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Landgericht Verden Landgericht verwirft Berufungsverfahren

Ein Mann aus Weyhe hatte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde als "bösartige Verbrecherin" bezeichnet. Das Amtsgericht Syke hatte ihn freigesprochen, das Landgericht bestätigte nun das Urteil.
13.02.2022, 17:31 Uhr
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Von Angelika SIepmann

Verden/ Syke. Vom Vorwurf der Beleidigung der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, war ein Mann aus Weyhe im vergangenen Juli freigesprochen worden. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. Das Landgericht Verden hat die Berufung nun verworfen. Die Äußerungen des Mannes, getätigt vor rund drei Jahren in einer mit Namen und Wohnort versehenen E-Mail, seien fraglos „in der Wortwahl überzogen, scharf und verletzend“, aber gerade noch vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt, hieß es. Es handele sich um eine „absolute Einzelfallentscheidung“.

In seinem Schreiben vom 26. Januar 2019 hatte der Angeklagte, damals noch Mitglied der AfD, Charlotte Knobloch unter anderem bekundet, für ihn sei sie eine „bösartige Verbrecherin“. Damit reagierte der jetzt 68-Jährige auf die Rede, die Knobloch drei Tage zuvor bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Bayerischen Landtag gehalten hatte. Darin hatte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden betont: „Es ist in unser aller Verantwortung, dass das Unvorstellbare sich nicht wiederholt“.  Wie groß diese Aufgabe sei, die freiheitliche Demokratie zu schützen, sehe man beim Blick in den Bundestag und in Landesparlamente.

Auch „hier und heute“ sei eine Partei vertreten, „die diese Werte verächtlich macht, die die Verbrechen der NS-Zeit verharmlost und enge Verbindungen ins rechtsextreme Milieu unterhält“, sagte Knobloch damals. Sie hatte zudem erklärt: „Diese sogenannte Alternative für Deutschland gründet ihre Politik auf Hass und Ausgrenzung und steht nicht nur für mich nicht auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung“.

Der bei der Berufungsverhandlung nicht anwesende Angeklagte, nach den Worten seines Verteidigers ein „historisch sehr gebildeter“ und jegliche Gewalt ablehnender Mann, war seinerzeit in seiner Mail, gerichtet an die IKG und Charlotte Knobloch direkt ansprechend, sehr deutlich geworden. Wer die „unfassbaren Gräueltaten der Nazis“ genauer kenne und die AfD pauschal auf eine Stufe mit den Nazis stelle, habe für ihn völlig den Vorstand verloren, „und ist für mich eine genauso bösartige Bestie, wie es die Nazis waren“. Knobloch hatte Strafantrag gestellt.

Der Anwalt unterstrich, es sei für seinen Mandanten „schockierend“ gewesen, dass er allein wegen seiner damaligen Parteizugehörigkeit ein Nazi sein sollte. Er habe Knobloch „den Spiegel vorhalten“, sie aber keineswegs herabwürdigen wollen, und bedaure es, „wenn er sie verletzt haben sollte“. Der politische Diskurs sei auch ein hohes Gut, so der Verteidiger. „Er muss sein, und manchmal muss er auch hart sein“.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ging es aber nicht um den politischen Diskurs und sind Äußerungen erfolgt, die nicht mehr durch die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ und das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt seien. Die Anklagevertreterin sprach von Schmähung und Beleidigung, es sei allerdings „keine Hassmail“ versandt worden, unterstrich sie. Der Angeklagte sei "verbal übers Ziel hinausgeschossen". Die Staatsanwältin beantragte eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20 Euro.

Die 23. kleine Strafkammer bestätigte jedoch „nach langer Beratung“ den Freispruch in diesem Fall, der „kein gewöhnlicher“ sei, und entsprach damit dem Antrag der Verteidigung. Die im Kontext mit Knoblochs Rede verwendete Bezeichnung „bösartige Verbrecherin“ sei zweifellos beleidigend und herabwürdigend. Dies müsse dem Angeklagten auch bewusst gewesen sein. Man habe keinen Zweifel daran. Seine in der Wortwahl überzogenen, scharfen und verletzenden Äußerungen seien im Gesamtzusammenhang aber letztlich noch von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Der Mann sei daher nicht zu bestrafen. Er habe sich „als AfD-Mitglied diffamiert“ und „zu Unrecht in den Bereich der Nazis gerückt gefühlt“. Die Verbreitung seiner Meinung habe „nicht anonymisiert“ stattgefunden. Unter der Mail hätten der Name und sein Wohnort gestanden. Darauf hatte im erstinstanzlichen Urteil auch das Syker Amtsgericht hingewiesen. Die Äußerungen, eine „emotional geführte politische Auseinandersetzung“ betreffend, seien in einer „einzelnen Mail“ erfolgt, „nicht in allgemein zugänglichen Medien“.

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