„Lassen Sie sich mitnehmen auf eine spannende Expedition durch die Fotografie.“ Mit diesen Worten hat Peter Schenk am Sonnabendabend im Sudweyher Bahnhof seinen sehr launigen Vortrag über die Geschichte der Fotografie bis hin zur heutigen Fotokunst eingeleitet. Schenk war vor seinem Eintritt in den Ruhestand Kulturreferent bei der Arbeitnehmerkammer Bremen und hat als Kurator viele Ausstellungen mit Bildern organisiert.
Den Startpunkt seiner Reise bildete das menschliche Auge, das die Bildinformationen über die Linse sammelt und auf den Augenhintergrund lenkt. Dort befinden sich die Sinneszellen, die Zäpfchen für das Farbsehen und die Stäbchen für das Schwarz-Weiß-Sehen. Zäpfchen und Stäbchen leiten die Informationen über den Sehnerv ins Gehirn, das alles zu einem Bild zusammensetzt.
Der Grundstein für den Erfolg
Als Vorläufer der Fotografie gilt die Camera obscura – ein lichtdichter Kasten oder ein dunkler Raum mit einem Loch, durch das Licht einer beleuchteten Szene auf die gegenüberliegende Wand trifft. Doch ohne Licht ist das Bild wieder weg. Die erste Fotografie im heutigen Sinne war ein Bild von Joseph Nicéphore Niépce. Der französische Erfinder hatte das Foto 1826 mit einer Camera obscura hergestellt und auf einer asphaltbeschichteten Zinnplatte fixiert. Ein paar Jahre später forschte Niépce zusammen mit dem Maler und Erfinder Louis Jacques Mandé Daguerre weiter, dem es gelang, ein Foto auf einer beschichteten Silberplatte festzuhalten. Um diese damals innovative Technologie auch anderen Menschen zugänglich zu machen, kaufte die französische Regierung die Rechte an der sogenannten Daguerreotypie und legte damit den Grundstein für den weltweiten Erfolg der Fotografie.
Der russische Fotograf Sergej Michailowitsch Produkin-Gorksi gilt als Pionier der Farbfotografie. Für seine Farbbilder fertigte er drei Schwarz-Weiß-Fotos durch einen roten, einen grünen und einen blauen Filter an. Das bedeutete, dass sich die Motive erst dann bewegen durften, wenn alle drei Aufnahmen gemacht waren. „Überhaupt waren früher die langen Belichtungszeiten eine Herausforderung“, erzählte eine Teilnehmerin. „Die Leute bekamen Holzstützen in den Nacken, damit sie stillhalten konnten.“ Das erklärt, warum die Menschen auf alten Fotos so steif aussehen.
Eingefrorene Zeit
„Eigentlich ist eine Fotokamera das bessere Auge“, erzählte Peter Schenk und zeigte Aufnahmen von Schneekristallen, einer unter einem Elektronenmikroskop aufgenommenen Milbe und einer zerplatzende Glühbirne. Und eine Fotografie ist immer eine Momentaufnahme, sozusagen eingefrorene Zeit. Trotzdem versuchte der Fotograf Jacques-Henri Lartigue 1913 bei einem Autorennen, Geschwindigkeit einzufangen. Er fand seinen Versuch missglückt, doch seine Fotos leben von Unschärfe und Bewegung und eines hängt heute im Museum of Modern Art (MoMA). Auch Pablo Picasso versuchte, Bildern Bewegung zu verleihen. So experimentierte er mit dem Fotografen Gjon Mili, der sich mit Langzeitbelichtung beschäftigte. Während Mili dafür sorgte, dass der Verschluss der Kamera offenblieb, malte Picasso mit einem Lichtstift Bilder, die er erst nach Entwicklung der Fotos sah.
Lustig wurde es, als Schenk die Zuhörerinnen und Zuhörer aufforderte, die anfangs verteilten Anaglyphenbrillen aufzusetzen. Das sind Pappbrillen mit einer roten und einer blauen Folie. Betrachtet man damit ein Farbanaglyphenbild, bei dem zwei Teilbilder überlagert werden, entsteht im Gehirn ein räumliches Bild. Ältere Leser werden sich bestimmt an das TV-Experiment mit „Klimbim“ erinnern, als die Zuschauer mit den 3D-Brillen vor dem Fernseher saßen und beispielsweise die Arme der Schauspieler ins Wohnzimmer zu ragen schienen.
Die Fotografie diente zunächst für die Herstellung von Porträts, doch schon bald wurden Menschengruppen und Landschaften aufgenommen. „Wir fotografieren gegen das Vergessen, denn das Erinnerungsvermögen funktioniert besser mit Bildern“, erläuterte Schenk. Allerdings können Bilder, deren Ursprung und Zusammenhänge der Betrachter nicht (er)kennt, völlig bedeutungslos sein. Fotografie, so machte Peter Schenk am Ende seiner abwechslungsreichen und sehr unterhaltsamen Expedition deutlich, ist heute viel mehr als nur ein Instrument, um ein Ereignis festzuhalten. Fotografie ist mittlerweile auch ein Werkzeug, um gezielt künstlerische, politische oder gesellschaftskritische Aussagen zu treffen.