Stuhr/Delmenhorst. Vor dem obersten Gericht hofft die Gemeinde Stuhr, im Streit um den Decathlon-Standort in Brinkum doch noch Recht zu bekommen. Die Stadt Delmenhorst hatte hier die juristische Auseinandersetzung gesucht (wir berichteten). Die Stuhrer Verwaltung hat nach den Urteilen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt, wie Bürgermeister Stephan Korte unserer Zeitung bestätigt: „Unseres Erachtens nach sind der B-Plan und die Baugenehmigung rechtens. So hatte es auch bereits das Verwaltungsgericht gesehen.“
In zwei Urteilen hatte allerdings das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan und die Baugenehmigung für die Decathlon-Filiale an der Robert-Bosch-Straße aufgehoben. Unter anderem beanstandeten die Richter, dass der Bebauungsplan eine Begrenzung für einen Sportfachmarkt mit einer Fläche von bis zu 3700 Quadratmetern vorsah. Korte wundert sich über diese formelle Begründung, denn das Gebiet biete nur Platz für einen Fachmarkt. „Dies hätte das Gericht nach unserer Auffassung im Sinne einer sonst üblichen sogenannten planerhaltenden Auslegung bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen“, sagt er.
Ein weiterer Aspekt ist das Sortiment des Sportfachmarktes. Das OVG Lüneburg urteilte, dass das Integrationsgebot der Raumordnung verletzt worden sei. Denn Sportartikel haben eigentlich Innenstadtrelevanz und sollten entsprechend dort angeboten werden. Decathlon ist dagegen am Rand des Gemeindegebiets angesiedelt. Das Gebot zielt darauf ab, die Innenstadtentwicklung zu schützen. „Dieses Gebot ist nach unserem Dafürhalten aber im Lichte der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort zu betrachten“, sagt Korte. Die Stuhrer Verwaltung nahm deshalb Sportartikel aus der Sortimentsliste, weil die Händler in den Innenstadtbereichen keine Sportartikel anbieten. Entsprechend haben sie aus Verwaltungssicht keine Relevanz und Decathlon macht der Innenstadt mit seinem Sortiment keine Konkurrenz. Bereits das Verwaltungsgericht hatte geurteilt, dass es kein Instrument sein solle, um Wettbewerb zu verhindern.
Hinzu kommt, dass dieses Gebot die Innenstadt der planenden Gemeinde schützen soll – in diesem Fall Stuhr. Deshalb will die Verwaltung vom Bundesverwaltungsgericht prüfen lassen, ob Delmenhorst mit einer solchen Klage überhaupt Erfolg haben kann. Korte argumentiert: „Die Stadt Delmenhorst ist also gar nicht Schutzziel dieses Gebotes und wäre auch gar nicht betroffen, da schon das Verwaltungsgericht feststellte, dass der Umsatzverlust durch Decathlon in Stuhr deutlich unter der Erheblichkeitsschwelle liegt.“ Das habe auch das Lüneburger Oberverwaltungsgericht bestätigt. Gleichzeitig verwehrte es der Gemeinde, die Sportartikel aus der Sortimentsliste zu nehmen, weil sie nicht im Innenstadtbereich zu finden seien. Die gemeindliche Planungshoheit müsse da als Verfassungsrecht höher wiegen, sagt Korte.
Indes hob das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Baugenehmigung auf, weil diese aus ihrer Sicht gegen den ursprünglichen Bebauungsplan verstößt. Die Richter wandten ihn an, weil sie auch den überarbeiteten Bebauungsplan aufhoben. Nach Einschätzung der Stuhrer Verwaltung wäre allerdings ein anderes Vorgehen korrekt: Korte verweist auf Paragraf 34 des Baugesetzbuches. Diesem zufolge muss für die Baugenehmigung geprüft werden, ob sie für die Nachbarn zu Nachteilen führt. Das ist laut der bisherigen Urteile nicht der Fall. Delmenhorst werde aufgrund seiner geografischen Lage von Bremen und Oldenburg deutlich mehr benachteiligt.
Korte wundert sich daher, dass Delmenhorst nicht beanstandete, dass Decathlon Standorte im Bremer Weserpark und der Waterfront eröffnete. Letzterer liege näher an der Delmenhorster Innenstadt als die Brinkumer Filiale. „Es sorgt dann schon für besonderen Unmut hier, dass wir vor diesem Hintergrund von einem Nachbarn verklagt werden“, merkt er an. Das lasse ihn auch an der Sinnhaftigkeit der Mitgliedschaft im Kommunalverband zweifeln.
In den alltäglichen Dingen arbeiteten beide Kommunen weiterhin „ordentlich und professionell“ zusammen, sagt Korte. Gleichwohl belaste eine solche Klage das nachbarschaftliche Verhältnis. Eine Revision vor dem Oberverwaltungsgericht dauere erfahrungsgemäß 15 bis 24 Monate. Von der Entscheidung hänge letztlich das weitere Vorgehen ab.