Der Zeuge erzählte tapfer und ausführlich, was ihm am frühen Nachmittag des 8. Juni in der Nähe des Kirchweyher Bahnhofs passiert ist. Er saß dabei im kleinen Saal des Verdener Landgerichts nur wenige Meter von dem Mann entfernt, der ihn an jenem Sonnabend mit einer langen Holzlatte attackiert und am Kopf verletzt haben soll. Der 37-Jährige machte keinen Hehl daraus, dass ihn das gewaltsame Geschehen nach wie vor stark belastet. Er befindet sich in psychiatrischer Behandlung, genauer: in einer Traumatherapie. Mit der Ladung zum Gerichtstermin sei alles „wieder aufgewühlt“ worden, sagte er. Es sei ihm auch sehr schwergefallen, „heute hierherzukommen“.
Umso erleichterter wirkte der Weyher, als er den Saal nach überstandener Vernehmung wieder verlassen durfte. Es war ihm auch nicht erspart geblieben, am Richtertisch die beiden von der Polizei sichergestellten massiven Holzteile zu betrachten, die noch fest zusammengefügt gewesen sein dürften, als der Zeuge damit geschlagen wurde. Seine zuvor geäußerte Vermutung, die Holzlatte stamme wohl von „irgendeinem Sitzmobiliar“, dürfte zutreffend sein. An einem Ende ragten noch Nägel heraus. Das Schlagwerkzeug soll komplett etwa anderthalb Meter gemessen haben und von dem Mann verwendet worden sein, gegen den am Landgericht ein Sicherungsverfahren geführt wird.
Erster von sechs Zeugen
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 32-Jährige sich aufgrund einer psychischen Erkrankung im Zustand der Schuldunfähigkeit befand, als er im späten Frühjahr in der Gemeinde Weyhe mehrere Körperverletzungen beging. In zwei von sechs Fällen soll er gefährliche Körperverletzung verübt haben, so auch vor allem am 8. Juni an dem Mann, der am zweiten Verhandlungstag als erster von sechs Zeugen gehört wurde. Er zählte zu der Gruppe von Freunden, die zu einer fröhlichen Spargeltour aufbrechen wollte. Auf einer Parkfläche unweit des Bahnhofs waren noch nicht einmal alle Teilnehmer versammelt, als auf der gegenüberliegenden Seite schon der Beschuldigte aufgetaucht sein soll.
„Er fing sofort an zu schreien und uns zu beleidigen“, erinnerte sich der 37-Jährige. „Ihr seid nur Männer“, habe er verstanden. Dann sei auch schon ein Stein geflogen, wenig später noch einer. Man habe sich „aus dem Sichtfeld“ des Unbekannten begeben. „Wir wollten nicht darauf eingehen und uns die Stimmung nicht vermiesen lassen.“ Es sei auch schon die Polizei verständigt worden. Die Gruppe habe sich aufgesplittet, und einigen sei der Mann „frontal entgegengekommen“, er selbst sei „dummerweise“ zum Bushaltehäuschen gegangen und dort prompt angegriffen worden. Durch den ersten Schlag in die Kniekehle sei er „zusammengesackt“, der zweite habe ihn hinter dem linken Ohr getroffen und eine Platzwunde verursacht.
Als sein Partner ihm zur Hilfe geeilt sei, habe der Täter noch einen Schraubenzieher hervorgeholt. Der Mann sei geflüchtet, als Polizeisirenen zu hören waren, so der Zeuge. Die erlittene Verletzung sei „nur oberflächlich“ gewesen, er habe auch nicht ins Krankenhaus gewollt. Und die Spargeltour sei auf seinen Wunsch wie geplant unternommen worden. Körperlich sei ihm nicht viel geschehen, aber: „Der psychische Schaden, der daraus entstanden ist, ist ungeheuer.“ Es habe einige Zeit gedauert, bis er das Erlebte überhaupt habe realisieren können. Dann seien die „Flashbacks“ gekommen. Nach etlichen Wochen Krankschreibung hat der 37-Jährige erst kürzlich seine Arbeit wieder aufgenommen.