Weyhe-Leeste. Wenn Menschen ihre letzte Reise antreten, sind ihre Dienste gefragt: Seit 25 Jahren besteht der Verein Hospiz Weyhe, kürzlich wurde er als Weyher Organisation des Jahres 2020 ausgezeichnet (wir berichteten). 1998 gingen die ersten ausgebildeten Hospizbegleiter zu Sterbenden, um ihnen beim Abschied zur Seite zu stehen, erinnert sich Vereinsvorsitzende Karin Meiners, die selbst dieses Jahr als Weyherin des Jahres nominiert war.
Wenn Meiners' Telefon klingelt, muss es manchmal schnell gehen. Tag und Nacht ist die Koordinatorin erreichbar, wenn jemand, der sich in seiner letzten Lebensphase befindet, Beistand braucht: "Wir haben eine tolle Aufgabe." Ein Widerspruch ist das nicht, sehr emotional jedoch allemal. Zunächst gilt es für den Verein, den richtigen Begleiter aus dem Team mit 20 Engagierten auszuwählen, damit es bei der Zusammenkunft auch menschlich passt. Denn würdevolles Sterben in einer Atmosphäre, die unter den gegebenen Umständen so angenehm wie möglich ist, hat oberste Priorität – ebenso wie die Wünsche der Betroffenen.
Für Menschen da sein
Was dann passiert, klingt erst einmal einfach: "Wir sind einfach da für die Menschen", bringt es Zweite Vorsitzende Jutta Gudde auf den Punkt. Die Anfragen kommen manchmal von den Sterbenden selbst, oftmals auch von Angehörigen und Pflegeheimen. Vor der Corona-Pandemie sei der Zulauf enorm gewesen, mittlerweile nehme er wieder zu. Es geht den Hospizbegleitern darum, die Bedürfnisse der Menschen in der letzten Lebensphase zu stillen. Zu vermitteln, dass der Tod etwas ganz Natürliches ist und zum Leben gehört. "Was brauchst du eigentlich noch?", sei eine Frage, die häufig fällt, weiß Jutta Gudde. Die Antworten könnten zwar vielfältiger nicht ausfallen, oftmals ist jedoch die Anwesenheit eines anderen Menschen oder das Gespräch gefordert.
Dass sie von außen hereinkommen, ohne die Menschen zu kennen, sei dabei oft von Vorteil: "Mit Fremden kann man viel besser reden", erklärt Gudde. Angehörige versuchten häufig zu retten, was nicht mehr zu retten ist, und verkennten die Situation. Etwa beim Thema Ernährung, das der Verein in die Öffentlichkeit bringen will: "Du musst doch etwas essen", sagten Angehörige häufig zu den Sterbenden. Dabei könnten diese aufgenommene Nahrung meist nicht mehr gut verdauen. Wer nicht mehr essen möchte, dürfe dazu nicht gezwungen werden. Bei denen, die nicht mehr essen und sich nicht mehr bewegen können, muss dafür gesorgt werden, dass Bereiche wie Augen und Mundhöhle feucht gehalten werden.

Den Weyher Hospizverein gibt es seit 25 Jahren.
Auch um die Angehörigen kümmert sich der Verein, vor und nach dem Tod der Betroffenen. In Gesprächen leisten die Engagierten Beistand, wenn es darum geht, die Angehörigen auf das Abschiednehmen vorzubereiten. Manchmal müsse eine letzte Aussprache, ein letztes Wort oder gar eine Versöhnung einfach sein – schon allein, damit der Betroffene friedlich gehen kann. Dass es mitunter schwierig ist, Angehörige zu den Sterbenden zu bringen, liege in der Natur der Sache: Auf dem Sterbebett sehen Menschen ganz anders aus – der Körper hat sich verändert, Groß gewachsene erscheinen auf einmal klein und haben mit dem Bild, das sie in vitaleren Tagen abgaben, nicht mehr viel zu tun, weiß Karin Meiners. Der Tod kann dann eine Erleichterung für alle Beteiligten sein.
Da einen der Verlust eines geliebten Menschen aus der Bahn werfen kann, bietet der Hospizverein eine Trauergruppe an, in der das Erlebte in Gesprächen verarbeitet werden kann. Heutzutage ist der Tod ein Tabuthema, über das niemand redet. Das war nicht immer so: "Solange Menschen zu Hause starben, ging es nicht anders", sagt Gudde. Der Tod war präsent und sichtbar. Nun, da mehr Menschen in Heimen oder Krankenhäusern sterben, sei das Thema aus den Köpfen verschwunden und nur in akuten Situationen von Bedeutung.
Bei aller Öffentlichkeitsarbeit ist trotzdem Diskretion gewahrt: Die Hospizbegleiter unterliegen der Schweigepflicht. Mitunter komme es auch vor, dass Angehörige nicht direkt nach dem Verlust auf den Hospizverein zukommen: "Das große Loch kommt erst nach einem Jahr", erklärt Meiners. Dann habe sich das erste Chaos, das der Todesfall auslöst, gelegt. Und es hat sich ein Gefühl eingestellt, wie es ist, etwa Feiertage ohne den jeweiligen Menschen zu begehen. Meiners Tipp: nicht allein sein, Pläne für die entsprechenden Tage schmieden und etwa den Geburtstag der Verstorbenen feiern.
Alleine zu sein ist schlimm für Angehörige und Sterbende. Gerade durch die strikten Lockdowns während der Pandemie mussten viele Menschen ihre letzten Tage allein verbringen: "Das war ganz grausam", erinnert sich Meiners. Heimbetreiber hätten es mit Schutzvorkehrungen zwar gut gemeint, allerdings ging der Beistand verloren. Besuche waren erst wieder möglich, als die Engagierten mit negativem Test in die Einrichtungen gehen durften, doch auch dann gab es Einschränkungen wie feste Besuchszeiten oder Abstandsregeln – Hand halten unmöglich. Auch die Präsenzsitzungen der Trauergruppe mussten pausieren: Laut Karin Meiners ließ sich das jedoch telefonisch auffangen, "dass Menschen nicht alleine dastehen".
Der Verein Hospiz Weyhe ist rund um die Uhr unter den Nummern 04 21 / 80 80 74 und 01 60 / 91 76 75 25 erreichbar.