Syke. "Buenos dias" hieß es jetzt im Syker Rathaus. Bürgermeisterin Suse Laue hieß damit eine Gruppe junger Frauen und einen jungen Mann aus Spanien willkommen. Nicht als Gäste, auch wenn die Gruppe gastfreundlich empfangen wurde. Vielmehr handelt es sich bei den Spanierinnen um Erzieherinnen, die Anfang November ihre neuen Stellen in Syker Kindertagesstätten antreten werden. Möglich macht dies das Projekt Adelante, an dem die Stadt Syke nun das zweite Mal und die Lebenshilfe Syke das erste Mal teilnimmt.
Worum es in dem Projekt geht
Das Projekt Adelante ist eine betriebliche Anpassungsqualifizierung, die es jungen Menschen aus Spanien ermöglichen soll, in Deutschland eine Anstellung zu finden. Eine Anpassung ist erforderlich, da zum einen die Ausbildungen unterschiedlich sind. Zum anderen ermöglicht es den jungen Spanierinnen, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und so besseren Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland zu erhalten. "Ich freue mich sehr, dass sie den Mut haben, nach Syke zu kommen", begrüßte Suse Laue die spanischen Erzieherinnen. "Wir freuen uns sehr, dass sie hier sind." Denn mit ihrem Weg nach Deutschland tragen sie dazu bei, dem Fachkräftemangel, in diesem Fall im Bereich der frühkindlichen Betreuung, entgegenzuwirken.
Was sich die Kita-Träger erhoffen
Im Februar 2021 nahm Syke erstmals an dem Projekt teil (wir berichteten). "Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht", resümiert Suse Laue. Zwei Erzieherinnen und ein Erzieher kamen damals nach Syke, zwei von ihnen entschlossen sich, zu bleiben. "Und die geben wir nicht wieder her", heißt es seitens der Kita-Leitung.
Auch dieses Mal wünschen sich die Arbeitgeber, dass die Erzieherinnen bleiben. Das unterstreichen alle Beteiligten. Arbeiten im Ausland sei zwar ein "Abenteuer", aber in diesem Fall eines, das auf Dauer angelegt ist. Dafür investieren auch die jungen Menschen aus Spanien viel. So geht der Rekrutierung für eine Stelle im Ausland ein intensiver Sprachkurs voraus. "Ich komme aus Madrid", sagte Maria-Luisa. Dort ist die Erzieherin arbeitslos. Also habe sie sich entschlossen, eine neue Sprache zu lernen, um in Deutschland zu arbeiten. Das kann sie nach vier Monaten Sprachunterricht bereits in der neuen Sprache berichten.
Wie die Arbeitssituation in Spanien ist
Ähnlich erzählen es auch Ana, Maria, Vanessa, Naiara und Alba. Alle sind Anfang 20, alle ausgebildete Erzieherinnen, die in Spanien aber keine Stelle finden. "Das System in Spanien ist anders. So ist etwa der Personalschlüssel enger, dort kümmert sich eine Kraft um Gruppen von 20 Kindern", wissen Oliver Schneider und Esther Schmidtsdorff von Practigo. Das Unternehmen aus Stuhr ist zuständig für die Rekrutierung in Spanien und fungiert als Projektträger.
Wie die Anfangszeit abläuft
Mitarbeiter des Unternehmens aus Stuhr begleiten den Anpassungsprozess, indem sie zum Beispiel Einführungen in den deutschen Alltag geben. "Etwa, wie das in Deutschland mit der Krankmeldung funktioniert oder wie hier der Müll getrennt wird", so Esther Schmidtsdorff. Auch Fragen zu Versicherungen oder dem öffentlichen Nahverkehr werden geklärt und Hilfe bei der Suche nach einer Wohnung gegeben. "Momentan wohnen noch alle in Bremen, aber wir sind auf der Suche nach Unterbringungen in Syke", sagt Esther Schmidtsdorff. Darüber hinaus stehen die Mitarbeiter des Unternehmens aber auch bei allen anderen Fragen und Problemen bereit, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Denn: "Die jungen Menschen lassen auf der Suche nach einer Zukunft ihre Familie und ihr bisheriges Leben hinter sich." Das sei nicht einfach. Die Ansprechpartner bei Practigo seien daher "ein bisschen Vater und Mutter für die Teilnehmer."
Bei der Rekrutierung werden darum auch gezielt Unternehmen gesucht, die eine Perspektive bieten, die gewillt sind, die Teilnehmerinnen aus Spanien, auch über die anderthalbjährige Zeitspanne der Anpassungsqualifizierung hinaus, zu beschäftigen. "Es ist nicht nur ein Abenteuer, sondern die Menschen kommen mit dem Ziel, zu bleiben", unterstreicht Esther Schmidtsdorff. Ihre "Herzen seien sehr offen dafür", unterstreicht Alba.
Wie die Neuankömmlinge Deutschland wahrnehmen
Alle Erzieherinnen sind das erste Mal in Deutschland. Der erste Eindruck war rundum positiv, auch wenn die Vorstellung nicht immer mit der Realität übereinstimmte. So sei Syke größer, als sie erwartet hatten und Bremen "muy bonita" – "sehr hübsch". Am meisten Eindruck hinterließ, wie freundlich und hilfsbereit die Menschen ihnen begegnet sind. Und wer aus dem heißen, trockenen Andalusien kommt, kann selbst dem norddeutschen "Schmuddelwetter" etwas abgewinnen. "Es ist alles so grün!" Auch der erste Einblick in die Kindertagesstätten hat Eindruck hinterlassen. So findet Ana die Größe der Kitas und die Anzahl der Räume toll und Naiara beeindruckte wie ruhig und leise die Kinder spielen, selbstständig, auch ohne das Zutun der Erzieherinnen. "Noch sind Ferien", erklären die Erzieherinnen lachend. Ab 1. November werden sich ihre neuen Kolleginnen dann selbst ein Bild machen können.