Er erinnert sich noch gut, wie seine Kollegin nach dem Vorfall eine Blutprobe bei Dieter M. nahm und er losging, um nach verdächtigen Ampullen im Mülleimer zu suchen. Und welche fand. Im Juni 2005 flog der Patientenmörder Niels Högel auf, und Krankenpfleger Stephan K. war ganz nah dran. K., ehemals ein enger Freund Högels, trat in dieser Woche als Zeuge vor dem Oldenburger Landgericht auf. Die Kammer versucht seit Februar, die Rolle der damals Verantwortlichen an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst aufzuklären. Nun sollten ehemalige Oldenburger Beschäftige berichten, wie damals die Stimmung war, was geredet wurde.
Dass der Mord an M. auf den Tag 17 Jahre her ist und dass er das nie vergessen werde, erzählt K. von sich aus. Doch auf viele andere Fragen gibt er keine Antwort. Gab es Getuschel um Högel? Was war mit den auffallend hohen Kaliumwerten bei den Intensivpatienten? Mehrmals überlegt K., neben sich einen Rechtsbeistand, sagt schlussendlich aber immer dasselbe: Er könne sich im Moment nicht erinnern. Auch andere tun das.
Doch nicht alle sind so erinnerungsarm. So entsinnt sich Krankenpfleger H., dass es eine größere Besprechung wegen der Kaliumwerte gegeben habe. Mehrere der Angeklagten sollen dieser vorgesessen haben. Ob ein Verdacht geäußert wurde, wie es zu den extremen Werten gekommen sei, erinnere er jedoch nicht mehr. Kalium war eines der Mittel, mit denen Högel tötete.
Die ungewöhnlichen Umstände, unter denen Högel Ende 2002 das Klinikum Oldenburg verließ, schilderte Thomas A., damals für den Bereich Kardio-Anästhesie zuständig. Der angeklagte ärztliche Leiter der Intensivstation habe ihm gesagt, er wolle Högel nicht mehr dabei haben. In einer Besprechung, an der mindestens drei der vier Oldenburger Beschuldigten teilgenommen haben sollen, habe es geheißen, der Pfleger überschreite seine Kompetenzen und halte sich nicht an Anordnungen. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört. Dass ein Arzt, und nicht die Pflegedienstleitung, das Kündigungsgespräch mit Högel führte, war laut A. ungewöhnlich. Auch die Belegschaft wunderte sich: Niemand erklärte, weshalb Högel vom einen auf den anderen Tag nicht mehr zur Arbeit erscheinen sollte.
Wie weit sich die Situation im Klinikum Oldenburg noch erhellen lässt, werden die nächsten Verhandlungstermine am 4. und 5. Juli zeigen. Allerdings haben sechs von zehn Personen, gegen die wegen Meineids oder Falschaussage in einem der früheren Prozesse ermittelt worden war, entschieden, von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.