Gerd Jurries ist vielen Leuten wohl eher als "De Flickschoster" aus Vilsen bekannt. Seit 27 Jahren geht er seinem Beruf mit Herz und Seele nach. Nun muss er seine Schuhreparatur-Werkstatt in der Feldstraße 4 verlassen und sucht mithilfe der Vilsener Wirtschaftsförderung dringend nach neuen Räumlichkeiten im Raum Bruchhausen-Vilsen.
"Alle meine Kunden sagen 'Bitte gehen Sie nicht weg'", schildert Jurries die aktuelle Stimmung unter seiner Kundschaft. So seien insbesondere viele seiner älteren Kunden nicht mehr mobil und kämen hauptsächlich mit dem Rad oder zu Fuß zu ihm. Allein aus diesem Grund möchte er in der näheren Umgebung bleiben. Darüber hinaus seien ältere Menschen zum Teil auf Jurries Arbeit angewiesen. "Wenn man älter wird, bekommen viele Leute Probleme mit den Füßen. Da müssen hochwertigere Schuhe her", erläutert er. Dass diese oftmals teuren Treter auch besonders lange halten, dafür sorgt der Schuster.
Wie lange er noch in der Feldstraße bleibt
Seit sechs Jahren hat er seine Werkstatt in der Feldstraße, wo er sich auf etwa 20 Quadratmetern mit seinen Maschinen und den vorrätigen Materialien ausbreiten kann. Zuvor konnte man seine Räumlichkeiten über 20 Jahre lang an der Bahnhofstraße finden. Schon der damalige Umzug in die Feldstraße hatte sich als nicht so einfach erwiesen, wie er sich erinnert. "In Vilsen stand viel leer, aber ich habe da einige Ablehnungen bekommen."
Schon vor sechs Jahren wurde er tatkräftig durch die Wirtschaftsförderung unterstützt, hebt Jurries hervor. "Eigentlich hätte ich ewig in der Feldstraße bleiben können, aber der Besitzer hat das Haus 2021 verkauft." Nun habe der neue Eigentümer Eigenbedarf angemeldet. Das bedeutet für Jurries: Er darf noch bis zum 31. Dezember bleiben, danach muss er raus. "Wenn sich früher etwas findet, würde ich natürlich auch eher umziehen", betont er.
Was die neuen Räumlichkeiten mitbringen müssen
Seit April ist er auf der Suche nach einem geeigneten Arbeitsraum. Ein paar Besichtigungen habe Jurries schon hinter sich. Doch die Räumlichkeiten seien zum Teil zu groß und entsprechend zu teuer gewesen. "Ich suche nach einem etwa 25 Quadratmeter großen Raum für meine Werkstatt und einem zusätzlichen Abstellraum für meine Materialien." Eine Gesamtgröße von etwa 35 Quadratmetern halte er für genau richtig. Mehr Platz benötige er aber nicht, wie er betont.
"Es wäre natürlich schön, wenn ich in Vilsen bleiben könnte", hofft Jurries. Dank der erneuten Unterstützung der Wirtschaftsförderung konnte bereits ein Online-Aufruf für Jurries Suche gestartet werden. Jetzt heißt es Augen offen halten und Daumen drücken.
"De Flickschoster" beherrscht ein aussterbendes Handwerk
In beinahe drei Jahrzehnten als Schuster habe Jurries einige Veränderungen mitbekommen. "Zwischendurch ist das Geschäft mit der Beliebtheit der Sneaker ein wenig eingebrochen", blickt er zurück. "Dabei habe ich festgestellt, dass auch Sneaker immer hochwertiger werden und viele Leute gar nicht wissen, dass sie damit auch zu mir kommen können."
Die Nachpolsterung aufgepolsterter Turnschuhe und die Erneuerung des Fersenfutters und der Sohlen seien für den erfahrenen Schuster kein Problem. "Es gibt kaum noch Leute, die diesen Beruf ausüben und irgendwann sterben die älteren Schuhmacher alle weg." Allein deshalb kommt der Ruhestand für den 65-Jährigen noch nicht infrage. Er sagt klar: "Ich möchte noch drei bis vier Jahre weiter arbeiten."
Egal ob Motorradschuhe oder Pfennigabsätze
Und dass Jurries das aussterbende Handwerk beherrscht, wissen auch seine zahlreichen Kunden. Der Großteil dieser sei laut Jurries zwischen 20 und 50 Jahre alt. Dabei reichen die Leistungen des Schusters vom Reparieren von Pfennigabsätzen bis hin zum Erhöhen von Motorradstiefeln. "Einer Dame fehlten mal 3,5 Zentimeter an ihren Motorradstiefeln und die hab ich ihr dann erhöht", berichtet er schmunzelnd. Gleich darauf habe er auch die Stiefel der Mutter um 6,5 Zentimeter erhöht. "Die Kundin war so happy, dass sie Tage später nochmal zu mir kam, um mir ein Trinkgeld zu geben." Außerdem rate Jurries gerade bei Pfennigabsätzen dazu, die Schuhe noch vor dem ersten Tragen zu ihm zu bringen. Für eine bessere Haltbarkeit tauscht er Teile des Absatzes aus.
Darüber hinaus bietet der Schuster bei sich zu Hause, in der Sudweyher Straße 8 in Barrien, einen Annahmeservice an. Wer also gerade in der Nähe ist, kann seine Schuhe direkt dort abgeben. "Das Gute ist, dass wir oft zu Hause sind und die Leute auch noch abends oder am Sonnabend ihre Schuhe vorbeibringen können." In seiner Werkstatt in Vilsen ist er dienstags bis freitags in der Zeit von 15 bis 18 Uhr anzutreffen. Ansonsten erreicht man Jurries auch telefonisch unter 01 76/ 45 86 95 07.