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Interview mit Stephan Korte „Es soll möglichst bald losgehen“

Im Jahresinterview mit dem WESER-KURIER spricht Stuhrs Bürgermeister Stephan Korte über das vergangene Corona-Jahr und die aktuellen Projekte der Gemeinde. Dazu gehören die Straßenbahn und zwei Ortskerne.
05.01.2021, 16:44 Uhr
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„Es soll möglichst bald losgehen“
Von Eike Wienbarg

Herr Korte, Ihr erstes Jahr als Bürgermeister in Stuhr haben Sie sich wahrscheinlich anders vorgestellt, oder?

Stephan Korte: Ja, komplett. Ich hatte lange Zeit, um mich vorzubereiten und zu überlegen, was zu tun ist. Drei Wochen nach Amtsantritt ist all das aber über den Haufen geworfen worden oder in der Priorität nach hinten gerutscht.

In Stuhr gab es den ersten bestätigten Corona-Fall im Landkreis. Auch die ersten Schulen und Kitas, die schließen mussten, befanden sich in der Gemeinde. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Das kam ziemlich überraschend für uns. Natürlich hatte ich damit gerechnet, dass Corona auch nach Deutschland überschwappt, allein schon aufgrund des Ski-Tourismus'. Der war hier ja letztlich auch der Auslöser. Aber als wir den ersten Fall dann in Stuhr hatten, war es schon überraschend, vermutlich weil es der erste Fall im Landkreis war. Wir haben dann recht schnell eine Art Krisenstab gebildet, in dem wir uns täglich über die aktuelle Lage ausgetauscht und die notwendigen Entscheidungen abgestimmt haben. Für die Verantwortung-Tragenden war es eine besondere Herausforderung. Zu dem Zeitpunkt hatte man in Deutschland noch keine Erfahrung im Umgang mit dem Virus und Positiv-Getesteten. Wir hatten in Stuhr einen positiv getesteten Familienvater, dessen Kinder die Schule und die Kita hier besuchen. Tags drauf wurden die Einrichtungen geschlossen. Das ist heute anders. Es wird nicht mehr mit dem breiten Vorschlaghammer gearbeitet. Man hat mehr Erfahrung und Routine im Umgang mit dem Virus und dessen Verbreitung. Der Landkreis macht das sehr routiniert und unaufgeregt. Das hilft uns sehr.

Sind Sie persönlich gut in Stuhr angekommen?

Ich bin hier persönlich gut angekommen – im Rathaus im Besonderen. Seit Anfang des Jahres habe ich eine Wohnung in Heiligenrode, weil ich mit den Menschen auch im Privaten zusammenkommen möchte. Zudem will ich diese Wohnung auch nach Abendterminen nutzen, um auch mal über den offiziellen Teil hinaus zu bleiben. Vor Corona war mein Terminkalender bis in den Abend prall gefüllt. Nach dem 11. März hat sich das aber schlagartig geändert, weil alle repräsentativen Termine abgesagt werden mussten. Gerade aber das sind Termine, bei denen man die Leute kennenlernt. Darum fühle ich mich schon ein bisschen betrogen. Ich hoffe aber, dass wir mit den nun beginnenden Impfungen im Laufe des Jahres in ein normales Leben zurückkehren können.

Corona hat sich auch auf den Gemeindehaushalt ausgewirkt. Welche finanziellen Folgen könnte die Pandemie haben?

Wir haben gerade die Mitteilung vom Land über die Erstattung von Einnahmeausfällen bekommen und wir werden am Ende unter dem Strich eine knappe Million Euro unter dem Plan bleiben. Das ist gemessen an den ursprünglichen Befürchtungen ein sehr gutes Ergebnis. Zwischenzeitlich tendierten die Einnahmeausfälle zwischen 5,5 und 8,5 Millionen Euro. Wir hatten die ganze Zeit über einen engen Kontakt zu den Unternehmen vor Ort. Bei denen lief es nach eigenem Bekunden ganz gut. Es waren eher Kleingewerbetreibende, die gelitten haben. Alles in allem haben wir aber einen robusten Gewerbemix. Das zahlt sich für die Gemeinde aus. Jetzt müssen wir einfach schauen, wie 2021/2022 läuft. Wobei die Einbrüche nicht mehr so stark sein werden. Ich bin aber grundsätzlich eher ein positiv denkender Mensch und glaube daher, dass wir das meistern werden.

