Herr Schmidt, was lässt sich aus einem Solarkataster ablesen?
Tobias Schmidt: Zuerst mal kann man die einfallende Einstrahlung für die einzelnen Gebäude erkennen. Außerdem werden neben der Ausrichtung und Neigung jeder Dachseite auch verschattende Effekte zum Beispiel von umstehenden Gebäuden oder Bäumen dargestellt. Auf dieser Grundlage berechnet das System je Gebäude die installierbare Leistung in Kilowatt-Peak und die im Jahr erzielbaren Erträge in Kilowattstunden. In der Anwendung lässt sich auch der eigene Stromverbrauch einstellen. Damit ist es möglich, den Eigenverbrauch, also den Anteil des selbst verbrauchten oder gespeicherten Solarstroms am gesamten erzeugten Solarstrom, zu berechnen. Außerdem können wir die durch die Installation einer Photovoltaikanlage mögliche Autarkie ermitteln, das heißt, wie hoch der Anteil meines selbst verbrauchten Solarstroms am Gesamtstromverbrauch ist. Und daraus ergibt sich natürlich das Wichtigste: die Wirtschaftlichkeit der gesamten Anlage. Also konkret: Was kostet mich das Ganze voraussichtlich und ab wann rechnet es sich für mich in Abhängigkeit von meinem Stromverbrauch?
Wie wird solch ein Solarkataster erstellt?
Die Berechnungen basieren im Wesentlichen auf flugzeuggestützt erfassten 3D-Punktwolken und den amtlichen Gebäudegrundrissen. Mithilfe unserer Software Plexmap erkennen wir aus der 3D-Punktwolke, die auch Höhendaten enthält, und den Gebäudegrundrissen im ersten Schritt alle Dachseiten eines Gebäudes. Für diese wird dann die individuelle Eignung für Fotovoltaikanlagen ermittelt. Dazu betrachten wir vier wesentliche Standortfaktoren: Dachneigung, Ausrichtung, Globalstrahlung und Verschattung. Die Ergebnisse werden dann im Solarkataster
in Form von Karten, Grafiken und Tabellen dargestellt.
Sind Solarkataster in der Region mittlerweile üblich oder ist der Landkreis Diepholz hier ein Vorreiter?
Es gibt in Deutschland bereits zahlreiche Solarkataster von Geoplex. Unter
www.solar.geoplex.de gibt es dazu eine Übersicht. Auch in Nordwestdeutschland haben inzwischen viele Kreise ein eigenes Solarkataster. Der Landkreis Diepholz ist also im Norden in guter Gesellschaft.
Worauf müssen Interessierte achten, wenn sie sich eine Solaranlage auf eine eigene Dachfläche oder ihr Grundstück stellen wollen?
Die Ertragsfähigkeit hängt von mehreren Faktoren ab: Zuerst einmal sind die Größe des Daches und dessen Ausrichtung relevante Faktoren. Ganz wichtig ist, ob das Dach durch Bäume oder andere Gebäude verschattet wird. Auf Dächern, die kaum Sonne abbekommen, machen PV-Anlagen wenig Sinn. Wenn man doch eine Anlage realisiert, muss man davon ausgehen, dass die Leistungsfähigkeit dann erheblich beeinträchtigt ist. Man sollte aber auch seinen eigenen Stromverbrauch gut kennen und zum Beispiel wissen, zu welchen Zeiten Verbrauchsspitzen eintreten. Die kann man im Kataster auch modellieren und dann sehen, wie sich das im Tages- und Jahresverlauf auswirkt. Außerdem sollte man sich Gedanken darüber machen, wie man die Anlage betreiben möchte. Jemand, der seine Anlage möglichst wirtschaftlich arbeiten lassen will, das heißt, mit einem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis, würde anders vorgehen als
jemand, der ein möglichst hohes Maß an Unabhängigkeit, also Autarkie, anstrebt.
