Twistringen/Verden. Wegen Diebstahls und Sachbeschädigung, begangen in einem Verbrauchermarkt in Twistringen, hat das Amtsgericht Syke im Mai einen Mann aus Bremen zu einem Jahr Haft verurteilt. Vom Landgericht Verden erhoffte sich der Angeklagte eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine andere Maßnahme, die ihm den Gang ins Gefängnis ersparen würde. Doch weil die Voraussetzungen dafür nach dem Ergebnis des – vorläufigen – psychiatrischen Gutachtens nicht gegeben sind, hat er jetzt die Berufung kurzerhand zurückgezogen.
Der erste Tag des Monats März war noch keine Stunde alt, als die Alarmanlage des großen Geschäfts an der Bremer Straße ertönte und gleich mehrere Streifenwagen auf den Plan rief. Der Zustand der Haupteingangstür ließ schnell darauf schließen, dass sich jemand gewaltsam Zutritt verschaffen wollte. Und siehe da, es war sogar gelungen. Bei ihrer Suche nach einem Eindringling stießen die Polizisten auf den späteren Angeklagten, der sich zwischen hohen Regalen verkrochen hatte. Nachdem das Versteckspiel beendet war, zeigte sich auch, dass der „psychisch auffällige“ Mann sich auf seiner einsamen Einkaufstour bereits fleißig bedient hatte. An der Kasse wären für die sichergestellte Ware, darunter ein Handy, Rubbellose und Lottokarten, etwa 2500 Euro fällig gewesen.
Der in seinen Aktivitäten gestörte „Kunde“ musste den Rest der Nacht in Polizeigewahrsam verbringen. Was ihm wahrscheinlich gar nicht so ungelegen kam, denn damals hatte er gerade keinen festen Wohnsitz. Seine neue Adresse wurde dann, als Untersuchungshäftling, erst einmal die Justizvollzugsanstalt Vechta. Die in erster Instanz vorgebrachte Behauptung, er habe sich in dem Twistringer Gebäude nur zur Nachtzeit aufwärmen wollen, konnte aufgrund der bei ihm gefundenen Gegenstände als widerlegt gelten. Bewährung kam aus Sicht des Syker Strafrichters nicht in Betracht.
Psychiatrische Begutachtung
Ende August hat vor der fünften kleinen Strafkammer des Verdener Landgerichts Berufungsprozess begonnen. Er wurde bereits am ersten Tag ausgesetzt. Die Verfahrensbeteiligten waren sich einig, dass der Angeklagte endlich einmal einer eingehenden psychiatrischen Begutachtung unterzogen werden sollte. Zumal, nachdem der gebürtige Bremer freimütig seine bewegte Lebensgeschichte skizziert hatte, in der zunehmender Drogenkonsum, nur kurzfristig wirksame Therapien, gescheiterte berufliche Bemühungen, etliche Ortswechsel, Jugendarrest und zuletzt eben auch Obdachlosigkeit vorkamen.
Während der U-Haft, unterbrochen durch das Verbüßen einer Ersatzfreiheitsstrafe, war er auch für einige Wochen in das Krankenhaus der JVA Lingen verlegt worden. In Vechta sei er „ein paarmal ausgerastet“, gab er selbst als Grund an. Mit der vorgeschlagenen Begutachtung durch einen Sachverständigen hatte er sich sofort einverstanden erklärt. Bei der Exploration sollte ja vor allem auch die Frage geklärt werden, wie es zur Tatzeit um seine Schuldfähigkeit bestellt war und ob gegebenenfalls auch die Unterbringung im Maßregelvollzug zwecks Drogenentzugs in Betracht käme.
Als nun nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens der neue Verhandlungstermin anstand, wurden nicht mehr viele Worte gemacht. Der Verteidiger des 28-Jährigen erklärte sofort, die Berufung werde zurückgenommen. Es waren offenbar keinerlei Erfolgsaussichten des Rechtsmittels mehr erkennbar. Dem Vernehmen nach ist die Expertise anders ausgefallen, als es sich der Angeklagte vermutlich vorgestellt hat. Es sollen weder eine verminderte noch gar eine aufgehobene Schuldfähigkeit attestiert worden sein. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entzugsklinik seien somit nicht erfüllt.