Kommen wir zu den Sachthemen: Wie ist der aktuelle Stand beim Brinkumer Ortskern und wie läuft die Suche nach Investoren nach dem Vermarkterwechsel?

Wir hatten ein Feld von interessierten Investoren, mit denen wir erste Gespräche führten. Diese konnten ihre Vorstellungen im Verwaltungsausschuss präsentieren. Danach haben wir eine Vorauswahl getroffen, mit der wir jetzt in den Dialog zur konkreten Umsetzung eintreten werden. Ich bin da momentan ganz guter Dinge, dass wir da auch zum Abschluss kommen werden. Ich denke, dass wird gegen Ende des nächsten Quartals konkreter werden.

Im vergangenen Jahr kam die Neuigkeit, dass das Gelände um das Bremer Tor miteinbezogen werden soll. Gleich darauf hat das Bremer Tor seinen Hotelbetrieb eingestellt. Wie geht es dort weiter?

Das ist ein zweiter Schauplatz. Es ist unser Ziel, dass im Brinkumer Ortskern ein Hotel betrieben wird. Das steht der Gemeinde und insbesondere Brinkum gut zu Gesicht. Mit immerhin 11 000 Einwohnern ist Brinkum größer als manch eine andere Gemeinde insgesamt. Das sollte man nicht verkennen. Vor dem Hintergrund von Corona ist das aktuell natürlich nicht so einfach. Aber ich vertraue darauf, dass sich auch die Investoren nicht von der aktuellen Situation leiten lassen, sondern ihren Erwägungen eine langfristige Perspektive zugrunde legen. Brinkum ist ein guter Standort, der zum einen verkehrstechnisch optimal liegt und zum anderen aufgrund seiner Nähe zu Bremen Anziehungspunkt für Geschäfts- und Freizeitreisende ist. Ich bin zuversichtlich, dass wir dort ein attraktives Angebot schaffen können.

Wie kam das Umdenken zustande?

Es ist eine Frage, mit der ich mich von Anfang an beschäftigt habe. Für den Rat war es wichtig, dass es bis zur Umsetzung der Ortskernentwicklung weiterhin ein gastronomisches Angebot dort gibt. Damals war man davon ausgegangen, dass man die drei Baufelder deutlich schneller entwickelt bekommt und dann mit dem Bremer Tor nachziehen kann. Aufgrund der zeitlichen Verzögerungen hat sich das ein bisschen anders entwickelt. Wir standen vor der Situation, dass es im Hotel erheblichen Investitionsbedarf gab, sodass ich es richtig fand, das Grundstück bereits jetzt in die Planungen einzubeziehen. Und dem ist der Verwaltungsausschuss gefolgt.

Gleiches Thema, anderer Ort: In Alt-Stuhr geht es jetzt auch an den Ortskern. Wo liegen dort die zentralen Herausforderungen?

Der Ortskern Stuhr ist bisher als solcher kaum wahrnehmbar, auch wenn man die Bewohner fragt. Das Problem sind die vielen Straßen und der Verkehr, und damit müssen wir umgehen. Wir suchen eine Lösung, wie wir trotz dieser Verkehre die Attraktivität erhöhen können. Das wird nicht einfach, da anders als in Brinkum die betroffenen Flächen nicht im Gemeindeeigentum stehen. Wir müssen hier daher eine Vielzahl kleiner Schritte unternehmen. Wir haben zunächst einfach mal gesammelt, welche Ziele es im Ortsteil Stuhr gibt, zu denen man hinfährt. Da kommt man schon auf eine ganze Menge. Jetzt müssen wir im Rahmen von Fachgesprächen ein Konzept entwickeln. Als nächstes wird die Politik über einen Workshop eingebunden, um die mit dem Konzept zu verfolgenden Zielsetzungen und das weitere Vorgehen zu konkretisieren. Auf dieser Basis wird dann die Einbindung der Öffentlichkeit erfolgen. Da wir für das Vorhaben gerne Fördermittel einwerben wollen, haben wir einen gewissen zeitlichen Druck, da die Förderanträge mit dem Konzeptentwurf bis Ende Mai einzureichen sind.

Durch die Pandemie wird es Probleme geben, die Bevölkerung einzubinden. Wie wollen Sie die Bewohner trotzdem mitnehmen?

