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Friedhof Kirchweyhe Bestattungskultur im Wandel

Sarg, Umrandung, Grabstein – so haben Menschen über lange Zeit hinweg ihre letzte Ruhe gefunden. Am Friedhof in Kirchweyhe lässt sich derzeit allerdings Bestattungskultur im Wandel erleben.
24.01.2022, 15:38 Uhr
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Bestattungskultur im Wandel
Von Wolfgang Sembritzki

Weyhe-Kirchweyhe. Die Erkenntnis, dass der Tod zum Leben gehört, muss in die Köpfe der Menschen, finden Frauke Wetjen, Gerd Brüning und Hans-Heinrich Meier von der Felicianus-Kirchengemeinde Weyhe. Das Trio ist derzeit sehr umtriebig auf dem Kirchweyher Friedhof unterwegs. Denn der soll künftig anders aussehen.

"Der Plan ist es, dem Friedhof einen Park-Charakter zu geben", erklärt Kirchenvorsteherin Frauke Wetjen. Denn die Bestattungskultur hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Sarg, Umrandung, Grabstein – das war einmal. Mittlerweile ließen sich ohnehin rund zwei Drittel in einer Urne beerdigen, nur noch ein Drittel im Sarg. Der Friedhof der Zukunft soll künftig viel mehr sein als die letzte Ruhestätte für die Dahingeschiedenen. Vielmehr soll das Gräberfeld sich weiterentwickeln: Von einem Platz, der früher der Trauer vorbehalten war, zu einem Ort der Begegnung.

An ihrem hinteren Ende hat die Fläche des Kirchweyher Friedhofs Zuwachs bekommen: Die benachbarte Gärtnerei hat der Gemeinde ein Stück Boden zur Verfügung gestellt. Dort wird seit einigen Jahren gewerkelt, entstanden ist mittlerweile ein Urnenfeld an der hinteren Friedhofsgrenze, in der Nähe wurde für Trauerfeiern das alte Pult aus der Felicianuskirche aufgestellt, auch Sitzgelegenheiten gibt es. Die Bestattung ist nun auch unter Rasen möglich, ob in einer Urne, oder im Sarg. Der klassische Grabstein weicht dabei Stelen und kleinen Steinen mit Platten, auf denen die Namen der Verstorbenen eingraviert sind, erklärt Wetjen. Großen Pflegeaufwand gibt es nicht mehr.

Denn das ist der Knackpunkt: "Viele Familien wohnen nicht mehr über Generationen hier. Man muss der Entwicklung Rechnung tragen", bilanziert Gerd Brüning. Die heutige Mobilität habe es den Menschen leicht gemacht, in alle Welt zu ziehen, wenn sie das denn möchten. Stirbt dann ein Angehöriger im Heimatort, fällt die Grabpflege schwer, wenn man weit entfernt wohnt. Ebenfalls nicht zu vergessen: Die hohen Kosten für eine Bestattung, die viele nicht tragen können oder wollen. Eine Wahlgrabstätte kostet derzeit laut Friedhofsgebührenordnung auf dem Kirchweyher Gräberfeld 810 Euro, der Aushub noch einmal 500 Euro und die Genehmigung für das Grabmal 100 Euro. Und selbst dann ist noch kein Sarg oder die Trauerfeier bezahlt. Wer nun durch die Reihen des Friedhofs geht, sieht viele freie Flächen, wo ehemals Gräber waren. Diese werden immer mehr, auch wenn es durchaus noch Grabbesitzer gebe, die ihre Ruhestätte verlängern lassen, sagt Hans-Heinrich Meier.

Neue, andere Konzepte müssen also her: "Die Baumbestattung liegt im Trend", erklärt Meier, demnach müssten sich die Strukturen des Friedhofs ändern. Erste Bäume stehen bereits, im nächsten Bauabschnitt soll in Ermangelung eines Friedwalds eine Streuobstfläche für naturnahe Bestattung entstehen. Ebenfalls neu: eine Fläche für Sternenkinder. "Fehlgeburten wurden sonst nicht bestattet", erklärt Wetjen, nach drei Fällen in kurzer Zeit habe man sich vor etwa einem halben Jahr entschieden, ein kleines Feld, umzäunt von Hecken, an der Südseite des Friedhofs anzulegen.

Dass die Modernisierung nicht von heute auf morgen geht, ist Brüning bewusst: "Das dauert 50 Jahre, weil allein ein Grab erst nach 30 Jahren ausgelegen ist." Daher hat die Kirchengemeinde einen Umweltmanagementprozess gestartet. "Sofern es finanziell und wirtschaftlich möglich ist, möchten wir den Friedhof möglichst biodivers aufstellen", so Wetjen. Allein 16 Vogelhäuser hängen über das ganze Gelände verteilt, Blühstreifen für Insekten sollen folgen.

Dass Klima- und Umweltschutz und Bestattungen sich nicht ausschließen müssen, daran lässt die Kirchengemeinde keinen Zweifel. Die trockenen Sommer der vergangenen Jahre haben auch dem Boden des Friedhofs schwer zugesetzt: "Wir mussten einen Verbaukasten für ausgehobene Gräber kaufen", erinnert sich Brüning. Der Boden sei gerade 2018 so trocken gewesen, dass die Gefahr bestand, dass beim ausgehobenen Grab links und rechts das Erdreich in die Mulde rutscht. Die Auswirkungen seien heute noch zu spüren, auch wenn der Boden wieder eine etwas gesündere Feuchtigkeit habe.

Die Resonanz zu ihrem Engagement sei bislang positiv: "Viele Leute sind angetan von dem, was hier passiert", berichtet Brüning. Mittlerweile sei nachmittags bei gutem Wetter ordentlich etwas los auf dem Friedhof. Mitunter kämen Menschen an den Stelen der Urnenfelder ins Gespräch. Dort träfen regelmäßig Friedhofsgänger aufeinander, weil die Überreste ihrer Vorfahren im selben Feld liegen. 

Doch gebe es noch viel zu tun. Gerade mit Müll, vor allem aus Plastik, hätten sich die haupt- und ehrenamtlichen Kräfte immer wieder herumzuschlagen. Die Besucher müssten in der Pflanzsaison dafür sensibilisiert werden, dass durch die kleinen Blumentöpfchen eine Menge Abfall anfällt. "Die Nutzer sollten schon im Ansatz darauf verzichten oder den Müll mit nach Hause nehmen", so Meier. Schließlich soll der Friedhof ein gepflegtes Erscheinungsbild haben.

Das gilt auch für bestehende klassische Gräber, die jedoch nicht gepflegt werden. "Das ist Arbeit, die an uns hängen bleibt", sagt Wetjen. Oftmals brächten auch Vermerke mit Pflegeaufforderungen an den Gräbern keinen Erfolg, weil die Stätten nicht mehr besucht würden. Im schlimmsten Fall übernehmen die Friedhofsmitarbeiter die Pflege und stellen diese dann in Rechnung. Wer sich dann weigert zu zahlen, bekommt Post vom Inkassounternehmen.

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