Man stelle sich das vor: Schülerinnen und Schüler sind in einem dunklen Verlies gefangen. Sie müssen knifflige Rätsel und Codes lösen, um an den Schlüssel zu gelangen, der die Tür öffnet – und sie haben auch noch Spaß dabei. Das ist doch gar nicht möglich? Doch. So geschehen am Freitag bei den ersten Entdeckertagen der Luise-Chevalier-Schule in Syke.
Das Verlies ist ein umfunktionierter Klassenraum, die kniffligen Rätsel und Codes mathematische Aufgaben, mit denen die Schülerinnen und Schüler die Lerninhalte des Schuljahres wiederholen. Aber eben spielerisch, eingebettet in ein Escape-Room-Spiel. Dieser besondere Dreh macht den Schülerinnen und Schülern Spaß. Mit Feuereifer sind sogar die dabei, die Mathe sonst doof finden.

Jannis (links) spielt schon seit der ersten Klasse Schach. Auch Valentin liebt das Spiel der Könige. Bei den Entdeckertagen konnten der Siebt- und der Sechstklässler gegeneinander antreten.
Und genau das ist das Ziel der Entdeckertage, wie Schulleiterin Petra Raue erläutert. "Wir wollen damit noch einmal andere Lernräume erschließen." Anstatt Deutsch, Mathe oder Englisch stehen an vier Freitagen im Halbjahr verschiedene Projekte zur Auswahl: Geschichten schreiben mit KI, Handlettering und Kalligrafie, Jonglage, Brot backen, die Restauration von Kleinmöbeln, Buchbinden oder das Herstellen von Holzspielzeug. Auch außerschulische Lernorte gehören mit dazu, wie etwa ein Tierpark, ein Bauernhof und der Wald.
"Wir wollen das entdeckende Lernen fördern", ergänzt Konrektorin Sarah Giebl. Und das handlungsorientiert, wie beim Herstellen von Holzfliegern, die dann im Flur auch gleich getestet werden können, oder lebensnah wie eben der Escape-Room, bei dem Gelerntes in einem anderen Zusammenhang eingesetzt werden muss. "Die Schülerinnen und Schüler sollen auf diese Weise das Lernen auch mal anders wahrnehmen", sagt Sarah Giebl. Als Teil des Alltags, damit es ihnen möglich ist, sich auf anderen Wegen Lerninhalte zu erschließen.
22 Projekte im Angebot
22 Projekte wurden dafür angeboten. Vorbereitet und begleitet wurden diese von den Lehrkräften der Luise-Chevalier-Schule, die sich Themen auch nach ihren Vorlieben aussuchen konnten. "Die Kollegen müssen dafür brennen", sagt Stefanie Hinrichs. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Marina Meybohm und Kristina Sander hat sie nicht nur den Escape-Room angeboten, sondern die Entdeckertage auch im Ganzen organisiert und koordiniert. 270 Kinder und Jugendliche von Klasse fünf bis zehn konnten sich je vier Projekte aus dem Angebot aussuchen.
Da alle Projekte zu allen vier Terminen angeboten werden, konnten bis auf eine Handvoll auch alle Wünsche erfüllt werden, freuen sich die Pädagoginnen. Dadurch gab es nur wenige enttäuschte Gesichter bei den Schülerinnen und Schülern. Stattdessen tun sie etwas, was ihnen Spaß macht, und lernen noch etwas dabei. Selbst für "Philosophie to go", ein eher abstraktes Thema, fanden sich Interessenten. Ganz aktuell steht dabei die Demokratie im Mittelpunkt.

Eine Gruppe kümmert sich um die Gestaltung der Schule. Graffiti stehen hoch im Kurs.

Die Motive haben die Schüler selbst gewählt. Sie zeigen Themen, die ihnen am Herzen liegen.
Eine andere Projektgruppe kümmert sich um die Mitgestaltung der Schule. Auf großen Leinwänden zieren jetzt bekannte Graffitis die Wände: Make Art Not War, Frieden, Hoffnung. "Die Motive haben sich die Schülerinnen und Schüler selbst ausgesucht", sagt Stefanie Hinrichs. "Das sind Themen, die sie bewegen." Die Rahmen, die noch leer sind, werden bei den nächsten Entdeckertagen von weiteren Gruppen gefüllt.

Hirad aus der 5b hat einen Flieger aus Holz gebaut. Der Testflug findet im Flur statt.
Darüber hinaus ist der Name Programm: Die Entdeckertage sollen den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, Neues zu entdecken und auszuprobieren. Wie etwa das Schreiben einer Geschichte mit KI. Das reize vielleicht auch die Schüler, denen das Schreiben sonst nicht so leicht falle oder die Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung haben, hofft Informatik-Lehrer Jan Frühmark. Schüler wie Leon hingegen haben Spaß, sich kreativ auszutoben. "Die Details habe ich mir selbst ausgedacht", erzählt er. Damit wurde das Programm "gefüttert". Ein weiterer Befehl gab die Richtung vor – Fantasy – und heraus kommt die Geschichte: "Der Dämonenlord". Damit ist sie aber noch nicht fertig. Ein Gerüst bietet den Schülerinnen und Schülern Anhaltspunkte, wie eine Geschichte auszusehen hat, was sie beinhalten muss, um auch spannend zu sein. Daran müssen sie dann doch noch selbst feilen.
"Die Entdeckertage sind eine kleine, abgespeckte Variante des Lernformats 'Frei Day'", erläutert Petra Raue die Hintergründe. Dabei beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler mit aktuellen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen und finden Antworten auf selbstgewählte Zukunftsfragen. Dafür erhalten sie einen Tag in der Woche, in der Regel den Freitag, zur freien Verfügung. An der Luise-Chevalier-Schule ist das Bestreben da, dies irgendwann zu etablieren.