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Impfschäden: Selbsthilfegruppe in Harpstedt „Ich will ernst genommen werden“

In Harpstedt hat sich eine Selbsthilfegruppe für Menschen getroffen, die davon ausgehen, dass ihnen die Impfung gegen Corona geschadet hat. Wir haben das erste Treffen besucht.
16.03.2022, 15:34 Uhr
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„Ich will ernst genommen werden“
Von Marc Hagedorn

Wenn jetzt noch jemand kommt, muss er sich einen Stuhl aus dem benachbarten Klassenzimmer besorgen, andernfalls bleibt nur noch ein Stehplatz. 20 Menschen haben sich an diesem Nachmittag in der Delmeschule in Harpstedt zusammengefunden. Menschen, die das Bedürfnis haben, sich mit anderen auszutauschen, darüber, dass sie unter Schmerzen und Einschränkungen leiden, die sie auf ihre Corona-Impfung zurückführen.

Die allermeisten, die hier an Schulbänken sitzen, sind zwischen 40 und Ende 60, Frauen sind klar in der Mehrheit; darunter eine Krankenschwester, eine Ergotherapeutin. Eine Frau ist im Schuldienst tätig, einige sind in Rente. Viele der Anwesenden berichten von einer Vorerkrankung, jeder hat eine Geschichte zu erzählen. Ein Satz, den man in den nächsten zwei Stunden in diesem Raum immer wieder hören wird, lautet: „Ich will endlich ernst genommen werden.“

Diskussion wird hoch emotional geführt

Das Thema Nebenwirkungen einer Corona-Impfung wird hoch emotional diskutiert. Nachdem der WESER-KURIER am Wochenende den Fall von Hannelore Niemann geschildert hatte, meldeten sich mehrere Leser in der Redaktion, die von eigenen Beschwerden berichteten und Kontakt zu Niemann aufnehmen wollten. Niemann ist die Gründerin einer Selbsthilfegruppe in Harpstedt, die sich am Dienstag zum ersten Mal getroffen hat.

Es gibt offizielle Zahlen zur Häufigkeit und zur Schwere von Nebenwirkungen, die nach einer Corona-Impfung auftreten können. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), bei dem Patienten, Ärzte und Hersteller Nebenwirkungen anzeigen können, rechnet mit 1,6 Meldungen pro 1000 Impfdosen, für schwerwiegende Reaktionen sollen es 0,2 Meldungen pro 1000 Impfdosen sein. „Wenn ich sehe, wie viele Menschen sich bei mir allein aus dem Landkreis gemeldet haben, kommen mir diese Zahlen zu niedrig vor“, sagt Niemann.

Das kann sich auch Hans Michael Mühlenfeld vorstellen. Der Mediziner ist Bremer Hausärztechef und rechnet mit einer Dunkelziffer. „Die Meldung ist für Patienten nicht unkompliziert, sie macht allen Beteiligten Arbeit und kostet Zeit“, sagt Mühlenfeld. Er sei sich allerdings sehr sicher, dass wirklich schwere Fälle gemeldet würden.

BBK Pro-Vita trennt sich von ihrem Chef

Darüber, wie aussagekräftig diese Daten sind, ist erst kürzlich an prominenter Stelle gestritten worden. Der Chef der Krankenkasse BBK Pro-Vita hatte behauptet, dass 216.695 von 10,9 Millionen BKK-Versicherten wegen Nebenwirkungen durch Impfstoffe behandelt werden mussten.

Zum Vergleich: Das PEI geht von 244.576 Nebenwirkungsmeldungen aus – bei 61,4 Millionen Geimpften. Ärztevertreter und Virologen hatten BBK-Pro-Vita-Vorstand Andreas Schöfbeck daraufhin vorgeworfen, Daten zu vermischen, von „peinlichem Unwissen“ und „undifferenzierter Schwurbelei“ gesprochen. BKK Pro-Vita hat sich mittlerweile von Schöfbeck getrennt.

Im Klassenzimmer in Harpstedt steht Nicol Schlotmann vorne an der Tafel. Sie trägt eine orangefarbene Warnweste, auf der „Ich bin ein Impfopfer“ steht. Ihr Gesundheitszustand, erzählt sie, habe sich nach den Impfungen so sehr verschlechtert, dass sie ihrer Arbeit als Busfahrerin nicht mehr nachgehen könne. Seit Monaten bemühe sie sich um eine ärztliche Bestätigung dafür, dass ihre Beschwerden Folgen der Impfung seien. „Vergeblich“, sagt sie. Sie werde stattdessen vertröstet.

Sie hat nun beim Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt. Und den nächsten Schritt, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, hat die Harpstedter Gruppe auch schon geplant. Man will sich jetzt mit einer Selbsthilfegruppe in Bremen vernetzen.

Zur Sache

Keine nachhaltigen Schäden

Wie gefährlich ist eine Corona-Impfung? Der Bremer Hausarzt Hans Michael Mühlenfeld nennt Zahlen aus seiner Praxis. Bis zu 4.000 Patienten behandelten die Ärzte in seiner Gemeinschaftspraxis in Woltmershausen pro Quartal, über 6000 Impfdosen habe man bisher verabreicht, „und es gab nicht einen einzigen Fall, in dem bei einem Patienten nachhaltige Schäden aufgetreten sind“. Im Gegenteil, sagt der Mediziner, viel größere Probleme hätten nach seiner Beobachtung diejenigen, die ungeimpft an Corona erkrankten.

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