Wie lässt sich Solarstrom am besten speichern?
Wenn ich zum Beispiel tagsüber im Sommer viel eigenen Strom über meine PV-Anlage erzeuge, benötige ich auch ein leistungsfähiges Speichersystem, damit ich nachts meine Verbraucher laden kann. Dafür bietet die Industrie entsprechende Speichersysteme an. Im Solarkataster kann ich auch angeben, ob ein Speichersystem genutzt werden soll und welche Speicherkapazität es haben soll.
Ab wann ist die Erzeugung von Solarstrom für Privatpersonen rentabel?
Eine PV-Anlage lohnt sich für Privatpersonen, die ein Einfamilienhaus bewohnen in der Regel immer. Ist das Gebäude nicht verschattet, eignet es sich im Grunde auch für die Installation einer PV-Anlage. Die Wirtschaftlichkeit einer Anlage hängt dann insbesondere vom individuellen Stromverbrauch ab. Vereinfacht gesagt: Je mehr Strom ein Haushalt sinnvoll verbraucht, desto wirtschaftlicher ist die PV-Anlage.
Laut Kataster scheint der südliche Landkreis Diepholz seine Potenziale bislang besser auszuschöpfen als der Nordkreis. Wie erklären Sie sich das?
In der Regel werden in weniger dicht besiedelten Kommunen mit höherem Eigentumsanteil im Verhältnis auch öfter beziehungsweise mehr PV-Anlagen errichtet. Das sieht man auch im Vergleich der drei nördlichen Kommunen Stuhr, Syke und Weyhe untereinander und mit dem Rest des Kreises. Die
Siedlungsstruktur und -dichte und das Alter der Gebäude, aber auch die individuelle Einkommenssituation beeinflussen die Situation mehr oder weniger. Stellen Sie sich zum Beispiel einmal eine klassische Ein- oder Mehrfamilienhaussiedlung aus den 50er- bis 70er-Jahren vor, wo die
meisten Bewohner schon älter sind. Oft ist es einfach eine Kostenfrage; in anderen Fällen liegt es daran, dass die Eigentümer mit dem Thema noch nicht vertraut sind. Generell ist es halt auch so, dass bei neueren Wohngebieten natürlich auch das Thema Fotovoltaik von vornherein gleich mitgedacht wird – und zwar sowohl im Planungsprozess, zum Beispiel durch Vorgaben im Bebauungsplan, als auch persönlich seitens der Eigentümer beziehungsweise Bewohner.
Im Solarkataster für den Landkreis Diepholz liegt Weyhe beim genutzten Potenzial derzeit auf dem letzten Platz. Was muss die Gemeinde besser machen?
Das ist so, wenn man die Ausnutzung der Potenziale prozentual betrachtet. Absolut gesehen, das heißt, wie viel Megawatt bereits installiert sind, relativiert sich das aber wieder. Bei der prozentualen Betrachtung liegen Stuhr, Syke und Weyhe wieder ganz nah beieinander. Wie gesagt, bei solchen Vergleichen muss die Siedlungs- beziehungsweise Dachstruktur in der jeweiligen Kommune immer mitgedacht werden. Mit der Info-Veranstaltung zum Solarkataster macht Weyhe ja auch genau das Richtige: informieren und aufklären, damit die Leute sich mit dem Thema befassen können.
Welche Botschaft möchten Sie bei Ihrem Vortrag in Weyhe vermitteln?
Das Solarkataster bietet gerade für Solar-Einsteiger sehr gute Möglichkeiten, sich über die Potenziale des eigenen Daches kostenlos und neutral zu informieren. Man kann damit ohne großen Zeit- und Kostenaufwand prüfen, welche Potenziale das eigene Dach bietet und wie man seine PV-Anlage am besten realisieren kann. Außerdem bietet das Solarkataster viele weitere interessante Informationen rund um das Thema Fotovoltaik.
Das Interview führte Wolfgang Sembritzki.