Er fühlte sich ständig provoziert und glaubte, „von der Polizei geschickte“ Menschen würden seinen Namen rufen, die Nachbarn des Elternhauses ihn ausspähen und überwachen. Vermeintliche Angriffe führten bei dem 32-Jährigen mehrfach zu Gewaltausbrüchen bis hin zu gefährlicher Körperverletzung. Für die fünf festgestellten Taten, die er im Mai und Juni in Kirchweyhe verübt hat, ist der psychisch kranke Mann allerdings strafrechtlich nicht zu belangen. Das Landgericht Verden hat am Mittwoch zum Abschluss des Sicherungsverfahrens erwartungsgemäß seine unbefristete Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik angeordnet.
Auch während der Urteilsbegründung am fünften Verhandlungstag saß der Beschuldigte wieder weitgehend reglos zwischen seinem Verteidiger und dem Dolmetscher, den Blick starr geradeaus gerichtet. Bei dem Mann besteht nach der Diagnose des Sachverständigen seit mehreren Jahren eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie. Zu den Tatzeiten dürfte die Schuldfähigkeit erheblich vermindert, wahrscheinlich sogar aufgehoben gewesen sein. Aufgefallen war der Mann bereits, bevor er sich im Frühjahr zu seinen in der Gemeinde Weyhe lebenden Eltern begeben hatte. In der Justizvollzugsanstalt Köln hatte er Strafhaft verbüßt und soll einmal in seiner Zelle Feuer gelegt haben. Nach der Entlassung aus der JVA habe sich seine Krankheit „akut zugespitzt“, hieß es, und immer wieder zu „halluzinatorischem Erleben“ geführt.
Angriff im Kirchweyher Hof
Zu spüren bekamen es zunächst am Himmelfahrtstag zwei Gäste einer Familienfeier im Kirchweyher Hof. In dem Wahn, man rufe und beschimpfe ihn, trat er im Biergarten einem älteren Mann in den Bauch und schlug mit einem Stuhl nach dessen Neffen. Beschimpft wähnte sich der Beschuldigte auch am 31. Mai von vier jungen Leuten, die an seinem Elternhaus vorbeigingen. Aus einem Fenster in der ersten Etage warf er Steine und traf dabei ein Mitglied des Quartetts am Oberschenkel. Die Folge war ein schmerzhaftes Hämatom.
Am ärgsten zu leiden hatte wohl der 37-Jährige, der am 8. Juni nahe dem Kirchweyher Bahnhof Opfer des aufgebrachten Beschuldigten geworden war. Er gehörte zu einer Gruppe von Freunden, die sich auf eine fröhliche Spargeltour freuten und noch vor dem Start von dem 32-Jährigen attackiert wurden. „Ihr liebt Männer!“, rief er ihnen zu – und warf auch gleich den ersten Stein. Getroffen wurde niemand. Nachdem er sich kurz aus dem Staub gemacht hatte, kehrte der Angreifer mit einer etwa anderthalb Meter langen Holzlatte, vermutlich einem abgebrochenen Tischbein, zurück, in dem noch „einige gekrümmte, rostige Nägel“ steckten. Damit schlug er wiederholt in Richtung des 37-Jährigen, der sich in ein Bushaltehäuschen zurückgezogen hatte. Das Opfer ging zu Boden und erlitt durch einen weiteren Schlag eine Platzwunde hinter dem linken Ohr. Auch der zu Hilfe geeilte Lebensgefährte bekam noch einen Hieb ab.
Derweil hatten schon mehrere Beobachter die Polizei verständigt. Der mittlerweile mit einem Schraubendreher drohende Beschuldigte türmte, wurde aber wenig später festgenommen. Sein Weg führte bald in eine Fachklinik. In der Psychiatrie muss der pauschal geständige Mann auch vorerst bleiben. Derzeit gebe es keine Alternative zur Unterbringung, hieß es, zumal noch keine Krankheits- und Behandlungseinsicht bestehe. Ohne gezielte Medikamentengabe sei der Beschuldigte nicht in der Lage, seine aggressiven Impulse zu kontrollieren.