermöglicht", sagte Ralph Ahrens (CDU) zum vorgelegten Plan. Gerd Harthus (SPD) freute sich auf eine konstruktive Zusammenarbeit vor dem Hintergrund des Klimawandels, den er als "existenzielle Frage" bezeichnete. Die Ausschussmitglieder verständigten sich im weiteren Sitzungsverlauf auch darauf, einen Antrag der FDP-Fraktion auf ein Konzept zum Baumerhalt zu einem späteren Zeitpunkt zu diskutieren.
Längere Diskussion um Solarpflicht
In der Sitzung war auch ein Antrag der Grünen-Fraktion zur Pflicht von Photovoltaikanlagen bei Neubauten Thema. Dieser war nach längerer Diskussion mit sieben Ja- und sechs Gegenstimmen angenommen worden. Anne-Lene Alyanak (Grüne) erklärte, dass PV-Anlagen auf Dächern schadstoffarm seien und die lokale Wertschöpfung fördern. Nach Ansicht von Michael Schnieder, der für die AfD im Rat sitzt, dem Ausschuss aber nicht angehört, würde eine Pflicht den Bürger zu Investitionen "nötigen". Er bezeichnete dies als "soziale Ungerechtigkeit", die am Ende die Allgemeinheit durch steigende Stromkosten zu tragen hätte.
Stadtplaner Christian Strauß erläuterte, dass es grundsätzlich möglich ist, Klimaschutz als städtebauliches Ziel zu verfolgen und in Bebauungsplänen festzusetzen. Jedoch sei nicht ganz eindeutig, ob sich die Rechtsgrundlage darauf anwenden lässt, Photovoltaikanlagen verbindlich vorzuschreiben. Da müssten örtliche Strukturen beachtet werden, etwa, ob ein Gebiet stark bewaldet ist. Ralph Ahrens (CDU) fragte, ob es sinnvoll ist, sich vollkommen auf eine Technologie festzulegen, zumal es in der Gemeinde auch stark verschattete Gebiete gibt. Er erinnerte auch daran, dass die Änderung von Bebauungsplänen mit rund anderthalb Jahren zeitintensiv sein kann. "Wir wissen nicht, wie sich PV-Anlagen in Zukunft zu neuen Technologien positionieren", gab Ahrens zu bedenken. Marktschwankungen und Rohstoffknappheit könnten zudem zu einer schwierigen Umsetzung führen. Seinem Parteikollegen Uwe Schweers war das Vorhaben ebenfalls "zu schnell gesprungen".
Jörg Böttcher, der für den Nabu im Ausschuss sitzt, fand den Antrag der Grünen zwar "sehr interessant", schlug aber vor, das Thema in der nächsten Sitzung zum Thema Bauen weiter zu diskutieren. Die Installation von Photovoltaikanlagen auf Dächern sei zwar "eine große Investition", jedoch sei auch von steigenden Stromkosten auszugehen. Zudem sei eine Ost-West-Ausrichtung der Anlagen entgegen der häufigen Befürchtung "genauso gut", da die pralle Sonne in der Mittagszeit Haushalten ohne Stromspeicher oft nur wenig nützt. Böttcher fragte, ob auch eine Komplettsanierung von Bestandsgebäuden unter eine Solardachpflicht fallen könnte. Laut Strauß greife, so lange keine wesentlichen Änderungen vorgenommen werden, der Bestandsschutz.
Gerd Harthus (SPD) wertete die Anschaffung einer PV-Anlage als "wirtschaftlich sinnvoll" und geboten angesichts der Energiewende. Heiko Fischer (FDP) plädierte für ein technologieoffenes Vorgehen. Er äußerte auch die Befürchtung, dass Bauherren bei zu starren Vorgaben andernorts bauen könnten. Aus eigener Erfahrung könne er sagen, dass die Amortisierung für die Anlagen dauere.
"Wir können das nicht immer auf die lange Bank schieben", sagte Jürgen Schierholz (Grüne), der auf die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen verwies, die umfassend über die Technologie informiere. Stuhr könne mit einer Solardachpflicht bei Neubauten ein "Leuchtturm" sein. Die Technologie der Solaranlage sei ausgereift. "Da können wir wirklich drauf setzen." Anne-Lene Alyanak wies auf die Fördermöglichkeiten für PV-Anlagen hin. "Wer neu baut, hat noch die Summe von bis zu 20.000 Euro übrig", sagte sie außerdem. Diese Aussage empfand Heiko Fischer als "vermessen". Vielleicht sei die Nutzung klimafreundlicher Technologien eher am individuellen Nutzen zu bemessen, befand Dragan Miletkovic (CDU). Immerhin gebe es bereits viele Anreize durch Förderungen, vielleicht wäre eine generelle Pflicht nicht erforderlich.
Dass auch auf Bundesebene in Zukunft Bestimmungen auf Privathaushalte zukommen, hält Holger Behrens von der Energieberatung Stuhr Plus für wahrscheinlich. Von einer Preissteigerung für PV-Anlagen sei ebenfalls auszugehen. Zu der Frage aus dem Ausschuss, ob mit der Festsetzung von PV-Anlagen im Bebauungsplan potenziell keine anderen Technologien zugelassen sind, konnte Stadtplaner Strauß aus dem Stegreif keine pauschale Antwort geben.