Das ist in der Tat schwierig. Im Rahmen der Ortskernentwicklung Brinkum haben sich die interessierten Bürgerinnen und Bürger in zahlreichen Präsenzterminen anhand von Entwürfen über die Alternativen ausgetauscht. Dies geht in rein virtuellen Terminen natürlich nicht so einfach. Es wird schwierig sein, wie beim Brinkumer Ortskern auch mal Modelle hin- und herschieben zu können. Aber wir müssen zunächst einmal schauen, wie die Resonanz und das Interesse überhaupt sind. Wir werden einen allgemeinen Aufruf starten und dann eine adäquate Form wählen. In der Gutsscheune Varrel kann man zum Beispiel mit Sicherheit auch mit einer größeren Gruppe unter den Bedingungen von Corona und Abstandsgebot arbeiten. Wir können uns dem aber aktuell nur schrittweise nähern, weil wir nicht wissen, wie groß die Resonanz sein wird. Aber so oder so: Wir werden eine Lösung finden, die es sowohl technikaffinen Menschen als auch Menschen, die weniger IT-affin sind, ermöglicht, sich einzubringen.

Die Verlängerung der Straßenbahn ist so gut wie in trockenen Tüchern, rechtlich ist sie aber noch nicht ganz durch. Welche Aufgaben stehen dort jetzt an?

Wir haben im Rathaus eine Projektgruppe eingerichtet, weil dieses Vorhaben die Kompetenzbereiche verschiedener Fachbereiche betrifft. Zum Beispiel die Bereiche Bau und Stadtplanung, weil es um Bebauungspläne wie am Stuhrer Bahnhof geht. Da geht es beispielsweise um Parkplätze und Bike-and-Ride-Anlagen. Wir werden uns im Rahmen dessen auch mit Carsharing auseinandersetzen. Aktuell stellen wir die Bebauungspläne für die Haltestellenbereiche auf. Der Fachbereich Verkehr hat bereits erste Gespräche mit dem ZVBN und der Gemeinde Weyhe geführt, da die Busverkehre auf die neue Situation auszurichten sind. Seit April laufen unsere Vorbereitungen. Wir warten jetzt auf die abschließende Befassung des Oberverwaltungsgerichts. Wir sind sehr bemüht, dass in der mündlichen Verhandlung, die hoffentlich im März stattfindet, alle Themen soweit behandelt werden, dass eine Entscheidung getroffen wird. Dann soll es möglichst bald losgehen. Daher ist es wichtig, dass wir mit unseren ergänzenden Planungen Schritt halten.

Wann könnte die erste Straßenbahn nach Leeste rollen?

Als ich anfing, hieß es zunächst 2023. Davon bin nicht so überzeugt. Ich tippe auf 2024/2025. Das Entscheidende ist: Wann entscheidet das Gericht? Alles Weitere haben wir dann in der Hand. Wenn wir Baurecht haben, muss man aber schon mit zwei Jahren rechnen.

Der Gemeinderat hat sich für die große Variante beim Hallenbad entschieden. Aus Ihrer Sicht eine gute Wahl?

Ja, das finde ich schon. Das eingeholte Gutachten hat diese Empfehlung auch ausgesprochen. Es gibt bei den Varianten natürlich Unterschiede was die Investitionssumme und den späteren Betriebskostenzuschuss anbelangt. Auf Dauer ist meiner Erfahrung nach aber maßgeblicher, wie hoch der jährliche Betriebskostenzuschuss ausfällt. Und hier sehen wir noch viel Spielraum, diesen weiter zu senken. Vor dem Hintergrund, wem dieses Bad zur Verfügung stehen soll, bietet die große Lösung für ein breites Spektrum der Bevölkerung einen Mehrwert, anders als ein reines Lehrschwimmbecken. Die Entscheidung der Mehrheit des Rates ist auch vom Vorgehen her richtig, weil es sinnvoller ist, erst die große Lösung zu prüfen. Andersrum, wie es von Teilen des Rates gefordert wurde, erst die Machbarkeit der kleinen Lösung zu prüfen, entspricht nach meinem Dafürhalten keinem effizienten Vorgehen. Es ist einfacher, zunächst zu prüfen, was überhaupt realisierbar ist und dann gegebenenfalls abzuschichten. Es ist auch nicht so, dass wir morgen anfangen zu bauen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir unsere Prüfaufträge abgearbeitet haben werden. Dann haben wir auch eine Gewissheit und Sicherheit, wie unsere finanziellen Möglichkeiten sind.

Hochwasserschutz, Feuerwehrbedarfsplanung, der Ausbau von Schulstandorten: Wie sollen diese Großprojekte finanziert werden?

Wir haben in den letzten Jahren ein Investitionsvolumen gehabt, das auch nicht gerade niedrig war. In diesem Rahmen sollten wir uns auch weiterhin bewegen. Viele jetzt zum Tragen kommende Vorhaben sind auch schon lange vor meiner Zeit in die Beschlussfassung gegangen. Die Gemeinde hat in den Jahren 2017 bis 2019 Überschüsse erwirtschaftet, da verschiedene Vorhaben nicht umgesetzt wurden, die jetzt aber weiterhin auf der To-Do-Liste stehen. Wir bereiten gerade eine Investitionsplanung vor, aus der hervorgeht, wann welche Maßnahmen am besten passen im Hinblick auf Priorität, Finanzierbarkeit und die für deren Umsetzung zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen im Rathaus. Ich möchte hiermit eine transparente Entscheidungsgrundlage für den Rat schaffen.

Wie geht es mit dem Bauprojekt der neuen Rettungswache in Stuhrbaum voran? Wann ist die Fertigstellung geplant?

Der Rohbau steht, ich hoffe, dass im Winter weiter ausgebaut werden kann. Das ist eine tolle Sache für uns. Es wird ein tolles Gebäude und auch für die Leute, die dort arbeiten, eine deutliche Aufwertung. Wir werden dort zukünftig mehr Rettungsfahrzeuge stationiert haben. Das ist für die Sicherung der Bevölkerung ein großes Plus. Es ist ein Vorhaben des Landkreises und könnte meiner Kenntnis nach im Frühjahr fertig sein.

Gibt es Neuigkeiten in Bezug auf den Stuhrer Feuerwehrmann, dem rechtsextreme Chats vorgeworfen werden?

Die Ermittlungen der Polizei laufen. Gemeinsam mit der Feuerwehr hat uns das sehr beschäftigt in den letzten Wochen. Laut den Ermittlungsbehörden gibt es aber keine Hinweise darauf, dass es ein vergleichbares Netzwerk wie in Bremen in der Stuhrer Feuerwehr gibt. Gleichwohl aber haben mich die Vorgänge auch persönlich sehr betroffen gemacht. Feuerwehrleute haben eigentlich ein völlig anderes Ethos. Gerade auch die ekelhaften Mobbingvorwürfe gegen eine Berufskollegin und die offenbar ausbleibende Unterstützung durch Vorgesetzte in Bremen sind erschütternd. Feuerwehrleute helfen jedem, unabhängig von Geschlecht und Herkunft und es hat die Feuerwehrleute hier ganz besonders getroffen, was da in Bremen zutage kam. Die Sorge war da, dass so ein Bild auch von unserer Wehr gezeichnet wird. Ich bin sehr froh darüber, dass die Ermittlungen so etwas für die Gemeinde Stuhr bisher nicht bestätigt haben.

Was erhoffen Sie sich vom kommenden Jahr?

Ein bisschen mehr Routine. Ich erhoffe mir, dass wir bei den Dingen, die wir angestoßen haben, gut vorankommen. In diesem Jahr haben zum Beispiel unsere politischen Gremien kaum getagt. Ich hoffe, dass wir in normale Bahnen kommen, was die Entscheidungsfindung im Rat betrifft. Wenn die Fachausschüsse nicht oder kaum tagen, fehlt deren Vorbefassung für den Rat. Ich hoffe sehr, dass wir auch mit dem gesellschaftlichen Leben in normale Bahnen kommen, wenn wir dann alle geimpft sind. Ich freue mich auf die Gespräche mit den Bürgern und deren Feedback. Zwar nutzen viele die Sozialen Medien oder sprechen mich anderweitig an, aber die gesellschaftlichen Treffen fehlen. Das ist für mich als Bürgermeister so ein bisschen das Salz in der Suppe, um das mich Corona bisher betrogen hat.

Das Interview führte Eike Wienbarg.

Zur Person

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Stephan Korte

ist seit Februar 2020 Bürgermeister der Gemeinde Stuhr. Im Wahlkampf wurde er von der SPD und den Stuhrer Grünen unterstützt, trat aber als unabhängiger Kandidat an.

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